Parkplatz-Gespräche in Stuhr: Soll die Wehrpflicht wieder gelten?

55 Jahre nach der Einführung der Wehrpflicht hat der Bundestag im Jahr 2011 diese Verpflichtung ausgesetzt. Die jüngste Debatte um eine Kehrtwende nimmt Fahrt auf.
Was meinen Bürger dazu? Soll die Aussetzung der Wehrpflicht rückgängig gemacht werden? Sollte sie zum Beispiel durch ein Pflichtjahr ersetzt werden, das möglicherweise nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch in einer kulturellen oder sozialen Einrichtung abgeleistet werden könnte?
Bei den jüngsten Parkplatz-Gesprächen in Stuhr war die Meinung hinsichtlich der Wiedereinführung der Wehrpflicht gespalten: Nicht alle würden die Wehrpflicht begrüßen. Aber gegen ein Pflichtjahr für Deutschland hätte niemand was.

Andrè Thärigen (37) aus Brinkum würde die Wehrpflicht wieder aktivieren. Sie sollte nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen gelten und vor einer Ausbildung oder einem Studium abgeleistet werden. Es sollte bei der Bundeswehr zudem möglich sein, eine Vielzahl von Ausbildungen zu absolvieren. Die Bundeswehr sei wichtig, um den Katastrophenschutz wie zum Beispiel im Ahrtal zu unterstützen. Eine Wehrpflicht sollte frühestens 2024 aktiviert werden.
Thies Türke (22) aus Stuhr sieht in der Wehrpflicht ein gutes Konzept, was er unterstützen würde. Allerdings müsste es noch ausgefeilt werden. Die Wehrpflicht sollte seiner Meinung nach im Alter von 20 bis 30 Jahren abgeleistet werden. Man müsste sich allerdings aussuchen können, in welchem Jahr man zur Bundeswehr geht. Wer dort seinen Dienst verrichtet, müsse auch Geld bekommen. Einen Teil müsste an die Rentenkasse abgeführt werden.

Frank Barkhausen wünscht sich, dass so viele junge Menschen die Bundeswehr erleben, wie es geht. Er sei selbst Wehrpflichtiger gewesen und habe dort sowohl ein Verständnis für Respekt und Ordnung entwickelt, aber auch intensive Freundschaften begründet, die weit über die Bundeswehr-Zeit Bestand haben. Er habe es als angenehm empfunden, dass in seiner Einheit in Dörverden jeder jedem half. „Wenn einer nicht mehr konnte, wurde zusammengehalten und sich gegenseitig unterstützt.“
Solche Werte seien einigen jungen Menschen fremd, sagt der 59-Jährige. „Ich erlebe im Supermarkt junge Kerle, die meinen, ihnen gehört die Welt, und sie dürfen sich alles erlauben.“ Der Fahrenhorster hegt die Hoffnung, dass die Bundeswehr-Zeit diesen Menschen helfen könnte, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. „Mit der Wehrpflicht würde ich auch den Zivildienst wieder einführen.“ Er glaubt, dass diese Zeit den jungen Menschen beim Reifeprozess hilft.

Seine Ehefrau Jenifer Barkhausen (50) begrüßt es ebenfalls, den Zivildienst einzuführen. Als Krankenschwester wisse sie, wo Menschen in der Pflege fehlen. Die Fahrenhorsterin rät den Politikern, diese Pflichtzeiten so schnell wie möglich einzuführen.
Für Axel Tapper (54) aus Alt-Stuhr sollte mit der Wehrpflicht auch der Zivildienst wieder eingeführt werden. Der 54-Jährige gibt sich konservativ: „Die Wehrpflicht sollte nur für Männer gelten.“ Frauen, die gerne zur Bundeswehr möchten, sollte der Weg nicht verwehrt werden. Das Gleiche sollte auch für den Zivildienst gelten. Zwölf Monate sollten genügen, findet er. Für nachfolgende Ausbildungen wäre eine längere Zeit hinderlich, findet er. Er selbst sei wie Frank Barkhausen Wehrpflichtiger gewesen, sei aber nicht in Dörverden in einer Kaserne gewesen, sondern im Harz. Er bezeichnet die Zeit damals als „lehrreich“. Aus heutiger Sicht sei sie keinesfalls verschwendet gewesen.

Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sehe er nicht als Grund an, die Wehrpflicht wieder zu aktivieren, sagt er. Solange im Land der Wille da sei, eine Bundeswehr zu haben, halte er die Wehrpflicht für notwendig.
Thilo Scholz (43) aus Bremen ist gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Als er am Scheideweg Wehrpflicht oder Zivildienst stand, habe er sich persönlich für den Zivildienst entschieden. „Ich lehne den Dienst an der Waffe ab.“ Junge Frauen und Männer dazu zu zwingen, sei für ihn persönlich nicht tragbar.

Als eine interessante Idee empfinde er allerdings den ebenfalls diskutierten Vorschlag, dass die Menschen ein Lebensjahr für die Gesellschaft einbringen. Dafür könne er sich sehr erwärmen. Für ihn sei sein eigener Zivildienst nach dem Abitur eine sehr gute Zeit gewesen, sagt er. „Das hat mich sehr weitergebracht.“
Er habe als 19-Jähriger bei den paritätischen Diensten gearbeitet und ging mit den Kunden einkaufen. Er betreute Rollstuhlfahrer und andere Menschen mit Handicap. „Ich habe mit denen Spiele gespielt und Nachmittage verbracht.“ Ein Teil war Essen auf Rädern. Das Jahr zwischen Abitur und Studium sei deshalb so wertvoll gewesen, weil er Zeit gehabt habe, in sich zu gehen, was er mit seinem Leben anstellen will.