Sorge ums Gas: Zahlen für nichts? Was die Take-or-Pay-Klausel bedeutet

Die Angst um die Gasversorgung wächst, seit die Ukraine den Gastransit durch die Region Luhansk nach Europa gestoppt hat. Dabei ist der Erdgasspeicher in Rehden nur zu 0,55 Prozent gefüllt, geht aus aktuellen Daten von Aggregatet Gas Storage Inventory (AGSI) hervor. Russisches Gas fließt also, ein Embargo ist nicht in Sicht. Aber würde die Bundesregierung es verhängen, könnte es teuer werden.
Darauf weist Henrik Paulitz als Leiter der Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung hin: „Aufgrund der bestehenden Gaslieferverträge müsste Deutschland vermutlich auch dann Gazprom weiterhin bezahlen, wenn man auf den Bezug russischen Erdgases verzichten würde.“
Paulitz verweist auf die „Take-or-Pay“-Klauseln in den Lieferverträgen: „Es könnte die kuriose Situation entstehen, dass Deutschland weit überteuertes LNG-Gas beispielsweise aus den USA bezieht und zugleich an Russland Überweisungen ,für heiße Luft’ vornehmen müsste.“ Denn Grundlage der bisherigen deutsch-russischen Gaspartnerschaft seien langfristige Verträge mit Laufzeiten zwischen zehn und 25 Jahren. Der Leiter der Akademie Bergstraße: „Es handelt sich um sogenannte Take-or-Pay-Verträge, bei denen die deutschen Importeure eine unbedingte Verpflichtung zur Zahlung übernommen haben, unabhängig davon, ob man Erdgas tatsächlich importiert oder nicht.“ Henrik Paulitz ist überzeugt: Wenn man einen solchen Liefervertrag breche, dann entstünde eine unmittelbare Fälligkeit. Man könnte der Zahlungsverpflichtung nicht entgehen. Genau die würde am Ende auf die Bundesregierung übergehen, wenn sie einen Importstopp für russisches Gas verhängen würde, mahnt der Leiter der Akademie Bergstraße.

Wie bewerten die Bundestagsabgeordneten aus dem Landkreis Diepholz die aktuelle Sachlage? „Die Bedingungen von Take-or-Pay-Klauseln in noch laufenden Gaslieferverträgen werden gerade geprüft. Wir sind hier dran“, antwortet die SPD-Bundestagsabgeordnete Peggy Schierenbeck – und fügt hinzu: „Grundsätzlich ist es richtig und wichtig, dass wir als Regierung aktiv im Auffinden neuer Lieferquellen für Gas sind. Da passiert gerade viel und schnell.“
Die Bundestagsabgeordnete verweist auf den Start einer verstärkten Flüssiggas-Nutzung vergangene Woche in Niedersachsen: „Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterzeichnete in Wilhelmshaven Verträge für die Charterung von vier schwimmenden Flüssigerdgasterminals – sogenannte Floating Storage and Regasification Units.“ Diese Flüssigerdgasterminals (FSRU) böten die Möglichkeit, sehr kurzfristig mit dem Import von LNG zu beginnen, „um so auch bei Gas die Unabhängigkeit von russischen Importen weiter voranzutreiben“.
Take-or-Pay-Klauseln „üblicher Bestandteil von Gaslieferverträgen“
Die Take-or-Pay-Klauseln sind laut dem CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Knoerig „ein üblicher Bestandteil von Gaslieferverträgen“. Sie würden unter normalen Verhältnissen eine Sicherheit für alle Vertragsparteien darstellen. „Um in der aktuellen Situation gesicherte Aussagen über die Rechtsfolgen machen zu können, müsste man Einblick in die spezifischen zugrunde liegenden Verträge haben“, erläutert Axel Knoerig. „Allgemein lässt sich aber sagen, dass im Falle eines russischen Lieferstopps keine Zahlungspflicht für deutsche Gashändler entstehen dürfte, denn in einem solchen Fall würde es ja schon an einem Angebot von russischer Seite mangeln.“

Im Falle eines Embargos von europäischer Seite sei die Lage weniger klar: „Es ist damit zu rechnen, dass es dann zu Rechtsstreitigkeiten kommen wird, die sich über mehrere Jahre hinziehen könnten“, so die Einschätzung des CDU-Bundestagsabgeordneten. Man könne aber davon ausgehen, dass deutsche Gashändler nicht kurzfristig an die Zahlungen gebunden wären. Für Knoerig ist klar: „Die Bundesregierung darf diese unübersichtliche Situation aber nicht zum Anlass nehmen, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Einzelne Unternehmen aus der Gasbranche, insbesondere die Grundversorger, müssen vor unverschuldeten Schieflagen geschützt werden. Hier ist politischer Wille gefordert.“