50 Jahre „Bense-Beats“ in „Bensemann’s Gasthaus“ in Affinghausen

Affinghausen – 24 Jahre alt, lockiges, langes Haar, Lederjacke: Das alte Foto zeigt Karl-Heinz Bensemann, schon damals, 1975, nur „Kalle“ genannt, in den Anfängen als Discjockey. Hat er die Lederjacke noch? „Klar. Und die passt auch noch“, sagt Bensemann. Die Haare? Immer noch fast schulterlang und lockig, mit deutlich weniger Farbe. Immer noch an seiner Seite: Ehefrau Bärbel. 50 Jahre „Bense-Beats“: für das Gastwirtspaar mal ein ganz eigener Grund für eine Feier.
Natürlich mit Livemucke, aus den Siebzigerjahren: Am Samstag, 4. März, ist die „CCR Revival Band“ aus Minden zu Gast im Affinghäuser „Dorfdisco-Mekka“. Gerne würden Bärbel und Kalle Bensemann einige der Gäste von einst begrüßen, denn: „Die fragen ja immer nach einem Abend für Senioren...“ Sie bekämen einen ganz besonderen, bis 21.50 Uhr freien Eintritt und einen Cocktail gratis.
Und vielleicht sind auch die Jugendlichen von einst dabei, die an einem Dienstag im Januar 1973 beim ersten landwirtschaftlichen Schülerball nach einem Handballturnier zur Musik von „The Whities“ aus Hassel bei Hoya getanzt haben. „Warum machen wir so eine Veranstaltung für die Jugend nicht auch auf einem Samstag?“, habe er sich damals gefragt, erinnert sich Kalle Bensemann. Für März 1973 wird flugs die zweite Top-Band der Region gebucht, die „Combo 66“ mit Musikern aus Borstel und Sieden. Die „Whities“ spielen auf im April und Mai und ab Herbst 1973 alle 14 Tage Bands aus dem gesamten norddeutschen Raum. Noch heute ist die Szene mit Bands, Veranstaltern, Managern, Vermittlern, Gastronomen gut vernetzt.
Im Promo-Einsatz für einen Band-Geheimtipp
Und dank einer dieser Kontakte ist eine junge Band nach Affinghausen gebucht, im Nachbarort ist gerade Brokser Markt. „Ich hab’ in der ,Schallplatte‘ in Bremen schnell ein paar Singles gekauft und die bei der Blitzbahn und anderen Fahrgeschäften abgegeben. Damit die Band bekannter wird und die Leute zwei Wochen später zu deren Auftritt nach Affinghausen kommen“, erinnert sich Kalle Bensemann. Die Band ist „Boney M.“ und sei mit einem alten Ford Transit aus München angereist. „Bobby machte den Manager und den Clown, die Mädchen mussten aufbauen. Nach dem Auftritt war Treff am großen Küchentisch, wo es Essen gab“, schildert Kalle den Abend. 14 Tage später sind Boney M. international mit dem Hit „Daddy Cool“ durchgestartet.

50 Jahre Bense-Beats bedeuten eine Fülle an kleinen und großen Geschichten. Bärbel und Kalle Bensemann wohnen über dem Gasthaus – und hier, im Wohnzimmer, bei Currywurst, Pommes und Wasser, sitzt irgendwann Wolfgang Petry, hadert mit der Entscheidung, Sänger zu sein. „Kalle, ich habe keine Lust mehr. Ich habe einen Auftritt im Monat in einer Dorfdisco, im Kohlenpott oder auf Malle.“ Bensemann denkt, irgendwann wird ein Hit kommen. Und dann kommt mit „Verliebt, verloren, vergessen, verzeih’n“ „der“ Hit, mit dem Petry zum Schlager-Star wird.
Livemusik bleibt ein wesentliches Merkmal der Abende in Bensemanns Gasthaus – bis die Discowelle auch nach Affinghausen schwappt. Hatte Kalle Bensemann für seinen Auftritt einst noch Silberfolie als Deko an die Wand geklebt und eine einfache Lichterkette daran drapiert, so hält bald eine moderne Lichtanlage Einzug.
Von Oktober bis Ostern – diese Regel gilt für die Dorfdisco-Abende noch heute, denn: „Im Sommer wollen wir nicht mit den Zeltfeten konkurrieren.“
Es gibt auch lustige Erinnerungen. Das Gastwirtspaar erinnert sich an das „German Hitradio mit DJ Ede“. Ede hatte die Schallplatten hinten im Auto auf der Ablage – bei Sonne keine gute Idee, „die Platten waren alle wellig“, sagt Kalle Bensemann und muss noch heute schmunzeln. „Shocking Blue“ schaffen es wegen Glatteises nicht aus Holland nach Affinghausen. Also bitten Bärbel und Kalle alle Gäste raus, reichen ihnen ihr Geld zurück – und lassen sie bei freiem Eintritt wieder rein.

Welchen Künstler hätte er gerne in Affinghausen gehabt? Bensemann denkt einen Moment nach und als er den Namen sagt, entfährt Bärbel Bensemann und der Reporterin gleichermaßen ein „Jau!!!“ Udo Lindenberg würde wohl ein deutlich größeres Publikum anziehen, als selbst das weitläufige Gasthausareal mit Wintergarten, Kneipe und Saal fassen kann.
Haus ist seit 1712 mit der Familie verknüpft
Das Haus an der Affinghäuser Kreuzung ist seit 1712 mit der Familie Bensemann verknüpft, deren Geschichte lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Ein Gasthaus wird es deutlich später. Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt der Vater erst spät aus der Gefangenschaft zurück, die Einrichtung ist mit den Besatzungsmächten abgezogen. Aber irgendwann beginnt mit einem landwirtschaftlichen Ball, der zunächst reihum in den Gasthäusern der Region gefeiert wird, das gesellschaftliche Leben wieder.
Was hat Kalle Bensemann, geboren am 15. Januar 1951, eigentlich gelernt? „Ich bin staatlich geprüfter Landwirt, habe die Handelsschule absolviert – und bin DJ in Eigenausbildung.“ Und wie lange möchte er diesen Arbeitsrhythmus mit Nächten bis halb sechs Uhr am Sonntagmorgen noch machen? Er räuspert sich deutlich und noch etwas länger... bleibt die direkte Antwort schließlich schuldig. Zwei Kinder hat das Paar „und fünf jugendliche Enkel“, betont Kalle Bensemann. Die eine mache jetzt schon immer mal Kasse, die anderen helfen bei den Hauptfeiern im Jahr, sind Weihnachten daheim. Die Hoffnung, dass Familie die Bense-Beats-Tradition weiterführt, schwingt deutlich mit. Zumal in den letzten fünf Jahrzehnten ständig neue Generationen an Besuchern nachgewachsen sind. „Wir sind Dorfdisco. Das sind wir. Da stehen wir auch zu.“