Neuer Dialog mit der Basis: FDP will durchstarten

Eine lebhafte Diskussion hat den Kreisparteitag der FDP geprägt. Kreisvorsitzender Marco Genthe analysiert außerdem die Chancen für eine Neuwahl
Landkreis Diepholz. Ihre Abwahl aus dem Landtag schmerzt die Liberalen noch immer. Aber sie wollen kraftvoll neu durchstarten – mit einem neuen Dialog mit der Basis. Konkrete Schritte diskutierten rund 40 Teilnehmer während des Kreisparteitages der FDP im Twistringer Bahnhofshotel Gehrken – ebenso selbstkritisch wie selbstbewusst.
Kreisvorsitzender Dr. Marco Genthe lässt das Jahr im liberalen Kreisverband Diepholz mit seinen traditionellen Veranstaltungen noch einmal Revue passieren, bevor er die schicksalhafte Landtagswahl thematisiert und zu dem Schluss kommt: „Ganz vielen Bürgern war nicht klar, was Erst- und Zweitstimme bei der Landtagswahl bedeuten.“ Denn auch bei 6,2 Prozent für ihn (Wahlkreis Syke) und 5,9 Prozent für Heike Hanncker (Wahlkreis Diepholz) hatte es am Ende nicht gereicht. Marco Genthe ist überzeugt: „Hätten alle Wahlkreise diese hohen Prozentzahlen gehabt, wäre die FDP in den Landtag eingezogen.“
„Viele Ehrenamtliche sind verärgert“
Doch weil Bundesthemen im Vordergrund gestanden hätten, „waren viele hoch frustriert“. Jetzt, so fügt der Kreisvorsitzende hinzu, „sind viele Ehrenamtliche verärgert, dass eine Aufarbeitung der Wahl nicht wirklich stattgefunden hat“.
Vor allem die Sprachlosigkeit seiner Partei kritisiert Marco Genthe. Weder zur Wirtschafts- noch zur Innenpolitik habe die FDP aktuell Stellung bezogen, obwohl das dringend notwendig sei. Dass dies nicht gelingt, sieht der Kreisvorsitzende als „sehr großes Versäumnis der Führung des Landesverbands“.
„Wir haben uns das sehr, sehr, gut überlegt“
Ein voll Spannung erwarteter Tagesordnungspunkt ist der Bericht über den Einspruch gegen das Landtagswahlergebnis, den Marco Genthe und Alexander Grafe geltend machen (wir berichteten). „Wir haben uns das sehr, sehr gut überlegt“, sagt der Kreisvorsitzende. Hintergrund dieses Vetos ist die Aussage eines ehemaligen AfD-Mitglieds, dass AfD-Parteimitgliedern gegen Geldzahlung ein aussichtsreicher Platz auf der Landeswahlliste zugesichert worden sei. „Auf deutsch gesagt: Es werden Listenplätze verkauft“, erklärt der Kreisvorsitzende und spricht von einem „Verfaulen der Demokratie“.
Die Landeswahlleiterin habe nun eine Stellungnahme vorgelegt, so Marco Genthe, die er mit Alexander Grafe prüfen wolle. Beide sind Juristen. Im April werde dann der Wahlprüfungsausschuss seine Arbeit aufnehmen. Das Gremium sei ein „relativ scharfes Schwert“, weil es Zeugen laden und Unterlagen einfordern könne. Am Ende treffe der Staatsgerichtshof die Entscheidung. „Möglicherweise kann man bis Ende des Jahres mit einer Entscheidung rechnen“, so der Kreisvorsitzende. Sofern sie eine Wahlwiederholung bedeuten sollte, so könnte die Landtagswahl dann parallel zur Europawahl 2024 laufen. Läuft es anders, wäre die nächste reguläre Landtagswahl im Jahr 2027.
Einen neuen Landesvorsitzenden will die FDP in wenigen Wochen wählen. Sechs (!) Kandidaten bewerben sich um das Amt. Der Bundestagsabgeordnete Gero Hocker ist einer von ihnen und stellt sich in Twistringen in markigen Worten vor. „Ja, wir streiten uns“, schickt er vorweg, „aber wenn die Entscheidung getroffen ist, ziehen wir wieder an einem Strang!“
Der ehemalige Generalsekretär der FDP Niedersachsen will es nicht zulassen, „dass der Staat mit seinen Tentakeln immer mehr in private Bereiche vordringt“, betont er. Aber vor allem will er die kommunale Basis stärken: „Wir müssen den Räten in den Städten und Gemeinden wieder mehr Gehör schenken ... Wir müssen über die Organisation unserer Partei nachdenken und mehr Transparenz schaffen.“ Gero Hocker plädiert für die Einführung einer Mandatsträgerkonferenz. Das kommt an – und löst zustimmende Beiträge sowie Fragen aus, die der Kandidat teils mehr als ausführlich beantwortet.
Das Finale des Kreisparteitags ist gehaltvoll. Insgesamt 19 Mitglieder erhalten Auszeichnungen für ihre treue Mitgliedschaft. Zehn von ihnen sind schon seit einem halben Jahrhundert in der FDP (darüber berichten wir gesondert).
