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Landräte: Ein herber Rückschlag

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Von: Anke Seidel

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Die Landräte Cord Bockhop (l.) und Tobias Gerdesmeyer (r.) setzen sich für eine zeitnahe Entschlammung des Dümmer-Sees ein.
Die Landräte Cord Bockhop (l.) und Tobias Gerdesmeyer (r.) setzen sich für eine zeitnahe Entschlammung des Dümmer-Sees ein. © Landkreis Vechta/Dorgelo

Die Cord Bockhop und Tobias Gerdesmeyer sind enttäuscht: Es soll keine Entschlammung des Dümmers geben - das könnte dem Tourismus schaden.

Diepholz/Vechta – Was für ein Schlamassel: In diesem Jahr soll es keine Entschlammung des Dümmers geben. Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) habe die geplante Ausschreibung aufgehoben, heißt es in einer Mitteilung des Landkreises Diepholz. Die Landräte der beiden Anrainer-Landkreise, Cord Bockhop (Diepholz) und Tobias Gerdesmeyer (Vechta), sprechen von einem „herben Rückschlag für die gesamte Dümmerregion“ und kritisieren, dass die Interessenlagen von Naturschutz, Tourismus, Gewerbe, Freizeit und Sport in dieser Entscheidung „keinerlei Berücksichtigung“ gefunden hätten.

Welche Argumente führt der NLWKN für seine Entscheidung ins Feld? Pressesprecher Fabian Buß kündigte eine Stellungnahme an, die bis Redaktionsschluss allerdings noch nicht vorlag.

Grundsätzlich gilt: Spezifische Gegebenheiten haben enormen Einfluss auf den Dümmer. Die Hunte durchfließt den nur 1,5 Meter tiefen Binnensee und bringt eine enorme Nährstofffracht mit sich. Der Bornbach, Zufluss der Oberen Hunte, spülte bis zu seiner Umleitung 2009 mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Phosphoreinträge in den See. Schon 1983 hatte Dr. Wilhelm Ripl ein Fachgutachten für die Dümmersanierung vorgelegt und den Bau eines großen Schilfpolders vorgeschlagen. Bis heute ist er Theorie.

Seit 1975 muss immer wieder Schlamm aus dem Dümmer gebaggert werden. Allein bis 2010, also in 35 Jahren, waren es zwei Millionen Kubikmeter. Jährliche Kosten für das Land: rund 500 000 Euro. Der Aushub, in der Regel 17 000 Kubikmeter jährlich, landet auf der Schlammdeponie im Rüschendorfer Moor.

NLWKN: Zu hohe Kosten

Dass die geplante Entschlammung des Dümmers diesmal entfällt, haben die Landräte schon im Dezember vom NLWKN und vom Amt für regionale Landesentwicklung Leine–Weser erfahren. Die Begründung geben die Landräte so wieder: „Die vorgesehene Entnahmemenge und die aktuellen inflationsbedingten Preissteigerungen für Geräte- und Betriebsstoffe seien zwar im Vorfeld großzügig berücksichtigt worden, aber das Ausschreibungsergebnis überstieg die vorgenommene Kostenberechnung deutlich.“

Cord Bockhop und Tobias Gerdesmeyer wandten sich an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Am Sachstand änderte das nichts. „Es wird in den Begründungen seitens des Ministeriums und der Domänenverwaltung regelmäßig verkannt, welch wichtigen Bestandteil der Dümmersanierung die Entschlammung des Sees darstellt“, so Landrat Tobias Gerdesmeyer. „Die Entschlammung hat sich in der Vergangenheit als effiziente Maßnahme zur Reduktion der Phosphorbelastung im See bewährt und ist auch aus Sicht der Häfen dringend notwendig, da viele schon heute durch versandete und verschlammte Einfahrten nur sehr eingeschränkt nutzbar sind.“

„Man muss jedes Jahr neu bewerten“

Dümmer-Experte Dieter Tornow zeichnet ein differenziertes Bild. „Man muss jedes Jahr neu bewerten“, denn mal gebe es mehr und mal weniger Schlamm. Der Schlüssel: die Algen, die vom – immer noch viel zu hohen – Nährstoffeintrag in den Dümmer profitieren.

Aber anders als in anderen Jahren waren die Algen diesmal nicht auf den Grund des Sees gesunken, hatten Proben ergeben, sondern waren faktisch durch den See hindurch geflossen. Weil deshalb mit weniger Schlamm zu rechnen ist, sollte diesmal nur ein Zehntel der üblichen Jahresmenge ausgebaggert werden. Doch damit hätten sich die Kosten pro Kubikmeter verzehnfacht, hieß es.

Deshalb kann Dieter Tornow die Haltung des NLWKN verstehen, die Ausschreibung aufzuheben. Es gehe schließlich um Steuergelder. Die Entscheidung sei auch „über den Tag hinaus gedacht“, weil sich die Schlammdeponie in Rüschendorf erholen könne. Sprich: Die Lagermassen trocknen ab, dadurch entstehen neue Kapazitäten.

Andererseits kann der Dümmer-Experte die großen Sorgen verstehen, dass der Tourismus jetzt leiden könnte. Die Problematik beweise: „Ganz, ganz schnell muss der Schilfpolder her!“ Dessen Filterfunktion würde den Nährstoffeintrag in den See stoppen und die Schlammbildung verhindern.

Aus dem Schreiben des Ministeriums wissen die Landräte, „dass das ausgeschriebene Volumen im Vergleich deutlich unter den Volumina vergangener Entschlammungsarbeiten liege und in der Folge aufgrund der hohen Kosten für die Baustelleneinrichtung und die notwendigen Leitungen auch ein signifikant schlechteres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweise“.

Gespräche mit Landtagsabgeordneten

Für Landrat Cord Bockhop kein Wunder: „Wer die Grundkosten auf möglichst kleine Mengen verteilt, kommt zwangsläufig zu unwirtschaftlichen Ergebnissen. Die Tatsache, dass die Grundkosten der Baustelleneinrichtung bei geringeren Mengen zu höheren durchschnittlichen Kosten pro Kubikmeter führen, wäre eigentlich durch einfache Grundrechenarten vorhersehbar gewesen.“ Zufrieden geben wollen sich die Landräte mit der Situation nicht: „Hier werden Kostenfaktoren unverhältnismäßig über den Nutzen gestellt.“ Beide führen bereits Gespräche mit den Landtagsabgeordneten.

Spaziergänger genießen den Blick auf die Weiten des Dümmers. Der zweitgrößte niedersächsische Binnensee hat große Bedeutung für den Tourismus – nicht erst seit Eröffnung des Marissa-Ferienparks, sondern auch für Tagesgäste.
Spaziergänger genießen den Blick auf die Weiten des Dümmers. Der zweitgrößte niedersächsische Binnensee hat große Bedeutung für den Tourismus – nicht erst seit Eröffnung des Marissa-Ferienparks, sondern auch für Tagesgäste. © Michael Dümer

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