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Gibt es am Dümmer bald die „Bettensteuer“?

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Von: Carsten Sander

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Auch schnuckelige Häuser wie dieses sind es, die Gäste an den Dümmer locken. Möglich, dass die Touristen bald eine Beherberbungssteuer entrichten müssen.
Auch schnuckelige Häuser wie dieses sind es, die Gäste an den Dümmer locken. Möglich, dass die Touristen bald eine Beherberbungssteuer entrichten müssen. © Imago Images/Image Broker/Willi Rolfes

Muss der Dümmer in Sachen Marketing neue Wege gehen? Diese Frage beantwortet Anselm Höfelmeier, Vorsitzender des Tourismusverbands Dümmerland mit einem klaren Ja. Auf der Jahreshauptversammlung des Verbandes hat er Missstände angesprochen und sich auch in Sachen „Bettensteuer“ klar positioniert. Wenn, dann bitte nicht als Lembrucher Alleingang, sagt der Hüder.

Lembruch – Wie geht es weiter mit dem Tourismus am Dümmer? Dass diese Fragestellung der zentrale Aspekt auf der Jahreshauptversammlung des „Tourismusverbandes Dümmerland“ (TVD) war, ist alles andere als überraschend. Schließlich kennt der Verband als Zusammenschluss der vom Tourismus profitierenden Unternehmen in Lembruch und Hüde im Grunde nur dieses eine Oberthema. Neu ist jedoch, dass der TVD-Vorsitzende Anselm Höfelmeier die Existenzberechtigung des eigenen Vereins diskutierte, infrage stellte und die von der Gemeinde Lembruch ins Auge gefasste sogenannte „Bettensteuer“ am Dümmer ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Zugleich kündigte Höfelmeier seinen Rückzug vom Posten des Vorsitzenden für 2024 an.

Das allerdings nicht aus Frust oder Verdruss, sondern aus persönlichen Motiven. Die Anforderungen als Betreiber von Campingplatz und Ferienwohnungen, als Familienvater und Ortsbrandmeister in Hüde würden sich nicht mit der ehrenamtlichen Arbeit im TVD vertragen. Seine Erklärung: „Ich habe den Tourismusverband ein bisschen vernachlässigt. Ich kann nicht das Engagement zeigen, das ich mir wünsche. Deswegen höre ich im kommenden Jahr auf.“ Dann sind zwei Jahre seit seiner Wahl 2022 und damit eine Amtsperiode um.

Liebend gerne hätte Höfelmeier bei der Versammlung im „Haus am See“ in Lembruch schon „einen Nachfolger aus dem Hut gezogen“. Aber: „Wenn ich mich so umsehe, ist da keiner.“

„In einer Liga mit Norderney und Borkum“

Das Wort an sich ist ein kleines Ungetüm: Tourismusintensität lautet es. Dahinter verbirgt sich ein Wert, der die Übernachtungen in einem Ort ins Verhältnis zur Einwohnerzahl stellt. Bevor es den Marissa-Park gab, rangierte Lembruch in der niedersächsischen Tabelle der Tourismusintensität unter ferner Liefen. Genauer: Auf Platz 27 (im Mittel der Jahre 2009 bis 2019). Doch im vergangenen Jahr wurde alles anders. Laut Jessica Weßling, Tourismusmanagerin am Dümmer, schoss Lembruch in der 2022-Wertung an vielen vorbei und bis auf Platz acht nach vorne. Der Marissa-Effekt, keine Frage. Weßling freut sich über die Entwicklung als solche, aber auch über prominente Tabellennachbarn: „Wir spielen jetzt in einer Liga mit Norderney und Borkum. Das ist schon beeindruckend.“

Womit ein Problem des in den frühen 70er-Jahren als Fremdenverkehrsverein gegründeten TVD schon angerissen wäre. So richtig lebendig und beweglich wirke der Verband nicht mehr auf ihn, so Höfelmeier: „Wir quälen uns im Vorstand manchmal, die Aufgaben zu verteilen. Wir sind sehr ineffizient.“ Und vielleicht auch überflüssig? Zwei Umstände sprechen dafür. Nummer eins: Längst hat das digitale Zeitalter den ursprünglichen Gründungszweck des TVD verschluckt. Vermieterinformationen, Buchungsabläufe, Marketing – das Internet hat in diesem Bereich die Regie übernommen. Nun ist es zwar nicht so, dass die Mitglieder des TVD bei dieser Entwicklung nicht mitgehen würden, aber viele machen es eben für sich im Alleingang, benötigen nicht mehr die Kraft der Gruppe. Nummer zwei: Die „DümmerWeserLand Touristik“ DWL verfolgt ähnliche Ziele wie der TVD. Diese Doppelstruktur muss hinterfragt werden, meint Höfelmeier. Längst ist durch die DWL bei der Tourismus-Unternehmensberatung „Project M“ mit Sitz in Hamburg und München die Erstellung eines Konzepts für den Dümmer-Tourismus in Auftrag gegeben worden. Höfelmeier konfrontierte die Mitglieder deshalb mit der Frage: „Wenn das Ergebnis sein sollte, dass wir den TVD nicht mehr brauchen, sollten wir ihn dann nicht wirklich beerdigen?“ Die Doppelstruktur sei „problematisch“.

Eine andere, aus Höfelmeiers Sicht nicht weniger große Schwierigkeit: Mit dem Wachstum des Tourismus’ am Dümmer könne „der von uns hobbymäßig betriebene TVD“ nicht mehr mithalten: „Wir sind an dem Punkt angelangt, dass es professioneller werden muss.“ Dem pflichtete auch Dorothea Schneider, DWL-Geschäftsführerin, in ihren Ausführungen bei: „Wir sind am Wendepunkt. Wie professionell wollen wir Marketing betreiben? Da gibt es definitiv Optimierungsbedarf.“

Anselm Höfelmeier TVD-Vorsitzender
Anselm Höfelmeier, Vorsitzender des Tourismusverbands Dümmerland © Sander, Carsten

Professionalität hat aber ihren Preis. Und wer zahlt? Ein von Unternehmern getragener Tourismusverband oder die öffentliche Hand? Die Gemeinde Lembruch macht nun offenbar den ersten Schritt und will eine „Bettensteuer“ – offiziell Gästebeitrag genannt – einführen, um mehr Geld für nötige Projekte und Aufgaben einzunehmen. Im Haushalt für das Jahr 2023 ist unter dem Punkt „Entwicklungen“ bereits ab dem Jahr 2024 eine Beherbergungssteuer aufgeführt. Kalkuliert wird dort

Bettensteuer? „Wenn, dann in beiden Orten“

mit einer jährlichen Einnahme von 400 000 Euro. Was natürlich nur möglich ist, weil der Marissa-Park die Übernachtungszahlen enorm in die Höhe getrieben hat und – so die Erwartung – auch weiter treiben wird. Allein Lembruch verzeichnete im vergangenen Jahr 300 000 Übernachtungen, 250 000 davon im Marissa-Park. Dessen General Managerin Susanne Adrian prognostizierte auf der TVD-Versammlung ein weiteres Wachstum in 2023 um 20 Prozent.

So eine Steuer bringt schnell und leicht Geld. Höfelmeier mahnt aber – trotz deutlicher Unterschiede bei den Übernachtungszahlen – einen Gleichschritt von Lembruch und Hüde an. „Ich freue mich, dass sich endlich etwas bewegt. Aber wenn es eine Beherbergungssteuer gibt, dann müssen es beide Orte machen, sonst wird es verrückt. Dann hätten wir am Dümmer eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Und das darf nicht sein.“

Nachgefragt bei Anselm Höfelmeier

Anselm Höfelmeier hat Tourismus studiert. Der 32-Jährige hat einen Master in „International Studies of Leisure and Tou-rism“ – auf deutsch: in Freizeitwissenschaften – und führt in Hüde einen touristischen Betrieb mit Campingplatz und Ferienwohnungen. Als Vorsitzender des „Tourismusverbands Dümmerland“ (TVD) hat er auf dessen Jahreshauptversammlung offen ein paar Kernthemen angeschnitten, die den Tourismus am Dümmer betreffen. Dabei hat er auch die Auflösung des eigenen Verbandes nicht ausgeschlossen. Nachfragen:

Herr Höfelmeier, eine Neustrukturierung der Tourismusorganisation am Dümmer wurde schon oft diskutiert – wie ernst ist es Ihnen nun damit?

Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich nicht einfach mal auf den Putz hauen wollte. Ich möchte darauf hinweisen, dass jetzt der Moment gekommen ist, an dem wir etwas ändern können und müssen. Die aktuellen Strukturen mit dem TVD und der DümmerWeserLand Touristik sowie anderen Vereinen und Verbänden am Dümmer hat sich doch niemand so ausgedacht, die sind so gewachsen. Ich finde, wir müssen die Dinge jetzt glattziehen.

Sie sprechen von mehr Professionalität im Marketing...

...damit will ich aber nicht sagen, dass wir hier alle Idioten sind. Wir haben über Jahre alle einen guten Job gemacht, aber der Tourismus am Dümmer ist gewachsen, da reicht es nicht mehr, dass wir eine Tourismusmanagerin (Jessica Weßling, d. Red.) haben. Wir brauchen mehr hauptamtliche Kräfte. Solange wir am Dümmer die kleinen Dörfer waren, war das alles okay. Aber die Verhältnisse haben sich in den vergangenen Jahren verändert.

Sind Sie ein Freund der im Lembrucher Haushalt schon aufgeführten Beherbergungssteuer alias „Bettensteuer“?

Machen wir uns ehrlich: Da soll vor allem die Kuh mit dem Namen Marissa-Park gemolken werden. Ich würde mir wünschen, dass man auch nicht gleich mit einem Euro pro Nacht und Gast anfängt, 50 Cent tun es doch auch. Ich favorisiere aber eine ganz andere Variante.

Welche?

Den Tourismusbeitrag. Die Beherbergungssteuer betrifft nur die beherbergenden Betriebe, deren Position im Wettbewerb ändert sich – wegen der zwangsläufigen Erhöhung ihrer Preise. Beim Tourismusbeitrag müssten alle touristischen Betriebe am Dümmer sich beteiligen, und die Kommune kann die Höhen festsetzen. Das finde ich fairer. Denn von den Investitionen, die mit den Steuergeldern getätigt werden können, würden am Ende ja auch alle profitieren. csa

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