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Ofen bleibt aus: Wehrblecker Bäckerei Speckmann muss wegen zu hohem Gaspreis schließen

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Von: Sylvia Wendt

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Betriebskosten zu hoch: Waltraut und Heinz Speckmann mit Sohn Frank Speckmann, der die Bäckerei nach 57 Jahren schließt.
Betriebskosten zu hoch: Waltraut und Heinz Speckmann mit Sohn Frank Speckmann, der die Bäckerei nach 57 Jahren schließt. © Sylvia Wendt

Die Wehrblecker Bäckerei Speckmann muss schließen. Die Betriebskosten sind zu dramatisch gestiegen. Am Samstag wurden alle Mitarbeiter informiert.

Wehrbleck – Der neue Vertrag sollte unterschrieben werden. Frank Speckmann hätte dann ab Januar nicht mehr 1,56 Cent für die Kilowattstunde Gas bezahlen müssen, sondern 17,67 Cent. Bäckermeister Speckmann hat den Verbrauch für den Firmensitz in Wehrbleck und in der Filiale in Wagenfeld berechnet: Die monatliche Mehrausgabe nur für Gas hätte mit rund 7 500 Euro ein Loch in die Kasse gerissen, das er nicht mehr hätte stopfen können. Umgerechnet 16 666 „normale“ Brötchen (die kosten derzeit 45 Cent) hätte die Bäckerei verkaufen müssen, um den Betrag wieder zu erwirtschaften. Eine Utopie. Speckmann entscheidet sich nach wochenlangem Abwägen: Er schließt.

Gaspreis explodiert: Bäckerei muss schließen

Die Bäckerei Speckmann in Wehrbleck hat am 1. Februar 2015 ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Die Kundschaft ist treu, und ebenso treu ist die Belegschaft. Das Gros ist seit Jahrzehnten schon hier beschäftigt, Heinz Speckmann und seine Frau Waltraut haben den Betrieb einst gegründet. Und Frank Speckmann stockt im Gespräch am Montagnachmittag die Stimme, denn: „Da hängt ‘ne ganze Menge dran, am Familienbetrieb. Man hört nicht einfach so auf.“

Keine Schulden, kein Investitionsstau: Die Bäckerei wirtschaftet grundsolide

In einer Betriebsversammlung wurden am Samstag alle 17 Angestellte informiert – alle hätten den Schritt verstanden, die Entscheidungsfindung nachvollziehen können. Familie Speckmann führt den Betrieb grundsolide: Keine Schulden, die Einrichtung erfüllt alle technischen Standards, kein Investitionsstau.

Da hängt ‘ne ganze Menge dran, am Familienbetrieb. Man hört nicht einfach so auf.

Frank Speckmann

Das Team ist motiviert, ein „eingeschworener Haufen“, deshalb blutet Speckmann das Herz: „Richtig leidtut es mit um das tolle, sehr eingespielte Personal, auf das ich mich immer hundertprozentig verlassen konnte. Kaum Krankenstand und dass jemand verschlafen hat – daran kann ich mich nicht erinnern.“

Mehrkosten würden ja nicht nur bei den Gaskosten anfallen: Strom und Benzinkosten kämen dazu. „Und das Personal kannste auch nicht mit zwölf Euro Mindestlohn abspeisen. Die haben ja auch höhere Ausgaben.“ Speckmann prognostiziert ein flächendeckendes Wegsterben der kleinen Handwerksbetriebe, die Preissteigerungen um das X-fache schlicht nicht auffangen könnten. Unterdessen steigt der Gaspreis in Deutschland rasant weiter.

Den Kunden fehlt die Kaufkraft, um Preissteigerungen zu bezahlen

Und Preissteigerungen bei den Produkten? Speckmann winkt ab: „Preissteigerungen trägt der Kunde nicht mit. Die Kaufkraft fehlt.“ Und nennt ein Beispiel: Ein Stück Pflaumenkuchen, gut für vier Portionen, wird aktuell mit sieben Euro berechnet. Eigentlich müsste jede Portion zwei Euro kosten. Der Kunde habe es wieder zurückgegeben – zu teuer.

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Die jüngste Preisanpassung datiert aus dem April 2022: „Wir mussten die Preise im Schnitt um sechs Prozent anpassen – viele der Rohstoffe waren um 15 Prozent und mehr angestiegen. Mehl für uns sogar um 100 Prozent – und es geht ja weiter in die Richtung. Da wissen wir noch gar nicht, was noch alles kommt.“ Dass Preisanpassungen auch höhere Einnahmen erzielten, „nein, das ging genau in die andere Richtung“, erklärt Speckmann.

Geplant ist die Schließung zum 30. November 2022. Da Bäckereifachverkäufer gefragt sind, wähnt Speckmann sie nachgefragt auf dem Arbeitsmarkt. Gleiches gelte für den Rest des Teams. Geprüft werden müssten noch die Kündigungsfristen und weitere Formalien.

Neun Bäcker angefragt: Niemand will die Filiale in Wagenfeld übernehmen

Und was plant Speckmann für sich? „Weiß ich nicht.“ Frank Speckmann ist 53 Jahre alt, seit 37 Jahren im Beruf, ohne Urlaub. Und auch für Waltraut (79 Jahre) und Heinz Speckmann (84 Jahre) gehört der tägliche Gang in den Betrieb einfach dazu.

Und die Filiale in Wagenfeld? Die Kunde von der Schließung ist noch zu frisch, aber neun Bäckereien habe er schon abtelefoniert, ob sie die Räume übernehmen wollten: „Alles Absagen bisher.“

Haus und Backstube mit 400 Quadratmeter Produktionsfläche am Firmensitz bleiben, die Familie werde das Inventar nicht verkaufen. 4 500 Brötchen könnten auf den 30 Quadratmetern Backflächen pro Stunde gebacken werden. Auch der 80 Quadratmeter große Lebensmittelladen schließt. Die Familie Speckmann bittet, alle Gutscheine bis zum 15. November einzulösen.

Und die Rezepte? „Die wandern in die Kiste.“

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