Der Weg bleibt, das Schild geht

Sulinger Land – Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass es die „BahnRadRoute Weser-Lippe“ offiziell seit dem 31. Dezember 2021 gar nicht mehr gibt? Im Gespräch stutzen auch passionierte Radler – manchem ist das Schild vorher gar nicht aufgefallen.
Kaum aufgefallen sind wohl auch die Nutzer der Route, die im Sulinger Land von der Samtgemeinde Schwaförden über Sulingen durch die Samtgemeinde Kirchdorf führt, anschließend die Gemeinde Wagenfeld streift auf dem insgesamt 350 Kilometer langen Weg von Bremen nach Paderborn.
Die Übernachtungszahlen seien kaum nachzuvollziehen und auf den Radweg zurück zu führen, heißt es aus den Samtgemeinden Schwaförden und Kirchdorf sowie der Gemeinde Wagenfeld gleichermaßen. Die Bahnradroute Weser-Lippe hat nicht die selbe Anziehungskraft wie die berühmte große Schwester, der Weserradweg, der 2020 zum wiederholten Mal zu Deutschlands beliebtestem Radweg gekürt wurde.
„Es ist schade, dass der einzige überregionale Radweg geschlossen wurde, aber wir sehen das als Chance, weitere neue Radwege zu entwickeln“, sagt Ariane Hanselmann, Tourismus-Fachfrau der Stadt Sulingen. Wie Touristik-Kollege Rolf Hedemann aus der Samtgemeinde Kirchdorf weiß sie: „Die Menschen sind mittlerweile regionaler unterwegs und suchen auch für Tagesausflüge interessante Routen, hierfür können wir neue spannende Strecken entwickeln – gerade im Herbst, wenn auch die Kraniche bei uns sind.“ Hedemann ergänzt: „Die Radler suchen sich individuelle Routen, nutzen dafür spezielle Apps. Am beliebtesten ist da aktuell Komoot.“
Die Radtouren durch das Sulinger Land und die angrenzenden Kommunen seien nicht nur für die Bewohner des Sulinger Landes interessant, sondern auch für die vielen Besucher des Wohnmobilstellplatzes in Sulingen, erklärt Hanselmann. Manch Gastgeber der Region kann das bestätigen: Eine Unterkunft wird als Basis für ausgedehnte Tagestouren mit verschiedenen Zielen genutzt.

Darin sieht Sulingens Bürgermeister Patrick Bade eine Chance: „Das E-Bike hat das normale Fahrrad abgelöst und dadurch sind viele Menschen auch längere Strecken unterwegs, sie sind mobiler. Sie haben Spaß am Fahren und sind auch in unbekannteren Gegenden unterwegs – hier liegt die Chance fürs Sulinger Land.
Veränderungen im Radtourismus
Bade ist nicht allein, auch der Landkreis stellt sich den Herausforderungen: „Der Radtourismus hat sich im Laufe der vergangenen Jahre erheblich verändert. Das sieht man allein schon an der starken Nachfrage von Landkreiskarten, die der Fernradwege und des ,DümmerWeserLandes‘. Durch die vermehrte Nutzung von E-Bikes und deren stete Zunahme in der Anzahl werden zunehmend längere Routen nachgefragt. Wenn die Radler früher Tagestouren von 30 bis 40 Kilometern gefahren haben, sind heute Tagestouren von 70 bis 80 Kilometern keine Seltenheit. Insofern ist eine Anpassung der Routen erforderlich“, sagt Hans-Heinrich Kellner. Und kündigt an, dass der Landkreis Diepholz diesen Entwicklungen Rechnung tragen werde. Eingeführt werden solle ein sogenanntes „Knotenpunktsystem“ oder auch „Radeln nach Zahlen“: „Damit den geänderten Erfordernissen und Erwartungen Rechnung getragen wird.“
Die für die Kommunen kostenfreie Werbung auf überregionalen Plattformen durch die Betreiber der einst drei Bahnradrouten wird indes eingestellt.
Nils Krieft von der Betreiberfirma „pro Wirtschaft GT GmbH“ erklärt warum: Eine professionelle Agentur habe eine Potenzialanalyse für alle drei Routen angefertigt. Bewertet wurden Kriterien wie die Routenführung, die Attraktivität, Übernachtungsoptionen. Und die Ergebnisse dieser Analyse hätten zum Beschluss geführt, die Weser-Lippe und die Hellweg-Weser-Route einzustellen. Einzig die „BahnRadRoute Teuto-Senne“ zwischen Osnabrück und Paderborn bleibe „im Rennen“.

Laut Nils Krieft habe sich mancher Radler beschwert über die Streckenführung: „BahnRadRoute“ habe bei manchem die Assoziation geweckt, dass entlang alter Bahntrassen geradelt würde. Mitnichten: Genutzt für die Strecke Weser-Lippe werden die Radwege, die (ohnehin) in den Kommunen angelegt sind. Seinerzeit konzipiert wurden die Strecken, als die Expo 2000 in der Landeshauptstadt Hannover gastierte. Ein anderes Argument gegen die Route erklärt Hans-Heinrich Kellner vom Landkreis Diepholz: „Von Nutzern dieser ,BahnRadRoute‘ wurde häufig Kritik an der lückenhaften Anbindung von Fahrradrouten an das Bahnnetz geübt. Bahnhöfe sind nicht überall vorhanden, sodass eine problemlose Weiterfahrt mit der Bahn oft nicht gegeben war.“
Fast 50 Anlieger-Kommunen entlang der 350 Kilometer langen Route zwischen Paderborn und Bremen „unter einen Hut“ zu bekommen, sei schwierig, erklärt Krieft. Die Abstimmung zur Schließung fiel mit 42 zu sechs Stimmen in einer digitalen Vollversammlung indes deutlich aus. „Wir hätten viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die Routen neu aufleben zu lassen“, erklärt Krieft.

Und was heißt es jetzt konkret, dass die BahnRadRoute eingestellt wird? „Durch uns wird keine Routenkontrolle mehr durchgeführt“, sagt Krieft. Die Ausschilderung werde deaktiviert. Also die mit dem speziellen Hinweisschild „Weser-Lippe“ mit weißem Pfeil für die Ausweisung in Richtung Paderborn und dem orangenen Pfeil in Richtung Bremen. Was bleibt: Die Radwege durch die Kommunen werden dennoch mit dem im Landkreis Diepholz bekannten Leitsystem versehen. Rechteckige weiße Schilder mit grüner Schrift zeigen die Richtung des nächsten Zieles an, samt Kilometerangabe.
Die mit individuellen Schwerpunkten ausgearbeiteten Touren durch die Kommunen des Landkreises bleiben eben das: Sache der jeweiligen Kommunen. Die sich ob der regen Nachfrage weiterhin um die Ausweisung spezieller Strecken bemühen.
Kontakte
www.diepholz.de, www.schwafoerden.de, www.sulingen.de,
www.kirchdorf.de, www.wagenfeld.de
Von Sylvia Wendt