Ukrainische Kriegsflüchtlinge sind auf dem Arbeitsmarkt willkommen

Die Agentur für Arbeit rechnet mit gut qualifizierten Frauen. Grundsätzlich hätten Ukrainer sehr gute Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Das sei bei den Flüchtlingen von 2015/16 anders gewesen.
Landkreis – Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben sehr gute Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Das unterstreicht Christoph Tietje, Chef der Agentur für Arbeit Nienburg-Verden.
Der große Unterschied zur Fluchtbewegung 2015/16 sei: Damals kamen hauptsächlich junge Männer ohne nennenswerte Ausbildung, heute sind es vornehmlich Frauen mit akademischen Abschlüssen. Laut Harald Glüsing, Geschäftsführer des Jobcenters im Landkreis, ist der Unterschied auch kultureller Natur. „In der Ukraine ist es ganz normal, dass Frauen eine ordentliche Ausbildung haben und einer Arbeit nachgehen.“ Das sehe bei den Asylbewerbern von 2015/16 anders aus. Der deutsche Arbeitsmarkt suche derweil händeringend nach ausgebildeten Arbeitskräften.
Im Vordergrund stehe aber zunächst die humanitäre Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Darunter zähle die Unterbringung und die Kinderbetreuung. Ukrainer können ohne Asylverfahren einen Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz in Deutschland erlangen. Damit bestehe quasi ein sofortiger Arbeitsmarktzugang, berichtet Christoph Tietje.
Der Arbeitsmarkt ist robust und entwickelt sich positiv. Die Nachfrage der Betriebe ist gut.
Dass Ukrainer nun massenhaft ins Land kommen und zu einer Belastung des Sozialsystems werden könnten, verneint Glüsing. Es seien nur zwei Menschen mit einem ukrainischen Pass im Landkreis Diepholz im Leistungsbezug, so der Chef des Jobcenters. Das sei verschwindend wenig im Vergleich zu anderen Nationalitäten. Laut Glüsing haben ein Drittel der Menschen im Leistungsbezug eine ausländische Staatsbürgerschaft.
Nun wolle die Agentur für Arbeit die Ukrainer „ausbildungsadäquat in Beschäftigung bringen“, so Tietje. Er unterstreicht: „Das Ziel ist nicht, sie in den Niedriglohnsektor zu bringen.“
Ukrainer dürfen sich laut Ausländerbehörde mit einem biometrischen Pass ohne Visum 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten. Danach könne der Aufenthalt aufgrund der Situation im Heimatland um weitere 90 Tage verlängert werden. Deshalb werben sowohl das Jobcenter im Landkreis als auch die Agentur für Arbeit für die Registrierung. Ein weiterer Vorteil dabei sei: Der Kriegsflüchtling erhalte eine finanzielle Absicherung für den Lebensunterhalt.
Erst registrieren, dann integrieren
„Wir bieten Beratung an“, so Tietje. Die Voraussetzung sei jedoch die Registrierung der Ukrainer. Dem Landkreis sind laut Ausländerbehörde aktuell mehr als 1 700 aufgenommene Personen gemeldet worden. Davon registrierte der Landkreis bisher rund 260 Menschen. Das dauere 30 bis 60 Minuten pro Person und umfasse Personendaten, Identitätsdokumente und biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Lichtbilder. Diese Daten würden dabei an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geleitet. Die Registrierung beinhalte keine Sicherheitsüberprüfung.
Die Agentur für Arbeit habe den Eindruck gewonnen, dass die Ukrainer „überwiegend gut gebildet und interessiert“ seien, so Tietje. Sie hätten zur Hälfte einen akademischen Abschluss.
Bisher habe es aber erst einzelne Beratungsfälle mit Ukrainern gegeben. Im Mittelpunkt standen dabei der Spracherwerb sowie die Anerkennung der ausländischen Abschlüsse. Die Agentur für Arbeit bereite sich jedoch auf mehr vor. „Das geht gerade erst los“, prophezeit Tietje. Man wisse nicht, wie lange die Menschen bleiben wollten, bleiben müssten, ergänzt der Chef der Agentur.
In die Zukunft blickt er positiv. „Der Arbeitsmarkt ist robust und entwickelt sich positiv. Die Nachfrage der Betriebe ist gut“, ist Tietje überzeugt. Lieferengpässe und Energiepreise hätten „allenfalls dämpfende Effekte“. Welche Auswirkungen wird der russische Krieg gegen die Ukraine noch haben? Tietje schätzt die Auswirkungen zumindest für den deutschen Arbeitsmarkt als gering. Die Bundesrepublik habe wirkungsvolle Instrumente im Kampf gegen Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt. Dazu gehöre vor allem das Kurzarbeitergeld, das wieder verstärkt in Anspruch genommen werden könnte.
Registrierung
Alle ukrainischen Staatsbürger, die einen biometrischen Pass besitzen, können für zunächst 90 Tage visumsfrei nach Deutschland einreisen. Es ist den Schutzsuchenden aus der Ukraine zudem möglich, ohne Asylverfahren einen Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz zu erlangen. Wichtig sei dazu die Registrierung bei der Ausländerbehörde. Dafür seien die vorhandenen Ausweisdokumente mitzubringen. Es werden Personendaten, Fingerabdrücke und Lichtbilder genommen.
Beratung durch die Industrie- und Handelskammer
Die Industrie- und Handelskammer Hannover richtet sich mit einem Online-Angebot in ukrainischer Sprache an Ukrainerinnen und Ukrainer, die einen Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen. „Der Fachkräftebedarf in unserer Region ist hoch und der Arbeitsmarkt bietet Geflüchteten aus der Ukraine gute Chancen. Türöffner ist neben dem Spracherwerb oft die Anerkennung ihres ausländischen Abschlusses. Da wollen wir mit unserem Beratungsangebot in den nächsten Wochen zügig unterstützen“, wird IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielefeldt in einer Pressemitteilung zitiert. Für eine Beratung zur Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse können Ukrainerinnen und Ukrainer direkt Kontakt mit der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung bei der IHK Hannover aufnehmen: Alina Bondari (0511/31 07 559 / E-Mail: alina.bondari@hannover.ihk.de).
Weitere Informationen:
www.hannover.ihk.de/fachkraefte-ukraine