Kranke Kinder bringen Kitas in Not: „Werde manchmal beschimpft oder beleidigt“

In den Diepholzer Kitas häufen sich die Krankheits-Probleme. Viele Ansteckungen passieren, weil Eltern ihre Kinder trotz Symptomen in den Gruppen abgeben.
Diepholz – Erkältung, „Magen-Darm“ – und jetzt kam auch noch Scharlach dazu. In heimischen Kitas häufen sich die Krankheits-Probleme – sowohl unter Kindern als auch unter den Erzieherinnen und Erziehern. Folge: verkürzte Betreuungszeiten, Notbetreuungen und im schlechtesten Fall die komplette Schließung einer Kindertagesstätte. Das Ansteckungs-Problem wird verschärft, wenn Eltern ihre Sprösslinge in die Kita schicken, obwohl die Kleinen krank sind. Da seit Anfang März auch eine Streptokokken-Infektionswelle in Niedersachsen und Bremen vorherrscht, verschärft sich das Problem zusätzlich.
Kranke Kinder in Kitas: „Magen-Darm“ und jetzt auch Scharlach
„Wir hatten schon in diesem Jahr insgesamt etwa zwei Wochen Notbetreuung“, berichtet beispielsweise Judith Müller, stellvertretende Leiterin der evangelisch-lutherischen Kindertagesstätte in Aschen. Nach einem Corona-Fall zur Jahreswende sei „Magen-Darm“ die häufigste Erkrankung gewesen, die Lücken ins Personal riss. An einem Tag habe die Aschener Kindertagesstätte sogar komplett geschlossen werden müssen, da zu viele Erzieherinnen krank waren. Von den 45 Jungen und Mädchen waren am Montag zwölf wegen Krankheit nicht in der Aschener Kita.
Vor einigen Wochen sei Scharlach dazu gekommen, berichtete Judith Müller im Gespräch mit der Mediengruppe Kreiszeitung. Bislang gebe es in Aschen fünf Fälle dieser meldepflichtigen Erkrankung. In den vergangenen Tagen sei kein weiterer dazugekommen.
Aschen ist kein Einzelfall: In anderen Kitas ist Scharlach ebenfalls aufgetreten. „Auch bei uns“, sagt Diana Schmiegel, Leiterin der Kita „Senfkorn“ am Lappenberg in Diepholz. Sie bestätigt die allgemeine Krankheitswelle, die zu Personalproblemen und dadurch gekürzte Betreuungszeiten führe. Auch Diana Schmiegel hat festgestellt, dass immer mehr Eltern, die arbeiten, kranke Kinder die Kita bringen. „Ich kann die Eltern verstehen, bin aber auch verantwortlich für Mitarbeiter und die Kinder.“ Die Reaktion mancher Eltern, wenn sie gebeten werden, ihr krankes Kind nicht in die Kita zu schicken oder es daraus abzuholen, ist laut Diana Schmiegel heftig. „Ich werde manchmal beschimpft oder beleidigt.“
Kita-Besuch nur bei 24 Stunden fieberfrei
Kinder müssen für den Besuch einer Kita 24 Stunden fieberfrei und 48 Stunden frei von Durchfall sein, so eine Vorgabe des Gesundheitsamtes des Landkreises Diepholz laut Daniela Schmiegel, Leiterin der Diepholzer Kita „Senfkorn“.
In einem Elternbrief der Kita Aschen heißt es ergänzend dazu: „Wenn Sie wissentlich Ihr krankes Kind in die Einrichtung bringen, gefährden Sie vorsätzlich die Sicherheit aller Beteiligten und verstoßen damit gegen die Auflagen des Betreuungsvertrages, gegen Paragraf 34 des Infektionsschutzgesetzes und die UN-Kinderrechtskonvention.“
Maskenpflicht und andere Hygienemaßnahmen, die während der Corona-Pandemie galten, sind größtenteils aus der Welt. Doch sie haben neben Covid-19 auch das Aufkommen von Krankheiten wie Grippe und „Magen-Darm“ vermindert. In den Kindertagesstätten ist das nun zu spüren: Kinder wie Erzieher sind häufiger krank. Dazu hat die Mediengruppe Kreiszeitung Träger von Diepholzer Kitas befragt.
Eltern mit Kita-Kindern in der Zwickmühle
„Viele Eltern, gerade Berufstätige, kommen in die Zwickmühle, wenn ihre Kinder krank sind. Sie müssen einen Spagat zwischen Arbeitgeber und dem eigenen Kind machen“, erklärt Elisabeth Humburg, Leiterin der Kitas „Rasselbande“ und „Vitabande“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), Kreisverband Diepholz. Da komme es relativ häufig vor, dass Kinder, die eigentlich besser zuhause betreut werden, in die Kita gebracht werden. „Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass mit ihrem Handeln oft eine Kettenreaktion ausgelöst wird. Kranke Kinder stecken weitere Kinder und/oder das Personal an. Dadurch kommt es wiederum zu Notgruppen oder gekürzten Betreuungszeiten“, so Elisabeth Humburg.
Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass mit ihrem Handeln oft eine Kettenreaktion ausgelöst wird.
Eltern von Kindern, die krank in eine ASB-Kita gebracht werden und bei denen es sich im Lauf des Vormittags zeige, dass sie dem normalen Alltag nicht wie gewohnt beiwohnen können, würden schon mal angerufen und gebeten, ihr Kind abzuholen, weil es sich nicht wohlfühle. „Leider stoßen wir da auch nicht immer auf Verständnis“, so die Diepholzer Kita-Leiterin des ASB: „Wir möchten uns und unsere Kita-Kinder schützen und wünschen uns, dass Eltern den Blick für ihr krankes Kind nicht verlieren und vielleicht doch einmal mehr überlegen, ob das Kind wirklich fit für die Kita ist.“
Der Krankenstand beim Kita-Personal des ASB sei saisonabhängig mal mehr, mal weniger hoch. Aufgrund des allgemeinen Personalmangels können Krankheitsausfälle nicht mehr in vollem Umfang aufgefangen werden. Dadurch kommt es immer wieder mal zu Notgruppen oder gekürzten Betreuungszeiten.
Erhöhte Krankenstände in Diepholzer und Sulinger Kitas
Anja Mundt, Sprecherin der Lebenshilfe Grafschaft Diepholz, sieht das Problem ähnlich: „In den Wintermonaten haben auch unsere Kindertageseinrichtungen in Diepholz und Sulingen ein höheres Aufkommen von Atemwegsinfekten und Magen-Darm-Erkrankungen bei den von uns zu betreuenden Kindern feststellen können. Auch innerhalb unserer Mitarbeiterschaft hatten wir etwas erhöhte Krankenstände verzeichnet, was aber keinen Einfluss auf unsere Angebote hatte. In unseren Einrichtungen konnten wir den Betrieb regulär aufrechterhalten und mussten keine Notbetreuung anbieten.“
Die zurückliegenden Coronawellen haben bei den Eltern spürbar zu Verunsicherungen geführt.
Bei Aufnahme in eine Lebenshilfe-Kindertageseinrichtung erhalten alle Eltern laut Anja Mundt einen aktuellen Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz: „Wenn Fragen dazu auftreten, stehen wir immer im guten Austausch mit den Eltern.“ Ist es kein Problem für die Lebenshilfe, dass Eltern kranke Kinder in die Kita bringen? „Die zurückliegenden Coronawellen haben bei den Eltern spürbar zu Verunsicherungen geführt, wann und ob ein Kind die Einrichtung besuchen darf. Das zeigte uns, dass hier auch ein starkes Verantwortungsgefühl auf Seiten der Eltern vorliegt und lag“, so die vieldeutige Antwort dieses Kita-Trägers.
Fiebersaft vor dem Kita-Besuch als Ablenkung
Von einem erhöhten Aufkommen an Grippe- und Magen-Darm-Erkrankungen berichtet auch der evangelisch-lutherische Kindertagesstättenverband Grafschaft Diepholz, dem 18 Kitas der Region angehören. Dessen pädagogische Leiterin Birgit Greve bestätigt zudem, dass manche Eltern ihren kranken Kindern vor dem Besuch der Kita Fiebersaft oder -zäpfchen geben, sodass die Erkrankung zunächst nicht bemerkt wird. Doch viele Jungen und Mädchen zeigen dann dennoch Auffälligkeiten, weil sie sich krank fühlen. Das Verständnis von Eltern sei in den vergangenen Jahren geringer geworden. Birgit Greve: „Viele wollen auch bei anderen Dingen der Kita mitreden, wie bei der Konzeption der Einrichtung. Das geht so nicht.“ Wichtig sei den Kitas das Wohl der Kinder.
Mit kranken Kindern in Kitas beschäftigt sich auch eine Umfrage des Landkreis-Gesundheitsamtes, die derzeit läuft. Daran beteiligt sich die Kita „Senfkorn“. Leiterin Diana Schmiegel meldet jeden Donnerstag, wie viele Kinder krank sind – und wie viele krank in die Kita geschickt wurden.