Hausärzte bemängeln: Starre Bestellfristen behindern Corona-Impfkampagne

Landkreis Diepholz – Zwischen Bestellung und Lieferung der Corona-Impfstoffe in die Arztpraxen vergehen im Landkreis Diepholz derzeit zwei Wochen und mehr. Um bestmöglich auf Schwankungen in der Nachfrage – wie aktuell aufgrund der anlaufenden Booster-Impfungen – reagieren zu können, fordern einige Hausärzte flexible und kurzfristige Lieferfristen. Einschätzungen zu den starren Bestellfristen sind gespalten. Einige Hausärzte bemängeln, dass die Corona-Kampagne ins Stocken gerät.
Entspannt gestaltet sich die Situation bislang für Dr. Bernd Roshop. Der Vorsitzende des Ärztevereins Diepholz erklärt auf Anfrage, dass es in seiner Praxis in Barnstorf in erster Linie auf eine vorausschauende Planung ankomme: „Es handelt sich bei der dritten Corona-Impfung um keine Notfalluntersuchung, bei der sofort gehandelt werden muss. Die Patienten wissen, wann sie dran sind und kümmern sich früh genug um einen Termin. Wir planen die Impftermine bereits jetzt für den Januar.“
Nachfrage nach Drittimpfungen wird steigen
Zu Verzögerungen bei Terminen aufgrund langer Lieferzeiten komme es in der Praxis von Roshop nicht. Grund für die rund zweiwöchige Bestellfrist könnte laut dem Vorsitzenden des Ärztevereins Diepholz der Umstand sein, dass die Impfdosen, je nach Bedarf, aufgetaut werden müssen. Dies hängt mit ihrer Lagerung zusammen. Die Menge der Impfdosen sei bei der Bestellung nicht beschränkt. Vorzugsweise fragen Patienten den Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer an.
Roshop denkt, dass die Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen in den kommenden Monaten steigen wird. Diese Drittimpfung sollten Personen rund sechs Monate nach Erlangen des vollständigen Impfschutzes in Betracht ziehen. „Der Impfschutz besteht zwar auch darüber hinaus noch, allerdings nimmt dieser mit der Zeit weiter ab. Bislang sind über 70-jährige und gesundheitlich vorbelastete Personen für die Drittimpfung vorgesehen“, sagt der Barnstorfer Arzt.
Beschleunigung der Impf-Kampagne
„Der Landkreis Diepholz hat keinen Einfluss auf die Lieferungen von Corona-Impfstoffen“, erklärt Ulrike Tammen, Kreisrätin und Sprecherin des Landkreises Diepholz, auf Anfrage. Sie verweist auf die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen.
Eine weitere Einschätzung kommt von Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Hausärzteverbands Niedersachsen. In einer Pressemitteilung vom deutschen Hausärzteverband, Landesverband Niedersachsen, wird er wie folgt zitiert: „Die Flexibilisierung der Bestellfristen würde dazu beitragen, die Corona-Impfkampagne zu beschleunigen. Aus Sicht vieler Hausärzte ist diese Frist nicht nachvollziehbar. Es gibt genug Impfdosen in den Lagern. Diese können allerdings nicht kurzfristig nach Bedarf von den Praxen abgerufen werden. Bei anderen Medikamenten gibt es eine solche festgeschriebene Lieferverzögerung nicht.“
Impfstoffdosen
Bis zum Ende der Kalenderwoche 43 am 31. Oktober wurden mehr als 130,4 Millionen Impfstoffdosen von Biontech/Pfizer, Astrazeneca, Moderna und Johnson & Johnson an die Bundesländer ausgeliefert.
Quelle: bundesgesundheitsministerium.de
Berndt fordert, dass die Auslieferung der Corona-Impfstoffe nicht in einem starren Korridor erfolgen sollte, sondern situativ am Folgetag möglich sein müsse. „Insbesondere, wenn einige Akteure kurzfristig eine Booster-Impfung für alle Bevölkerungsteile unabhängig von der gültigen Stiko-Empfehlung fordern, erhöht sich die Nachfrage in den Praxen sprunghaft“, so der Vorsitzende. Dieser Umstand führe wegen der gültigen 14-tägigen Frist teils zu Frust bei den Patienten und zu einem hohen Beratungsbedarf durch die Praxisteams.
Bund beschafft und finanziert Impfstoffe
„Der Bund beschafft und finanziert alle Impfstoffe, die in Deutschland zum Einsatz kommen. Er organisiert auch die Verteilung der Covid-19-Impfstoffe an die von den Bundesländern eingerichteten Anlieferungsstellen und an die Anlieferungsstellen für die Belieferung der Arztpraxen über den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken“, erklärt Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Auch er unterstützt die Forderung nach flexiblen und kurzfristigen Lieferfristen, „um schnell auf Schwankungen in der Nachfrage reagieren zu können – beispielsweise durch den Wunsch nach Drittimpfungen“.
Wartezeiten bis zum Impftermin seien regional unterschiedlich. Praxen gehen bei der Vergabe der Termine nach der Stiko-Empfehlung vor. Die Booster-Impfung erhalten demnach über 70-Jährige, Patienten mit schweren Vorerkrankungen sowie medizinisches Personal. Alle anderen müssten mit Wartezeiten rechnen.