„Wenn Ihr wollt, mache ich es nochmal 30 Jahre“

Diepholz - Von Sven Reckmann. Mehr als 20 Grad, wolkenloser Himmel, ein laues Lüftchen – nein, es war nicht das hochsommerliche Stadtfest, das am Wochenende gefeiert wurde, sondern der Grafensonntag, der im Oktober in anderen Jahren auch schon mal Winterjacke und Mützen erforderte. Es war ein Wetter zum Rausgehen, das Sahnehäubchen auf ein gelungenes Veranstaltungswochenende in der Diepholzer Innenstadt, den Grafensonntag garniert mit dem mittelalterlichen Grafenmarkt.
Schon der Auftakt gestern Mittag am Bremer Eck lockte zahlreiche Diepholzer an, wohlwissend, dass ein sonntäglicher „Sport“ auf sie wartete: Der Grafengruß.
Friedrich II., der hin und wieder auch auf den bürgerlichen Namen Georg Türke hört, ließ es sich in Begleitung seiner Gräfin, Carola Koldewei, und zweier charmanter Grafenmädchen (Maja Stephan und Paula Tabke) – nicht nehmen, seinem Volk, die korrekte Grußformel in allen Einzelheiten zu erklären.
So verneigte sich schließlich das gesamte Bremer Eck mehr oder weniger elegant vor dem Grafenpaar und seinem Gefolge: „Gott zum Gruße!“
Auch für den Grafen-(Darsteller) war es ein runder Geburtstag. Erstaunliche 30 Jahre ist es her, dass er seinen ersten Auftritt hatte. „Ich danke der Fördergemeinschaft Diepholz für die erfolgreiche Wiederbelebung“, sagte der Graf, und der Applaus der Umstehenden bestätigte ihn.
Und da es bei ihm nicht immer alles ernst zugeht, durfte dann vor allem die Damenwelt erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass der gute Mann, wie er sagt, seit drei Jahrzehnten dieselbe Strumpfhose trägt. Denn: „Ich habe aalglatte Beine!“
Der Graf ließ nicht unerwähnt, dass der Schloss-turm mittlerweile ein Sanierungsfall ist: „In meinem Wahrzeichen sitzt der Wurm.“ Mit Blick auf eine geplante Spendenaktion für das angegriffene Bauwerk äußerte er die Hoffnung, dass sich möglichst viele Bürger mit dem Wahrzeichen identifizieren. „Mit Euch wird es gelingen!“
Der Eigentümer (das Land) halte sich hier vornehm zurück, stellte auch „Stadt-Schulze“ Bürgermeister Dr. Thomas Schulze fest. Auch er rief die Diepholzer dazu auf, für ihr Wahrzeichen einzutreten.
Fördergemeinschafts-Vorsitzender Markus Kürbliatus (Mark Kürble) erinnerte daran, was man an dem Grafen habe: „Ich kann mir gar keinen anderen vorstellen!“
„Und wenn Ihr wollt, mache ich es noch 30 weitere Jahre!“, tönte der Friedrich daraufhin tatendurstig.
Ein großer Dank ging an Sasa Krec und Frank Jankowsky von der „Thyefholtern“, die mit ihrer guten Vernetzung dafür gesorgt hatten, dass der Mittelaltermarkt so vielfältig bestückt worden war.
Zum traditionellen Grafensonntag hatten die Geschäfte gestern geöffnet, Waren wurden teilweise auf Tischen vor den Geschäften feilgeboten, die Diepholzer Autohändler zeigten ihren neuesten Modelle in den Straßen der Innenstadt. Die Geschäfte hatten ihre Türen weit geöffnet, und mancher der Besucher ließ sich nicht zweimal bitten, trat seinen Weg nach Hause mit Einkaufstüten bestückt an.
Anlaufpunkt für viele war der Schlossinnenhof, wo der Heimatverein Diepholz Kaffee und Kuchen anbot. Teilweise bildeten sich hier lange Schlangen vor dem Tresen. Hunderte nahmen das Angebot an, den Schlossturm zu besichtigen.
Aus Anlass des runden Geburtstags war der Grafensonntag in diesem Jahr auf zwei Tage ausgeweitet worden. Als „Zuschlag“ war der Grafenmarkt bereits am Samstag geöffnet. Der Besuch hielt sich allerdings, im Vergleich zu gestern, in Grenzen. „Der Sonnabend war eher spärlich besucht“, räumte Krec gestern ein, „aber heute ist es richtig gut.“
Die Schätzungen sprechen von rund 2000 Erwachsenen (Kinder zahlten keinen Eintritt), die auf die Schlossinsel kamen.
Die Beschicker des Marktes kamen aus dem gesamten Bundesgebiet, berichtete Krec. Vom Bodensee, aus Sachen und Thüringen, sowie aus den benachbarten Niederlanden. Das Heerlager habe aus etwa 80 Menschen bestanden, die zwei Nächte – von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag – auf der Schlossinsel verbracht hätten. Krec: „Ein schöneres Ambiente kann man gar nicht haben.“