Demonstration für Julian Assange

1000 Kilometer zu Fuß von Hamburg nach London: Diese Strapaze nimmt derzeit Nikolei Rewin auf sich. Der ehemaliger Bassumer durchquert auf seinem Protestmarsch auch den Landkreis Diepholz und findet Gehör!
Landkreis Diepholz – Singend geht Nikolei Rewin am Montagabend die B 51 entlang, von Barnstorf in Richtung Diepholz. Er hat Schmerzen in der Ferse. „Ich wollte die Verletzung raussingen“, sagt der Aktivist, der zu Fuß von Hamburg nach London unterwegs ist. Ein Autofahrer sieht und hört ihn und hält an. „Es war ein Musiker, der mich dann mit zu sich genommen hat. Ich konnte die Nacht bei ihm schlafen und mich ausruhen, zwischen lauter Instrumenten. Er gab mir eine Pferdesalbe für die Schmerzen“, erzählt Nikolei Rewin, der aus einem ganz bestimmten Grund an der B 51 unterwegs ist und derzeit eine 1000-Kilometer-Tour fußläufig auf sich nimmt.
„Ich demonstriere für Julian Assange. Er ist ein Symbol der Pressefreiheit und gehört freigesprochen“, fordert Rewin, der in Hamburg lebt, in Kirgisistan geboren und in Kasachstan aufgewachsen ist. Seit knapp zwei Jahren demonstriert der 39-Jährige bei einer Mahnwache in Hamburg für Assange. Der Wikileaks-Gründer sitzt seit drei Jahren im englischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London.
„Er ist ein Symbol der Pressefreiheit und gehört freigesprochen.“
„Er ist dort in Isolationshaft. 23 Stunden auf zwei mal drei Metern. Er sollte aber frei sein. Er hat sich durch die Enthüllungen rund um die Irakkriege für unsere Freiheit eingesetzt – die Freiheit zu erfahren, was die Mächtigen treiben“, erzählt Rewin in der Diepholzer Innenstadt. Und: „Die Vorwürfe der Vergewaltigung, sind außerdem längst widerlegt worden.“
Rewins Hoffnung auf die Freilassung Assanges wurde zuletzt durch eine Initiative deutscher Politiker bestärkt. „Der Bundestag hat vor ein paar Tagen ein starkes Zeichen gesetzt“, sagt Rewin, und meint damit, dass 80 Bundestagsabgeordnete in einem offenen Brief die Freilassung Assanges fordern. Nicht die kürzeste Strecke nach London, sondern durch möglichst viele Städte läuft Nikolei Rewin, um Aufmerksamkeit zu erlangen – er rollt dabei eine Kiste mit Schlafsack, Matratze, Gaskocher, Kochtopf, Pfanne und Nahrungsreserven vor sich her. In den vergangenen Tagen durchquerte der Aktivist, der 1994 mit seiner Mutter aus Kasachstan nach Deutschland geflohen war, den Landkreis Diepholz. Von 1995 bis 2004 lebte Rewin in Bassum. „Leider war ich am Sonntag spät in Bassum, deswegen habe ich dort keine Bekannten getroffen“, erzählt der Krankenpflegehelfer, der derzeit freigestellt ist und für die Reise finanzielle Unterstützung von seiner Familie bekommt.
Immer wieder wird er angesprochen – in Diepholz von zwei Frauen. „Sie haben sich mit mir unterhalten über Assange und über Isolation allgemein. Sie hatten das Bedürfnis, darüber zu sprechen, wie die vergangenen Jahre in Corona-Isolation verliefen“, sagt Rewin, der zwei gelbe Bänder unter sein Plakat gebunden hat. „Die habe ich in Twistringen gekauft, bei einem Textil-Geschäft. Sie sind ein Symbol für die Unterstützung vermisster Personen – so wie auch Assange vermisst wird“, erklärt Rewin.
Pro Tag schafft Rewin 20 bis 30 Kilometer
20 bis 30 Kilometer schafft er pro Tag. Er peile an, England Mitte/Ende August zu erreichen. Wie er über den Ärmelkanal kommt? „Das weiß ich noch nicht. Ich hoffe, dass mich dort einige Menschen begleiten, vielleicht mit einer Fähre“, antwortet Rewin. Sein Sohn und seine Partnerin haben ihn die ersten Kilometer begleitet und wollen bald ein weiteres Mal dazukommen. In England habe sich Nikolei Rewin mit internationalen Aktivisten verabredet. „Wir wollen die letzten Kilometer zum Gefängnis Belmarsh zusammen laufen“, sagt Rewin. Nun geht es für ihn aber erst mal über Osnabrück und Köln in Richtung Belgien.
Hintergrund
Julian Assange ist ein australischer Journalist, Aktivist und Programmierer. Die von ihm gegründete Plattform Wikileaks hat 2010 gemeinsam mit der New York Times, dem Guardian und dem Spiegel interne Dokumente der US-Streitkräfte aus dem Irakkrieg veröffentlicht. Weltweit wurden im Anschluss daran Kriegsverbrechen diskutiert. Einem Haftbefehl der US-Regierung entzog er sich durch die Flucht nach Schweden und in die ecuadorianische Botschaft in London, wo er bis 2019 im politischen Asyl und zeitweise als ecuadorianischer Staatsbürger lebte. Seit 2019 ist er in London in Haft, am 17. Juni 2022 hat die britische Regierung die Auslieferung an die Vereinigten Staaten bewilligt.
In Schweden soll sich Assange Sexualdelikten strafbar gemacht haben, die Ermittlungen dazu wurden 2019 mangels Beweisen eingestellt.