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„Förderitis“: Riesen-Bürokratie macht auch Stadt Diepholz zu schaffen

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Von: Eberhard Jansen

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Der Kanu-Anleger an der Hunte am Diepholzer Schulzentrum. Für den Bau bekam die Stadt Diepholz Zuschüsse. Um solche Fördermittel zu beantragen, muss sie einen riesigen Aufwand betreiben.
Der Kanu-Anleger an der Hunte am Diepholzer Schulzentrum. Für den Bau bekam die Stadt Diepholz Zuschüsse. Um solche Fördermittel zu beantragen, muss sie einen riesigen Aufwand betreiben. © Jansen

14 Seiten hatte allein der Antrag, hinzu kamen 19 Anlagen, die insgesamt 66 weitere Seiten bedrucktes Papier umfassten. Weitere Verfahrensschritte und umfangreiche Ausschreibungen folgten. Einen riesigen Aufwand musste die Verwaltung der Stadt Diepholz betreiben, um einen Teil der Kosten für den Bau des Kanu-Anlegers am Schulzentrum Thouarsstraße zu bekommen. Das waren schließlich etwa 25 000 Euro. Dieses relativ kleine Projekt nahm die Stadt jetzt als Beispiel, um zu zeigen, welche Bürokratie hinter solchen Förderanträgen steckt.

Diepholz –Wie sich das extrem aufwendige Förderantragsverfahren konkret auswirkt, machte Tobias Nicolai, Mitarbeiter des Referates für Finanzen und Vermögen bei der Diepholzer Stadtverwaltung, den Kommunalpolitikern in der öffentlichen Sitzung des städtischen Ausschusses für Finanzen und Wirtschaft deutlich.

Beispiel: Kanu-Anleger an der Hunte

Fast ein Jahr dauerte es demnach von der Einreichung des insgesamt 80 Seiten umfassenden Antrages zur Förderung des Kanu-Anlegers am 15. Oktober 2020 bis zum Zuwendungsbescheid, den die Stadt am 10. August 2021 bekam. Die zugesagte Fördersumme nach dem Programm „Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE)“ betrug demnach 25 801,93 Euro. Doch die Auszahlung des Geldes war an weitere Voraussetzungen gebunden. Zunächst mussten nun die Unterlagen für die Ausschreibungen des Kanuanleger-Baus bei der zuständigen Behörde – in diesem Fall das Amt für regionale Landesentwicklung Leine-Weser – eingereicht werden. Bis zum 15. Februar 2022 mussten diese Unterlagen dort vorliegen – auf Papier, obwohl die Auftragvergabe in der Regel digital abläuft. Also musste die Stadt 154 Seiten ausdrucken. Für die Ausschreibung der Planungsleistung waren es 21 Seiten, die Ausschreibung der Bauleistungen hatte mit 14 Anlagen 133 Seiten. „Die Prüfung erfolgte ohne Beanstandungen“, berichtete Tobias Nicolai im Ausschuss.

„Förderitis“

Das Beispiel „Diepholzer Kanu-Anleger“ zeigt, wie aufwendig es für eine Kommune ist, Förderanträge zu stellen. Andrerseits wären Städte und Gemeinden kaum in der Lage, die gesamten Kosten von Bau- und Ausstattungsprojekten selbst zu tragen. Das wäre auch angesichts der von Bund, Land und EU angebotenen Zuschussprogramme nicht sinnvoll.

Im Jahr 2022 liefen in Diepholz 33 Fördermaßnahmen, davon wurden in dem Jahr elf neu beantragt. Die Fördermittel werden – je nach Thema – von verschiedenen Stellen verteilt – beispielsweise von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, der NBank, dem Amt für regionale Landesentwicklung und dem Regionalen Landesamt für Schule und Bildung. Die komplizierte Bezuschussung von Maßnahmen wird in Verwaltungs-Fachkreisen scherzhaft-kritisch als „Förderitis“ bezeichnet.

Das Verfahren war damit noch lange nicht beendet: Die Förder-Behörde brauchte noch Verwendungsnachweise mit insgesamt 102 Seiten. Unter anderem musste jede Rechnung der Planungs- und Baufirmen mit einem Kontoauszug als Zahlungsnachweis eingereicht werden. Danach stellte das Amt den Förderbetrag am 4. November 2022 fest und überwies das Geld am 10. November. Alle Unterlagen aus diesem Förderverfahren muss die Stadt Diepholz nun bis zum 31. Dezember 2034 aufbewahren.

„Absoluter Wahnsinn“

Für Michael Klumpe, Fachdienstleiter und allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters bei der Stadt Diepholz, ist der bürokratische Aufwand, der die Kraft und Fachkenntnisse von vielen Mitarbeitern im Rathaus und externer Firmen bindet, schlicht „absoluter Wahnsinn“. Er befürwortet ein Modell, nach dem das Land den Städten und Gemeinden pauschal mehr Geld für Projekte – also eine höhere Grundausstattung – gibt und die Einzelförderungen streicht.

„Wir brauchen ein Umdenken“

„Wir brauchen ein Umdenken und mehr Vertrauen in Kommunen“, stößt der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), Dr. Marco Trips, in gleiche Horn. Laut einer Pressemitteilung hält der NSGB die derzeitige Gestaltung und Abwicklung von Förderprogrammen in Niedersachsen für „wenig zielführend“. Sie sei „geprägt von bürokratischen Formalitäten, engen Anforderungen und starken Kontrollen im Nachgang“. Und die Programme seien mit einem unverhältnismäßig hohen Personalaufwand verbunden, so der Städte- und Gemeindebund.

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