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Mammutprojekt kurz vor Abschluss: Strom auf der 380 kV-Leitung

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Von: Anke Seidel

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Die Kabelübergangsanlage in Dickel ist die Nahtstelle zur Erdverkabelung. Drei solcher unterirdischen Leitungen gibt es auf der Strecke der 61 Kilometer langen 380 kV-Leitung.
Die Kabelübergangsanlage in Dickel ist die Nahtstelle zur Erdverkabelung. Drei solcher unterirdischen Leitungen gibt es auf der Strecke der 61 Kilometer langen 380 kV-Leitung. © Michael Dümer

Die 61 Kilometer lange Energie-Autobahn von Ganderkesee bis St. Hülfe ist zum Teil schon in Betrieb.Im Spätsommer soll die Gesamtinbetriebnahme erfolgen.

Landkreis  Diepholz – Es ist ein Projekt, das Menschen in der Region mehr als ein Jahrzehnt lang bewegt hat: Die 380 kV-Leitung, neue Stromautobahn zwischen den Umspannwerken Ganderkesee und St. Hülfe, ist zum Teil in Betrieb genommen worden. Will heißen: Auf einem der beiden Stromkreise fließt schon Energie über die Freileitungen und die Erdkabelabschnitte dazwischen.

380 kV-Leitung von Ganderkesee bis St.Hülfe: 125 Masten und 13 Kilometer Erdkabel

Maximilian Rühl, Referent für Bürgerbeteiligung beim Übertragungsnetzbetreiber TenneT, spricht von einem Meilenstein. „Die Gesamtinbetriebnahme ist für den Spätsommer geplant“, erklärt er zum endgültigen Abschluss des Mammutprojekts.

Angesichts der aktuellen energiepolitischen Herausforderungen hatte sich TenneT für die vorzeitige Teil-Inbetriebnahme entschieden. Am 28. Februar war in der Schaltzentrale der entscheidende Hebel umgelegt und der Stromkreis auf einer Seite der Leitungsträger an den Masten aktiviert worden. Über eine Strecke von 61 Kilometern wird die Energie auf 125 Masten und durch drei insgesamt 13 Kilometer lange unterirdische Erdkabelabschnitte transportiert – vom Umspannwerk Ganderkesee zum Umspannwerk St. Hülfe.

Die Leitung zwischen Ganderkesee und St. Hülfe gehört zu einem der ersten Pilotvorhaben für Erdverkabelungen bei Drehstromprojekten.

Maximilian Rühl, TenneT-Referent für Bürgerbeteiligung

Zwei der unterirdischen Abschnitte liegen im Landkreis Oldenburg (Umspannwerk Ganderkesee bis Ganderkesee Süd und Havekost bis Klein Henstedter Heide) und einer im Landkreis Diepholz (Dickel bis St. Hülfe). Sie haben eine besondere Bedeutung: „Die Leitung zwischen Ganderkesee und St. Hülfe gehört zu einem der ersten Pilotvorhaben für Erdverkabelungen bei Drehstromprojekten“, betont Maximilian Rühl. Im Erdkabel fließt der Strom über einen Kupferkern, den ein Lichtwellenleiter ummantelt, so der Referent. Darüber werden wichtige Daten wie Temperatur oder Spannung erhoben.

Baubeginn der ersten Masten ist im Dezember 2017 erfolgt

Für die Erdverkabelung hatten Bürger mit der Initiative „Vorsicht, Hochspannung“ lange gekämpft. An einer Bürgerversammlung im Januar 2013 zum Beispiel hatten rund 200 Menschen teilgenommen. Im März 2016 hatte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr den Planfeststellungsbeschluss für Bau und Betrieb der Leitung erlassen. Im Dezember 2017 begann der Bau der ersten Masten.

Die neue Stromtrasse soll bestehende Lücken im Übertragungsnetz schließen und damit langfristig eine sichere Stromversorgung garantieren. Denn durch die zunehmende Erzeugung und Einspeisung erneuerbarer Energien in Niedersachsen stoße das bisherige Stromnetz an seine Grenzen, erläutert TenneT auf seiner Internetseite – und weiter: „Mithilfe neuer Höchstspannungsleitungen wird der heute und zukünftig regenerativ erzeugte Strom dorthin gebracht, wo er gebraucht wird – und zugleich die regionale Netzstabilität im Norden erhöht.“

Strom aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen wird zunächst in das Netz regionaler Betreiber wie Avacon eingespeist. Diese Leitungen haben eine deutlich niedrige Spannung als die große 380 kV-Leitung. In den Umspannwerken wird die grüne Energie auf die große Stromautobahn übernommen.

Windkraftanlagen müssen dank 380 kV-Leitung nicht mehr so oft still stehen

Genau die trägt zur Lösung eines fatalen Kapazitätsproblems bei: Weil die regionalen Leitungen zu bestimmten Zeiten überlastet sind und keinen Strom mehr aufnehmen können, müssen Windkraftanlagen abgeschaltet werden – obwohl ihre Energie so dringend gebraucht wird. Schon durch die Teil-Inbetriebnahme der 380 kV-Leitung würden die Abschaltungszeiten reduziert, so Maximilian Rühl.

Das bedeutet auch eine finanzielle Entlastung: Laut Bundesnetzagentur hatten die Betreiber von Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen allein 2021 einen Entschädigungsanspruch von mehr als 807 Millionen Euro, weil die Netze ihren Strom nicht aufnehmen konnten. Diese Entschädigung müssen die Netzbetreiber zahlen, die ihre Kosten am Ende auf die Verbraucher umlegen.

Bis zur gesamten Inbetriebnahme der 380 kV-Leitung müssen laut Maximilian Rühl noch letzte Elektromontagearbeiten vorgenommen werden. Weitere Begrünungs- und Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungen und Sichtschutzbepflanzungen werden ebenso umgesetzt.

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