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Bruchhausen-Vilsen will mit Klimaschutzkonzept CO2-neutral werden

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Von: Anne-Katrin Schwarze

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Volles Haus beim ersten öffentlichen Abend: Am Klimaschutzkonzept der Samtgemeinde besteht großes Interesse.
Volles Haus beim ersten öffentlichen Abend: Am Klimaschutzkonzept der Samtgemeinde besteht großes Interesse. © Oliver siedenberg

Samtgemeinde – Die Bundesregierung hat ein Gesetz vorgelegt, das Land folgte, die Samtgemeinde schließt sich an: Bis zum Jahr 2045 soll der Ausstoß von Treibhausgasen vermieden oder ausgeglichen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt Bruchhausen-Vilsen ein Klimaschutzkonzept auf. Dafür beschäftigt die Samtgemeinde seit knapp einem Jahr einen Klimaschutzmanager. Gestern Abend stellte er erstmals öffentlich Ergebnisse vor. Allen voran: Die Treibhausgasbilanz, errechnet für das Gebiet der Samtgemeinde.

14. März 2023: Mit 123 211 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr belastet die Samtgemeinde das Klima. Pro Kopf sind das 7,06 Tonnen. Die großen Treiber sind private Haushalte und der Verkehr, die derzeit für mehr als 70 Prozent der Emissionen sorgen. Diese Zahlen stellte das Bremer Ingenieurbüro „beks EnergieEffizienz“ vor etwa 160 Interessierten im Forum vor. Sie basieren auf der sogenannten Bisko-Methode, einem einheitlichen Standard zur Berechnung kommunaler Treibhausgas-Emissionen. Sie erfasst Emissionen aus energiebedingtem Verbrauch, also Strom und Wärme, die in den Bereichen Verkehr, Wirtschaft, private Haushalte und kommunale Einrichtungen im Gebiet der Samtgemeinde verursacht werden.

Landwirtschaft nicht berücksichtigt

Nicht erfasst sind die Treibhausgase, die die Landwirtschaft produziert. Das Büro hat sie für die Samtgemeinde dennoch ermittelt und kommt auf weitere 63 000 Tonnen.

Weil die Bisko-Methode sie nicht fordert, fehlen außerdem die Werte, die durch Konsum, Ernährung und Flugreisen entstehen. Diese Faktoren haben erfahrungsgemäß noch einmal denselben Anteil an der CO2-Emission wie der Energieverbrauch. Tatsächlich verursache jeder Bürger der Samtgemeinde damit einen Ausstoß von 14 Tonnen Treibhausgas pro Jahr. Der vergleichbare Bundesschnitt liegt bei 11,6 Tonnen.

Zahlen, die Klimaschutzmanager Frank Marquardt nicht überraschen. Sie bilden keinen Ausreißer zu anderen Kommunen. Durch die überwiegend einzel stehenden Häuser und den umständehalber nötigen Individualverkehr ist die Pro-Kopf-Bilanz des Landmenschen bundesweit höher als die des Stadtmenschen. Dennoch: „Das ist nicht gut“, kommentiert er. Um diese Belastung in den nächsten 22 Jahren vollständig einzusparen oder auszugleichen, liegt ein großes Stück Arbeit vor der Kommune. Das Klimaschutzprojekt soll einen Katalog an Maßnahmen aufzeigen, mit dem das Ziel erreicht werden kann.

14 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf

Die öffentliche Hand selbst will mit gutem Beispiel vorangehen, überlegt, auf den Dächern ihrer Gebäude Sonnenenergie zu gewinnen, doch drehen wird sie die Klimabilanz nicht: Rathaus, Schulen, Kitas – die kommunalen Einrichtungen tragen gerade ein Prozent zum CO2-Ausstoß bei. Mit 35 Prozent ist der Verkehr dabei, mit 37 Prozent die privaten Haushalte. Nur, wenn an diesen Schrauben effektiv gezogen wird, kann sich etwas ändern, wurde gestern deutlich.

Gut aufgestellt hingegen bezeichnet Marquardt die Samtgemeinde bei der Produktion der erneuerbaren Energien. Sie liegt im Moment doppelt so hoch wie der gesamte Stromverbrauch (ohne Verkehr). Windkraft macht dabei mit 88 Gigawatt-Stunden pro Jahr mit Abstand größten Anteil aus, gefolgt von Biogas (22) und Photovoltaik (14). Insgesamt erzeugte die Samtgemeinde mit erneuerbaren Energien 2020 127 GWh und verbrauchte an Strom insgesamt 65 GWh: Ein Deckungsgrad von 197 Prozent. „Im Jahr 2023 steuern wir einen Grad von 300 Prozent an“, konnte avacon-Kommunalreferent Hermann Karnebogen von seinem Platz im Publikum aus ergänzen.

Wie es gelingen kann, die CO2-Bilanz auszugleichen, soll der Maßnahmenkatalog zeigen. Er wird jetzt aufgrund der gesammelten Daten erstellt und soll im November vorliegen.

BruVi bis 2024 klimaneutral

„Es ist unser Ziel, die Klimaschutzziele auch für die Samtgemeinde zu erreichen“, schickte Samtgemeindebürgermeister Bernd Bormann der Präsentation gestern voraus. Die Maßnahmen, die die Lenkungsgruppe erarbeiten wird, sollen zur Klimaneutralität führen. Würde die Samtgemeinde nicht handeln, würden sich die Emissionen bis 2045 von 123 000 Tonnen (nach Bisko) nur auf 43 000 Tonnen pro Jahr reduzieren.

2045 bei Null engergiebedingten Emissionen zu landen, „erfordert starke Anstrengungen“, verhehlte Kornelia Gerwien-Siegel vom beks-Projektteam nicht.

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen, also ohne weitere Aktivitäten, „kann die Samtgemeinde ihr Klimaschutzziel nicht erreichen“, heißt das Fazit des Ingenieurbüros.

Die Bürger sind aufgerufen, sich mit Wünschen und Vorschlägen zu beteiligen. Dazu hatten sie gestern erste Gelegenheit. Entschieden werden die Maßnahmen und ihre Priorität von einer 20-köpfigen Lenkungsgruppe, die sich aus leitenden Mitgliedern der Verwaltung, den Bürgermeistern, dem Klimaschutzmanager, Vertretern der Ratsparteien und der Ingenieure der beks zusammensetzt.

Viele Wünsche, einige Ängste

Update 16. März 2023: Als „riesengroß“ bewertete Samtgemeindebürgermeister Bernd Bormann das Interesse am Klimaschutz in der Samtgemeinde, nachdem gut 160 Menschen im Forum die Auftaktveranstaltung zum Klimaschutzkonzept nicht nur miterlebt, sondern auch mitgestaltet haben.

Denn bevor sie ein umfangreiches Zahlenwerk zum energetischen Zustand der Samtgemeinde präsentierte, mischte Kornelia Gerwien-Siegel das Publikum auf. Alle sollten aufstehen und sich erst nach Wohnorten sortiert aufstellen, dann positionieren, ob sie selbst noch nichts, bereits einiges oder schon viel für den Klimaschutz getan haben. Damit brachte die Mitarbeiterin des beauftragten Ingenieur-Büros „beks EnergieEffizienz“ aus Bremen wortwörtlich Bewegung in das Thema, das zwar jeden Einzelnen angeht, oft aber noch als abstrakt wahrgenommen wird. „Was kann ein Einzelner schon leisten...“, auf diese resignierte Frage soll der zu erarbeitende Maßnahmenkatalog Antworten geben. Für jeden Einzelnen und mit Beteiligung möglichst vieler.
Die stichprobenartige Befragung der Moderatorin zeigte, das Publikum in Bruchhausen-Vilsen ist interessiert. Und motiviert. Einige im Saal stellten sich sogar als Experten heraus. „Wenn das Interesse am Konzept so bleibt, können wir viel erreichen“, gab sich Bormann optimistisch.

Meinungen gehen auseinander

Viel muss erreicht werden, um in der Samtgemeinde bis 2045 kein Kohlendioxid mehr auszustoßen. Daran ließ die Erhebung keinen Zweifel. Was, darüber gingen die Meinungen im Publikum durchaus auseinander.

Während „beks“ das größte Potenzial für Bruchhausen-Vilsen bei der Gewinnung regenerativer Energien sah, fürchtete eine Besucherin, dass „dann überall diese Dinger (Windenergieanlagen, Anm. d. Red.) rumstehen werden“. Während ein Teilnehmer forderte, „endlich“ einzusehen, der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) könne auf dem Land kein Allheilmittel gegen den CO2-Ausstoß sein, wünschte sich eine Teilnehmerin, genau diese Idee erneut zu prüfen. Sogar Angst äußerte ein Besucher, dass er sich eine klimafreundliche Heizungsanlage nicht werde leisten können. Einigen Befürchtungen standen am Ende aber umso mehr Wünsche und Erwartungen an das Konzept gegenüber: Ehrlich und machbar solle es ausfallen, Mut solle es machen, dass auch ein Einzelner einen Beitrag leisten könne.

Jeder kann sich beteiligen

Andere Erwartungen waren schon ganz konkret: Die Erzeugung alternativer ökologischer Energien, E-Car-Sharing, Baugenehmigungen für Photovoltaikanlagen im Außenbereich, Nutzung von Wasserstoff für Auto und Heizung, eigene Stadtwerke, ein Fernwärmenetz.

Noch bis zum 1. Juni ist jeder aufgerufen, seine Wünsche und Erwartungen, aber auch Befürchtungen und Ängste zu formulieren und sich damit aktiv am Prozess zu beteiligen. Sie fließen in die Beratungen eines Maßnahmenkatalogs ein, den eine 20-köpfige Lenkungsgruppe erarbeitet, sagte Frank Marquardt zu.

Öffentlicher Workshop am 9. Mai

Bei einem nächsten öffentlichen Treffen am 9. Mai bekommen die Bürger erneut und sehr viel umfangreicher als am Dienstag Gelegenheit, sich einzubringen. „Der nächste Workshop wird gute drei Stunden dauern“, kündigte „beks“ an. Am 27. Juni wird die Lenkungsgruppe die Vorschläge ohne Öffentlichkeit mit Prioritäten versehen. Das Ergebnis soll am 21. November, dann wieder öffentlich, vorgestellt werden.

„Werden Sie Multiplikator unserer Idee“, wünschte sich der Klimaschutzmanager von den Anwesenden.
Ideen und Vorschläge kann man per E-Mail schicken an klimaschutz@bruchhausen-vilsen.de. Alle bisherigen Erhebungen sollen demnächst auf der Internetseite klimaschutz-sgbruvi.de einzusehen sein.

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