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„Ich bin erschüttert!“ – Integrationsgruppe im Kindergarten Neubruchhausen soll umgewandelt werden

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Von: Fabian Pieper

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Fachkräftemangel: Die Stadt Bassum sucht nach Lösungen für die Personalprobleme in ihren Kitas. Symbo
Fachkräftemangel: Die Stadt Bassum sucht nach Lösungen für die Personalprobleme in ihren Kitas. © Dedert/dpa

Aufgeheizte Stimmung im Bassumer Sozialausschuss: Viele Zuschauer waren mit den Plänen der Verwaltung, eine Integrationsgruppe in Neubruchhausen in eine Regelgruppe umzuwandeln, nicht zufrieden.

Bassum – Kinder sind ein emotionales Thema. Wie emotional, das hat am Donnerstagabend der Ausschuss für Soziales und Familie der Stadt Bassum deutlich zu spüren bekommen. Mehrere Bürger machten ihrem Unmut über die geplante und letztlich vom Gremium empfohlene Auflösung einer Kindergarten-Integrationsgruppe in Neubruchhausen Luft – sie ist alternativlos, entschied der Ausschuss.

Bassumer Sozialausschauss: Integrationsgruppe in Neubruchhausen soll Regelgruppe werden

„Ich bin erschüttert!“ Die Mutter eines im Haus der kleinen Füße in Neubruchhausen betreuten Kindes erhob am Ende der Ausschusssitzung im Ratssaal große Vorwürfe. Sie stellte die Vertretbarkeit der zuvor gefällten Entscheidung des Gremiums infrage. Weitere Eltern stimmten in die Tiraden ein, ehe der Ausschussvorsitzende Jonathan Kolschen (SPD) ein Machtwort sprach: „Wir diskutieren nicht in einer Einwohnerfragestunde“, sagte er.

Denn diskutiert hatten die Ausschussmitglieder ausführlich bereits eine halbe Stunde vorher. Darum ging es: Die Anmeldezahlen für das am 1. August beginnende Kindergartenjahr 2023/24 übersteigen nach derzeitigem Stand das Angebot an Plätzen. Grund dafür seien neben Raumproblemen vor allem der Fachkräftemangel – kaum ein Wort sprach Julia Mielke, Bassums Fachbereichsleiterin für Soziales, Schulen und Kindertagesstätten, an diesem Abend häufiger aus.

Sieben Betreuungsplätze mehr im Kindergarten in Neubruchhausen

Zu spüren bekommt das auch der Kindergarten in Neubruchhausen. Alleine dort stehen laut Niemann 13 Kinder derzeit auf einer Warteliste für das kommende Kindergartenjahr. Um zumindest sieben dieser Kinder einen Betreuungsplatz geben zu können, stellte die Stadt folgende unpopuläre Lösung vor: Von den zwei bestehenden Integrationsgruppen im Haus der kleinen Füße soll eine aufgelöst werden. In einer Integrationsgruppe können bis zu vier Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf untergebracht werden.

Da in einer Integrationsgruppe nur maximal 18 Kinder betreut werden können, in einer Regelgruppe hingegen bis zu 25 Kinder, würde die Stadt die Warteliste ein wenig abbauen. Die Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf könnten in Bassum unterkommen. Nach aktuellem Stand haben mindestens vier Kinder in Neubruchhausen diesen Bedarf. Erst bei weiteren Anmeldungen müsste also umverteilt werden.

Dennoch ist die Situation unbefriedigend. Das sieht auch CDU-Mann Henning Meyer so, der sagte: „Egal, wie wir uns entscheiden: Irgendjemandem tun wir weh!“ Es gebe „keine Alternativen“, da die Stadt ansonsten dem Betreuungsanspruch von sieben weiteren Kindern nicht gerecht werden könne. „Was wir jetzt machen“, bemühte Meyer ein sprachliches Bild, „ist Feuer löschen.“

Situation im Kindergarten in Neubruchhausen „sehr schwierig“

Auch Neubruchhausens Ortsvorsteher Werner Wisloh (Bürger-Block) zeigte sich betroffen. Er bezeichnete die Situation als „sehr schwierig“. Dorit Schlemermeyer (SPD) sprach von einer „unbefriedigenden Situation, die alle sehr traurig macht“. Sie stärkte der Verwaltung allerdings den Rücken: „Die tun, was sie können.“

Sonst noch wichtig im Sozialausschuss

Im Ausschuss für Soziales und Familie der Stadt Bassum sind noch weitere Dinge angesprochen worden, darunter durchaus erfreuliche: Fünf Auszubildende sollen in diesem Jahr ihre Ausbildung in pädagogischen Berufen beginnen. Fachbereichsleiterin Julia Mielke nannte das „gute Zahlen“. Zudem votierten die Ausschussmitglieder dafür, sowohl die Sprachförderung in den Bassumer Kitas als auch die Weiterbeschäftigung der bislang eingesetzten Quik-Kräfte – nicht einschlägig qualifizierte Quereinsteiger in pädagogische Berufe – unabhängig vom Auslaufen der Förderungen weiter zu verfolgen. Die Quik-Stellen sollen entfristet werden. fap

Der Erste Stadtrat Karsten Bödeker erhob Vorwürfe gegen Bund und Länder. Sie würden Dinge festsetzen und Standards festlegen, die die Kommunen dann ausbaden dürften. „Beide verkennen die derzeit realistische gesellschaftliche Situation und lassen die Kommunen komplett alleine“, sagte er mit Enttäuschung in der Stimme.

Am Ende fiel die Entscheidung der Ausschussmitglieder einstimmig aus: Sie alle votierten dafür, eine Integrationsgruppe in Neubruchhausen in eine Regelgruppe umzuwandeln – auch wenn den Männern und Frauen deutlich anzusehen war, dass sie mit dieser Entscheidung selber nicht zufrieden sind.

KOMMENTAR: Mehr Solidarität statt Wut im Bauch

Verwaltung und Politik haben es derzeit nicht leicht in Bassum. Sie sehen sich mit kaum lösbaren Problemen bei der Erfüllung der Ansprüche ihrer Bürger auf Kinderbetreuung konfrontiert.

78 Kinder haben nach aktuellem Stand im kommenden Kita-Jahr keinen festen Platz in einem Kindergarten oder einer Krippe. Da nützen auch die schönsten neu gebauten Kindergärten kaum etwas, denn es fehlen die pädagogischen Fachkräfte.

Noch schwerer wird die Aufgabe der Verwaltung durch den verständlichen Unmut derjenigen, die am meisten darunter leiden. Knappe

25 Zuschauer, viele davon Eltern, sorgten auf der Sozialausschusssitzung am Donnerstagabend für reichlich Gegenwind. Dabei haben – den Anschein erweckten die Diskussionen am Donnerstagabend – viele dieser aufgebrachten Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind sicher. Ihnen täte eine altruistischere Haltung gut. Denn klar: Dass ihr Kind möglicherweise aus seinem Umfeld gerissen wird und in einen deutlich weiter entfernten Kindergarten muss, ist nicht schön. Doch dafür können die Eltern sieben anderer Kinder aufatmen: Sie erhalten einen Betreuungsplatz. Die Stadtverwaltung sollte den erbosten Eltern nun klarmachen: Mit Rückenwind lässt sich ein Schiff im Sturm deutlich leichter in einen sicheren Hafen steuern.

Die Zuschauer, wie erwähnt, konnten die Entscheidung nicht nachvollziehen und entrüsteten sich. Am Ende stellte sich Helma Schöpe vor die Verwaltung: „Wir haben kein Personal. Ich hätte gerne eine Lösung. Die hätten wir alle gerne!“ Um die Gemüter zu beruhigen, hielt sie den Gästen vor: „Geben Sie uns eine Lösung!“ Darauf wussten auch die Zuschauer keine wirkliche Antwort.

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