Warnamt erinnert an Kalten Krieg – und bietet Lehren für Katastrophenschutz

Der Verein Warnamt II will die Erinnerung an den Kalten Krieg wachhalten. Vorsitzender Mirko Krumm zieht aus der Museumsarbeit Lehren für den Katastrophenschutz heute.
Helldiek – Mit einem Zischen der Hydraulik verschwindet der ausnahmsweise warme Augusttag hinter der schweren Stahltür. Dahinter, im vierstöckigen Tiefbunker des Warnamts II in Bassum-Helldiek, herrschen auch im Sommer konstant acht Grad Celsius.
Was wäre, wenn: Atombombe aus Wilhelmshaven
Bassum II war eines von bundesweit zehn Warnämtern. Im Fall der Fälle sollten die Warnämter den Zivilschutz koordinieren. Wie so ein Fall hätte aussehen können, demonstriert Mirko Krumm: Atomangriff auf den Marinestützpunkt Wilhelmshaven, eine per Flugzeug abgeworfene 300-Kilotonnen-Bombe. Für die Bevölkerung im Explosionsradius käme jede Warnung zu spät.
Aber mit Tabellen, Lineal und Landkarte hätten die Zivilschützer in Bassum berechnen können, bis wann, zum Beispiel, die nukleare Wolke Hamburg erreicht. Bei mäßigem Höhenwind von 20 Knoten westwärts hätte die Millionenstadt demnach vier Stunden Zeit, um evakuiert zu werden. Über Sirenen, per Fernsprecher oder mit Radiodurchsagen wären die Warnungen nach draußen gegangen.

Vor rund fünf Jahren haben Krumm und seine Vereins-Mitstreiter begonnen, den verlassenen Bunker in ein Museum umzuwandeln. Wobei Museum hier nicht heißt: Kordeln, Exponate hinter Plexiglas, „Bitte nicht berühren!“-Schilder. Sondern hautnah erleben, was es hier bedeutet hätte, wenn der Kalte Krieg zu einem offenen Krieg zwischen Ost und West eskaliert wäre.
„Ein taktischer Atomkrieg in Europa wäre zu überleben gewesen“, sagt Mirko Krumm über ein Szenario wie das, in dem Wilhelmshaven getroffen wird. „Taktischer Atomkrieg“ heißt: Nato und Ostblock hätten militärische Ziele mit taktischen Atomwaffen angegriffen, ohne Interkontinentalraketen einzusetzen.

Krumms Interesse galt anfänglich sogenannten Lost Places, in Vergessenheit geratenen Orten – wie dem Bassumer Bunker. Der 1990 geborene Fachinformatiker, wollte mehr über die Ära des Kalten Krieges wissen. Über sein Engagement für den Erhalt des Warnamts II sagt er: „Was ich in den letzten fünf Jahren gelernt habe, kann ich gar nicht in Worte fassen. Dafür müsste ich ein Buch schreiben.“
Bis es so weit ist, gibt er das Wissen, das er sich in den vergangenen Jahren angeeignet hat, an Besucher weiter. Wenige Monate nachdem es im September 2019 erfolgreich am Tag des Offenen Denkmals teilgenommen hatte, war auch das Warnamt II in eine Corona-Pause gegangen.

Seit die Corona-Lage sich etwas entspannt hat, kann das Warnamt-Museum wieder darüber informieren, wie man dort auf Gefahren-Lagen durch ABC-Waffen reagiert hätte. An Sonntagen bietet der Verein wieder Führungen gegen an. Auch wenn viele Besucher den Bunker gerne selbst erkunden würden: Das geht schon wegen Baurechts-Vorschriften nicht, erklärt Krumm. Und die Ausstellungsstücke sind nicht immer selbsterklärend.
Am Warnamt II hat der Verein auch während der Corona-Zeit weitergearbeitet. Und ein Ende des Freizeit-Projekts ist nicht in Sicht. Irgendwann möchten die Mitglieder einen Zustand wie in den 60er-Jahren präsentieren, noch entspricht er eher dem in den Achtzigern. Ein Holz-Modell zeigt, wie der Lage-Raum einmal wieder aussehen soll. In der zweistöckigen Zentrale wären alle Informationen zusammengelaufen: Aber schon aufgrund der aufwendigen Tischlerarbeiten rechnet der Warnamt II e.V. mit mehren Jahren, bis die Arbeiten abgeschlossen sein werden.
Hochtechnologie der 60er-Jahre
„Die Hochtechnologie der 60er-Jahre“, wie Krumm sie nennt, sie funktioniert an vielen Stellen des Bunkers wieder. Ein Prinzip, das Krumm bei der Bunker-Führung immer wieder betont, ist das der Redundanz: Wenn ein System ausfällt, kann ein anderes einspringen.
Dieses Prinzip sei seit dem Ende des Kalten Krieges vernachlässigt worden. Zum Beispiel die Sirenen. 11 000 Sirenen habe das Warnamt II ansteuern können. „Das Objekt der Begierde“, nennt Krumm die Sirene im zweiten Untergeschoss in Anspielung auf das wieder gestiegene Interesse. Und stellt dann deren Funktionsfähigkeit lautstark unter Beweis.
Interesse an Sirenen „30 Jahre zu spät“
„Das schmeißt einen auch nachts um drei aus dem Bett“, sagt er. Und das auch bei zusammengebrochenem Mobilfunknetz. Jetzt, nach der Flutkatastrophe, sollen Sirenen-Warnsysteme reaktiviert werden. Dazu sagt Krumm: „Es kommt 30 Jahre zu spät. Man hätte die Systeme nie abbauen sollen.“
Gleiches gelte für die gesamte Infrastruktur der Warnämter, die in den Neunzigern aufgegeben wurde. Hätte man sie stattdessen um Computer-Technologie erweitert, könnte der Katastrophenschutz heute – Stichwort: Redundanz – auf digitale und auf analoge Systeme zurückgreifen.