Tonnenweise zu tun ‒ auf Tour in einem Müllwagen

Die Kreiszeitung hat AWG-Fahrer Carsten Pehl auf einer Entsorgungstour begleitet. Er erzählt von den Veränderungen im Business und den Reaktionen der Mitmenschen.
Bassum/Stuhr – Abfahrtskontrolle und los gehts. „Jetzt ist Aufbruchstimmung!“, sagt ein Fahrer. Um Punkt 6 Uhr setzen sich auf dem Fuhrparkgelände der AWG in Bassum rund 20 Lastwagen in Bewegung. Sie heißen Seiten- und Hakenlader. Gemeinsam schwärmen sie in sämtliche Straßen Bassums und des Nordkreises aus, immer mehrere Fahrzeuge pro Ortschaft. Ihr Ziel: Den niemals abebbenden Nachschub an Müll einsammeln.
Umstieg vom Hecklader: Weniger Mitarbeiter pro Fahrzeug, mehr Mitarbeiter insgesamt
„Müllwagen kommen stets im Rudel“, sagt Carsten Pehl. Der 41-jährige Bassumer fährt seit 17 Jahren für die AWG. Das erste Mal begleitet ihn diesmal ein Reporter der Kreiszeitung. Seit rund vier Jahren sitzen die Mitarbeiter allein auf den Fahrzeugen. Damals stellte die AWG ihre Fahrzeugflotte um und musterte die von zwei Mann besetzten Hecklader aus. Seitdem sind die AWG-Mitarbeiter nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt. „Eine enorme Verbessrung zu früher“, findet Pehl.
Der Müllwagenfahrer sitzt auf der rechten Seite. Dort befindet sich in den Fahrzeugen das sogenannte Cockpit. Eine Arbeitsstation, die die Streckenwegpunkte des Tages per GPS und Navigationssystem anzeigt. So werde keine Tonne bei der Abholung übersehen. Mit mehreren Seiten-, Rück- und Gelenkkameras, akustischen Signalmeldern sowie einer Kontrolle für den Roboterarm steuert der Fahrer die gesamte Entsorgungsmaschine. „Die Zeiten, als jemand auf dem Tritt mitfahren musste, sind vorbei“, freut sich Pehl.

Die moderne Technik erleichtere die Arbeit und spare Fahrer. Arbeitsplätze seien dadurch bei der AWG aber nie abgebaut worden – im Gegenteil, berichtet Pehl: „Die AWG sucht ständig.“ Während Pehls Zeit wuchs der Fuhrpark stetig. Rund 45 Fahrer stünden heute für die Touren bereit. Der Bio-Müll wird alle 14 Tage, Restmüll alle vier Wochen abgeholt.

Um die großen Maschinen zu steuern, braucht es „eine umsichtige Fahrweise und ein bisschen Affinität“, sagt Pehl. Und natürlich einen CE-Führerschein. Den machte Pehl während seiner Wehrdienstzeit bei der Bundeswehr. „Der klassische Werdegang“, blickt er zurück. Danach fuhr er zwei Jahre Fernverkehr, tourte in die Niederlande, nach Frankreich und durch ganz Deutschland. Eine interessante Zeit, die aber durch Abwesenheit von Zuhause und fehlende Planbarkeit ihre Tücken hatte.
Als Pehls erste Tochter geboren wurde, wechselte der Bassumer zur AWG. „Ich wollte nicht der Vater sein, der nie da ist.“ Nun habe er geregelte Arbeitszeiten und ist heimatnah. Die Entscheidung habe er nie bereut. „Die AWG ist ein Betrieb, wo man alt werden kann. Da wird gut für einen gesorgt“, erzählt Pehl. Er hat eine Vier-Tage-Woche mit 39 Stunden von 6 bis 16.30 Uhr. Einmal in der Woche fällt dafür ein freier Tag in Rotation an.
Falsch befüllte Tonnen werden mit einer Warnung versehen stehengelassen
Zurück auf die Straße: Auf Pehls heutiger Schicht könnten 823 Bio-Tonnen zusammenkommen, wenn jeder Haushalt seine Tonne rausstellen würde. Erfahrungsgemäß sei die Menge in den Bio-Tonnen im Winter geringer als im Sommer.
Selbst rückwärts in schmale Gassen fahren sei mit der Maschine keine Schwierigkeit. Kameras sehen alles und stoppen automatisch, sobald ein Hindernis erkannt wird. Eine Sondergenehmigung in der StVO erlaube sogar das „verkehrte“ Fahren in eine Einbahnstraße.
Plötzlich springt Pehl aus dem Müllwagen. Er dreht eine Bio-Tonne um 180 Grad. Der Roboterarm des AWG-Müllautos kann die 120- und 240-Liter-Tonnen nur anheben, wenn sie mit der Deckelöffnung zur Straße stehen. „Da bleibt uns nichts anderes übrig, als auszusteigen“, sagt Pehl. Es soll die einzig Verkehrte an diesem Tag bleiben. Eine Infokampagne vor fünf Jahren informierte die Kunden, als die große Fahrzeug-Umstellung erfolgte.

Schlimmer sei falscher Müll in der Tonne. Das komme hin und wieder vor. Einmal habe Pehl erlebt, dass alte Autoreifen in einer Bio-Tonne waren. Bei so was fehlen dem Mann die Worte. Sei es bloße Dummheit oder pure Absicht? Unnötig sei es Allemale. „Die Bio-Tonne benutzen leider einige wenige als zusätzliche Restmülltonne. Aber das ist nur ein kleiner Teil, der falsch befüllt, der liegt nicht mal bei einem Prozent.“ Pehl kenne seine Touren und „seine Pappenheimer“. Solche Tonne kontrolliere er vor der Leerung. Außerdem sieht er die Schüttung aus den Tonnen über ein Kamerabild in seinem Cockpit. Fällt ein Haushalt auf, wird die Tonne mit einem Warnhinweis versehen und nicht geleert. Von 247 Armbewegungen des Seitenhebers ließ Pehl vier Bio-Tonnen wegen falschen Inhalts stehen.
Kompostierbare Mülltüten sind nicht für den AWG-Biomüll geeignet
„Die allermeisten Kunden sind freundlich“, betont Pehl. Die Arbeit habe etwas Sinnstiftendes für ihn. „Ohne uns würden die Menschen im Müll ersticken.“ Reibereien kämen aber auch mal vor. Beispielsweise habe er erlebt, dass in engen Straßen Autofahrer ausstiegen und ihn aufforderten, Platz zu machen. „Da muss man ruhig bleiben“, sagt der freundlich schauende Pehl. Er könne es nachvollziehen: „Er will vielleicht zur Arbeit, aber wir sind bei der Arbeit.“
Biotüten im Biomüll ‒ das Problem
Die AWG ist laut eigenen Angaben Mitglied der bundesweiten Kampagne „wir für bio“. Die Initiative klärt auf, dass keine Plastiktüten oder „kompostierbare“ Plastiktüten in den Bioabfall geworfen werden sollen. Denn, die in der Werbung als „kompostierbar“ und „für die Biotonne geeignet“ vermarkteten „kompostierbaren“ Plastiktüten sind nicht für die Biotonne geeignet, so der Entsorger. Verbraucher griffen zur vermeintlich ökologischen Alternative im Glauben, etwas Gutes für die Umwelt zu tun.
Dass Hersteller ihre Biotüten als biologisch abbaubar bezeichnen können, hat seinen Grund in der europäischen Industrienorm DIN 13432. Sie legt fest, dass nach zwölf Wochen nur noch zehn Prozent der Bestandteile größer als zwei Millimeter sein dürfen.
Das Kompostwerk im Entsorgungszentrum Bassum erzeugt Humus aber innerhalb einer erheblich kürzeren Zeit von acht Wochen.
Dadurch besteht die Gefahr, dass nicht aussortierte Bestandteile in Mikroplastik zerfallen und nicht aus dem fertigen Rohkompost gesiebt werden können. Die Plastiktüten sind daher im Landkreis Diepholz nicht für Bioabfälle geeignet. Dennoch ist der Erdöl-Anteil verglichen zu handelsüblichen Plastiktüten niedriger, was ein kleiner Fortschritt ist. Eine wirkliche und hygienische Lösung für die Biotonnen ist das Sammeln der Abfälle in Papiertüten, so die AWG. Die gibt es auch im Einzelhandel.
Zwei Touren fährt Pehl pro Tag. Mittags geht es zurück zum Fuhrpark. Zeit für eine Mittagspause. Bis zu elf Tonnen Müll passen in den Wagen, der leer 15 Tonnen auf die Waage bringt. In Echtzeit misst das Fahrzeug das Gewicht auf allen drei Achsen, was Pehl im Cockpit sieht.

Nach jeder Tour geht es auch zum Entsorgungszentrum in Bassum-Klövenhausen. Der gesammelte Biomüll wird dort in einer Anlieferhalle abgekippt und ein Bagger schaufelt die Mengen in eine Trockenvergärungsanlage zur Weiterverarbeitung.