Lebensmittel reichen nicht für alle

Nach wie vor gilt bei der Tafel Bassum das Rotationsprinzip, auch wenn sich die Lage etwas entspannt hat.
Bassum – Das Land Niedersachsen plant den Aufbau von Logistikzentren für die Tafeln. Mit der finanziellen Hilfe zum Aufbau sollen die Einrichtungen in die Lage versetzt werden, Großspenden besser annehmen, lagern und auf die einzelnen Tafeln verteilen zu können. Davon wird auch die Tafel in Bassum profitieren, ist der hiesige Vereinsvorsitzende Anders Niedenführ überzeugt. Im April, so hat er erfahren, soll eine zentrale Plattform online gehen. Auf dieser können er und sein Team auf einen Blick den Bestand in den Zentren abrufen und einen Bestellwunsch abgeben. Derzeit schreibt der Landesverband die Tafeln noch einzeln per Mail an, um eventuelle Großspenden an die Kunden zu bringen. Die Infos kommen nicht immer zum richtigen Zeitpunkt an. „Diese Zentren werden unsere Arbeit erleichtern“, hofft Niedenführ.
Nach einem angespannten Jahr 2022 habe sich die Lage bei der Bassumer Tafel etwas entspannt. Niedenführ weiß allerdings aus Erfahrung, dass sich die Situation von jetzt auf gleich ändern kann.
180 Haushalte werden unterstützt
Hinter den Ehrenamtlichen liegt ein sehr anstrengendes Jahr. „Corona hat an uns gezehrt“, sagt Niedenführ. Krankheitsbedingte Ausfälle mussten kompensiert, Corona-Auflagen erfüllt werden. Dann kam 2022 der Ukraine-Krieg und mit dem Konflikt wuchs die Anzahl der Kunden. Gleichzeitig sank die Zahl der Spenden.
Als der Andrang überhaupt nicht mehr bewältigt werden konnte, musste Niedenführ einen Aufnahme-Stopp verhängen. „Das Angebot hätte nicht für alle gereicht. Wir mussten uns etwas einfallen lassen“, erinnert sich der Vorsitzende zurück. Dann führte das Team das Rotationsprinzip ein. Von den vier Gruppen setzt immer eine aus. Niedenführ: „Das erschien uns fair.“ Denn das bedeutet, dass jede Gruppe mal als erste und mal als letzte an der Reihe ist. Die ersten in der Ausgabe haben noch die freie Wahl. Die letzten müssen sehen, was übrig bleibt. Am Ende jeder Ausgabe sind die Regale leer.
Das Rotationsprinzip gilt immer noch. Nach wie vor ist die Nachfrage hoch. Das Angebot nutzen nicht nur Flüchtlinge, sondern Menschen aller Bevölkerungsgruppen. „Teilweise kommen auch die Kunden, die wir lange nicht gesehen haben, eben, weil es am Monatsende nicht reicht“, hat Torsten Spille beobachtet, der seit 2017 die Ausgabe mit betreut. Auch viele Alleinerziehende sind dabei. „Derzeit sind bei uns 180 Haushalte unterschiedlicher Größe gelistet“, so Spille. Dazu zählt die zehnköpfige Familie ebenso wie der Zwei-Personen-Haushalt.
Warenaustausch mit anderen Tafeln
Um den Engpass etwas zu kompensieren, hat das Tafel-Team im vergangenen Jahr den Kontakt zu Firmen intensiviert. Sprich: Noch mehr Klinken geputzt und nach Spenden gefragt. „Wir haben uns auch stärker darum gekümmert, mit anderen Tafeln Ware auszutauschen“, sagt Niedenführ. Momentan profitiert das Team von einem Rückstau an Lagerbeständen. Doch „wir merken jetzt bereits, dass weniger Spenden reinkommen“.
Umso dankbarer sind die Helfer über jede Form der Unterstützung. „Die Spendenbereitschaft der Bassumer ist enorm“, sagt Spille. „Oft kommen die Menschen mit Tüten und geben einen Teil ihrer Vorräte ab.“ Die Hilfe reicht von mehreren Dosen bis hin zu fünfstelligen Beträgen. Einer der Großspender ist zum Beispiel Horst-Dieter Jobst, Vermieter der Tafel. Er deckt nicht nur einen Grundbetrag der Betriebskosten ab, sondern hatte dem Team im vergangenen Jahr erlaubt, auf seine Kosten bei inkoop einzukaufen, wenn das Angebot knapp war. „Das war Ware im Wert von einigen Tausend Euro“, bestätigt Niedenführ.
Die Ehrenamtlichen bekommen häufig Anrufe von Leuten, die fragen: „Wie kann ich helfen?“ Die Antwort ist einfach: „Mit Lebensmitteln!“, sagt Spille. Gerne genommen werden Obst und Molkereiprodukte, aber auch haltbare Lebensmittel. Drogerieprodukte müssen es nicht unbedingt sein. „Die sind nicht lebensnotwendig.“
Willkommen sind übrigens auch weitere Helfer. Wer Lust hat, kann einfach vorbeikommen. Die Ehrenamtlichen sind freitags ab 8 Uhr vor Ort.
Die eigentliche Aufgabe der Tafeln
Ursprünglich sind die Tafeln in Deutschland angetreten, um Lebensmittel zu retten. „Das muss uns bewusst sein“, sagt Anders Niedenführ, Vorsitzender der Bassumer Tafel. In der Vorstellung vieler Menschen gelten die Tafeln als Versorger. Diesen Begriff aber vermeidet Niedenführ. „Das sind wir nicht. Wir können nur unterstützen, aber nicht voll versorgen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe, sondern die des Staates“, so Niedenführ.
Er weiß, dass es den Ehrenamtlichen schwerfällt, Menschen wegzuschicken, weil sie nicht genug Lebensmittel für alle haben. Sie würden sich verantwortlich fühlen. Deshalb erinnert er das Team an die eigentliche Aufgabe: In Deutschland gibt es mehr als 960 Tafeln, diese retten Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können und geben sie an Menschen in Armut weiter, die sich eine ausgewogene Ernährung nicht leisten können. „Mit 60 000 Helfern sind die Tafeln eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland“, heißt es auf der Internetseite der Tafeln Deutschland. Pro Jahr retten sie rund 265 000 Tonnen Lebensmittel und geben sie an etwa zwei Millionen Menschen weiter. Organisiert sind die Tafeln im Dachverband Tafel Deutschland.