Solidarische Landwirtschaft in Donstorf kommt auf Touren

Donstorf - Von Gerhard Scheland. Vor einigen Monaten haben Hildegard Stubbe und ihre Mitstreiter noch in lockerer Runde darüber philosophiert, ob und wie sie ihre Pläne einer „Solidarischen Landwirtschaft“ (Solawi) in die Tat umsetzen können. Nun vernaschen sie bereits ihre ersten selbst gepflanzten Radieschen. Die Ernte kommt ins Rollen. Nahezu jeden Tag gibt es frisches Gemüse auf dem eigens gegründeten Hollerhof in Donstorf.
Einerseits haben sich die Erwartungen für den Anfang des Jahres gegründeten Initiativkreis mehr als erfüllt, andererseits müssen die knapp 40 Mitglieder des Vereins „Solawi Hollerhof“ beim Start in ihr gemeinsames Projekt noch ein paar ungeplante Rückschläge hinnehmen. Weil der dringend benötigte Folientunnel anfangs noch nicht zur Verfügung gestanden hat, leidet die zwangsläufige Freiluft-Anzucht von Bohnen, Feldsalat, Porree und Zwiebeln unter der widrigen Witterung. Die lange Kälteperiode und der viele Regen hat den jungen Pflanzen geschadet. „Wir werden aus den Auftaktfehlern lernen und unsere gemeinsame Sache im nächsten Frühjahr schlauer und professioneller angehen“, erklärt Ulrike Westermann.
Ulrike Westermann aus Rechtern gehört zu den knapp 40 Mitgliedern, die sich der gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft angeschlossen haben. Sie hilft, wenn auf der knapp 7 000 Quadratmeter großen Ackerfläche zu jäten ist und reist einmal wöchentlich an, um mit weiteren freiwilligen Helfern die ersten Gemüsesorten zu ernten und zu den Depots zu bringen. Diese befinden sich in der Ökosiedlung in Heede und bei der Gaststätte Hibbeler in Rechtern. Eine weitere Abholstelle ist auf dem Hollerhof eingerichtet, um die Wege für die Mitglieder zu minimieren.

Hildegard Stubbe, die mit dem Verein einen Kooperationsvertrag geschlossen hat und den Acker in unmittelbarer Nähe ihres landwirtschaftlichen Familienbetriebs zur Verfügung stellt, freut sich über die tatkräftige Hilfe der Mitglieder. „Mit so viel Unterstützung habe ich gar nicht gerechnet“, sagt die Donstorferin. Beim jüngsten Ernteeinsatz befreien sie die Gemüsereihen von der schützenden Folie, füllen ihre mitgenommenen Holzkisten mit den ersten Radieschen der Saison, decken auch die Folie vom Anzuchtbeet am Hause ab und setzen sich nach getaner Arbeit zum Frühstück zusammen.
In der geselligen Runde kommt zur Sprache, dass viele Mitglieder des Vereins schon jahrelang im eigenen Garten ihr Gemüse selbst angebaut haben. „In der Gemeinschaft macht das aber viel mehr Spaß“, sind sich mehrere Teilnehmer einig und nennen damit den Hauptgrund für ihr Engagement. Hinzu kommt natürlich die Gewissheit, „dass wir hier genau wissen, was wir auf dem Teller haben.“
Für andere Mitglieder wiederum spielen politische Gründe eine bedeutende Rolle für ihren Vereinsbeitritt. „Mit unserem Engagement solidarisieren wir uns mit den heimischen Landwirten und wollen dazu beitragen, die bäuerliche Landwirtschaft ein Stück von ihrem Risiko zu befreien, weil wir uns verpflichtet haben, das geerntete Gemüse in vollem Umfang abzunehmen.“
Durch den Beitritt der annähernd 40 Mitglieder aus Barnstorf und Umgebung sowie der zeitigen Entrichtung der Beiträge wird die während der Gründungsversammlung im Januar aufgestellte Kostenkalkulation eingehalten. Per Unterschrift haben sich die Mitglieder verpflichtet, monatlich zwischen 40 und 70 Euro für das Projekt aufzubringen. Im Gegenzug gibt es jede Woche frisches Gemüse.

Investiert hat der neue Verein insbesondere in einen gebrauchten Folientunnel, den die Mitglieder auf einem Biohof in Martfeld demontiert und in Donstorf am Rande des Gemüsefeldes wieder aufgebaut haben. „Unsere Alten Herren der Arbeitsgemeinschaft Bauen haben den Wiederaufbau total gut gemacht“, lobt die gut gelaunte Erntehelferschar das Engagement der Seniorengruppe.
Das nächste größere Projekt haben die solidarischen Gemüseanbauer bereits fest im Blick. Für die Bewässerung der Anbaufläche soll zeitnah ganz in der Nähe des Ackers ein Hausbrunnen gebohrt werden, um das Gemüse in trockenen Sommermonaten mit ausreichend Wasser zu versorgen. Zudem ist der Verein auf der Suche nach weiteren Folientunneln, die von den Besitzern nicht mehr genutzt werden.
Hinter dem Solidargedanken des Vereins steckt das Vorhaben, gemeinsam den Gemüseanbau zu planen, die Kosten zu ermitteln und das einmal wöchentlich geerntete Gemüse zu verteilen. Die Abnehmer können bei den Arbeiten gern mithelfen, müssen sie aber nicht. Das gilt auch für andere wiederkehrende Aufgaben wie beispielsweise das Ansetzen von Sauerkraut, wenn der geerntete Weißkohl mal nicht genügend Abnehmer findet. Außerdem sind immer wieder Einsätze nötig, um das Kraut zwischen den Pflanzreihen zu beseitigen.
„Die Mitgliedschaft im Verein gilt immer für ein Jahr, dann kann sich jeder entscheiden, ob er weitermachen oder aufhören will“, erläutert Ulrike Westermann. Derzeit sehe es aber so aus, dass die Zahl der Mitglieder steigen statt abnehmen werde. Damit weitere Interessenten einsteigen könnten, werde in diesem Jahr etwas mehr Gemüse angebaut, „als wir für die aktuelle Mitgliederzahl benötigen.“
Um das Konzept der solidarischen Landwirtschaft transparenter zu machen, richtet der Verein jeden zweiten Freitag im Monat ab 19 Uhr in der Gaststätte Hibbeler einen Stammtisch aus. Dann treffen sich auch mal diejenigen, die nicht auf dem Acker mitarbeiten. „Es ist ja schön, mal zusammen zu sitzen und sich näher kennenzulernen und bei eventuellen Überschüssen aus der wöchentlichen Ernte ein aus dem eigenen Gemüse zubereitetes Essen zu genießen“, betont Vereinsmitglied Mechthild Kokenge. Der Stammtisch sei eine gute Gelegenheit für Interessenten, das Projekt und die Mitglieder besser kennenzulernen, sagt sie weiter und weist darauf hin, dass die Teilnahme mit keiner Verpflichtung verbunden sei.