„Letzte Generation“ nun auch im Dorf: „Könnt ihr das Gesocks nicht einfach wegmachen?“

Klimaaktivisten haben am Freitag die B 51 in Barnstorf blockiert. Einige Bürger beschimpften die Protestler, ein Lkw-Fahrer gab einfach Gas.
Barnstorf / Landkreis – 8.20 Uhr in Barnstorf, ein windiger und ungemütlicher Freitagmorgen. Die Bundesstraße 51 ist wie immer gut befahren, nichts Besonderes also. Aber plötzlich tauchen ein paar Menschen auf Höhe der Huntebrücke auf, ziehen sich Warnwesten an, stellen sich mitten auf die Straße und holen Banner aus ihren Rucksäcken. Spätestens jetzt ist klar: Es handelt sich um Aktivisten der „Letzten Generation“. Erst vor wenigen Wochen hatten die Gruppe angekündigt, mit ihren Protesten auch aufs Land zu gehen. In Barnstorf ließ sie ihren Worten jetzt Taten folgen und blockierte die B51 für insgesamt eine Stunde.
Es dauerte nicht lange, bis sich ein Stau auf der Bundesstraße bildete. Auch die erste Unzufriedenheit der Verkehrsteilnehmer ließ nicht lange auf sich warten. Der Fahrer eines Betonmischers, der erste Betroffene der Blockade, beschimpfte die Aktivisten wild, bevor er langsam wieder anfuhr, um die „Letzte Generation“ mit seinem Lkw von der Straße zu drängen. Diese blieben zunächst standhaft, ließen ihn letztlich aber passieren. Es folgten weitere Beschimpfungen eines Treckerfahrers und ein kurzes, aber lautes Hupkonzert. Als die Polizei eintraf, beruhigte sich die Situation. Der Rettungsdienst war ebenfalls im Einsatz. Die Blockade hielt von 8.20 bis 9.20 Uhr an. „In dieser Zeit bildete sich ein längerer Stau in beide Richtungen“, teilte Polizeisprecher Thomas Gissing mit. Der Verkehr sei teilweise umgeleitet worden.

Die Aktivistengruppe, die die B51 in Barnstorf blockierte, bestand aus acht Personen. Sie war heterogen aufgestellt. Frauen und Männer waren dabei. Die Altersspanne lag zwischen elf und 80 Jahren. Vier von ihnen klebten ihre Hände auf dem Asphalt fest. Darunter auch ein elfjähriges Mädchen, der Vater saß neben ihr auf der Straße. „Es war der ausdrückliche Wunsch des Kindes, seine Hand anzukleben“, versicherte Arne Springorum. Der Aktivist aus Prag, der seine Kindheit in Barnstorf verbracht hatte, organisierte die Blockade im Flecken. Sein Sohn Vitek und seine Mutter nahmen auch am Klimaprotest teil.
Weil sich nur die jeweils zwei äußeren Aktivisten an der Straße festklebten, wäre es im Notfall jederzeit möglich gewesen, eine Rettungsgasse zu bilden.
Klima-Blockade in Barnstorf insgesamt friedlich – mehrere Bürger äußern Unverständnis
Die Blockade verlief insgesamt friedlich. Hin und wieder äußerten Passanten ihr Unverständnis für die Aktion. Aussagen wie „Ihr habt doch nichts zu tun, geht arbeiten!“ oder „Das stört doch nur und bewirkt gar nichts!“ waren zu hören. Einige Bürger forderten die Polizisten auf, die Aktivisten – zur Not auch mit Gewalt – von der Straße zu holen. „Könnt ihr das Gesocks nicht einfach wegmachen?“, raunzte ein Lkw-Fahrer die Beamten an. Ein Ordnungshüter entgegnete: „Zügeln Sie Ihre Wortwahl!“
Die Polizei, die mit rund einem Dutzend Einsatzkräften vor Ort war, suchte während der einstündigen Blockade immer wieder das Gespräch mit den Aktivisten. „Ihr dürft demonstrieren, aber verlagert das Ganze bitte auf den Gehweg. Ansonsten muss ich die Versammlung auflösen“, sagte der Polizei-Einsatzleiter Timm Schaumburg. Er erklärte: „Die Aktivisten nehmen ihr Versammlungsrecht wahr – und das ist auch in Ordnung.“
Die Protestler lobten die Polizei. „Sie handelt professionell“, meinte Arne Springorum. „Die Arbeit der Beamten ist sehr souverän und absolut routiniert“, sagte Eika Jacob aus Oldenburg. Sie war eine der Aktivisten, die die B51 blockierten. Die Kommunikation zwischen Protestlern und Beamten lief ruhig und sachlich. „Ich bin positiv überrascht, weil unsere Aktionen bisher eher in großen Städten stattfanden. Für viele Polizisten war das sicher eine neue Erfahrung.“

Nach der dritten Aufforderung, die Blockade zu beenden, schritt die Polizei ein. Es dauerte rund zehn Minuten, bis alle acht Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ von der Straße waren. „Wir werden Sie jetzt langsam entfernen“, erklärte ein Beamter den Ablauf. Die festgeklebten Hände lösten die Polizisten mit einem Lösemittel. „Sagen Sie Bescheid, wenn etwas wehtut“, sagte einer. Jene Aktivisten, die die Straße nicht selbstständig verlassen wollten, trug die Polizei ab und setzte sie auf den Gehweg. „Wir hatten keine Probleme beim Auflösen der Versammlung“, bilanzierte Einsatzleiter Timm Schaumburg.
Organisator: Ziviler Ungehorsam in Form von Blockaden zwingend notwendig
„Ich habe schon entspanntere Blockaden erlebt“, sagte Arne Springorum über den Verlauf des Protestes und die Reaktionen der Bürger. „Es geht aber auch schlimmer.“ Eika Jacob erklärte: „Es ist auch für uns absolut keine schöne Situation.“ Der zivile Ungehorsam in Form von Blockaden sei aber zwingend notwendig, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Arne Springorum appellierte, sich über die Ziele und Forderungen der „Letzten Generation“ zu informieren. „Viele verstehen erst einmal gar nicht, was wir mit unseren Aktionen bewirken wollen“, meinte er.
Ich habe schon entspanntere Blockaden erlebt. Es geht aber auch schlimmer.
Grundsätzlich zeigten alle Aktivisten Verständnis für den Unmut der blockierten Verkehrsteilnehmer. Springorum bezog sich auf den Vorfall mit dem Betonmischer zu Beginn: „Er hatte sicher auch Zeitdruck. Deswegen kann ich den Brummifahrer da auch gut verstehen.“ Angst hatte der Aktivist allerdings nicht, als der Lkw-Fahrer wieder losfuhr: „Das war für mich kein Schock. Es ist nicht meine erste Blockade. Ich rechne damit.“
Die Polizei erteilte den acht Aktivisten der „Letzten Generation“ Platzverweise. Was nun rechtlich auf die Protestler zukommt, ist noch nicht ganz sicher. Polizeisprecher Thomas Gissing erklärte: „Die Kollegen haben die Personalien der Teilnehmer für spätere Ermittlungsverfahren aufgenommen.“