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Brandanschläge im Jugendzentrum „Friese“ bis heute nicht aufgeklärt

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Von: Steffen Koller

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Die „Friese“ von der Straße aus betrachtet.
Seit gut 25 Jahren steht das Gebäude des Jugendkulturzentrums „Friese“ im Bremer Steintorviertel. Trotz der Brandanschläge vor knapp einem Jahr machen die Verantwortlichen weiter. © Steffen Koller

Anfang 2020 hat es im Bremer Jugendzentrum „Friese“ gebrannt - gleich zweimal. Diese Brandstiftungen sind bis heute nicht aufgeklärt. Ein Hinweis auf die Täter könnten drei Aufkleber sein.

Bremen – Rund 300 Konzerte in mehr als 20 Jahren – und nie sei etwas Nennenswertes passiert, sagen Holger Lauster und Michael Quast vom Jugendzentrum „Friese“ in Bremen. Doch die Nacht zum 16. Februar veränderte vieles und hinterließ Spuren. Im Gebäude – und in den Köpfen. Innerhalb von zweieinhalb Stunden brachen dort zwei Feuer aus. Brandstiftung, sagt die Staatsanwaltschaft. Fast zehn Monate danach suchen die „Friesen“ weiter nach Antworten – und die Ermittler tappen noch im Dunkeln.

Experimentelle Klänge wandern durch den Konzertraum, etwa 30 Gäste, darunter Studenten aus Spanien, feiern am Abend des 15. Februar ausgelassen zur Musik eines Duos aus Antwerpen. Holger Lauster, seit 1995 in der „Friese“ aktiv und mittlerweile zusammen mit Michael Quast in der Geschäftsleitung tätig, steht wie so häufig hinter dem Mischpult im Erdgeschoss. Plötzlich riecht er Rauch. „Alle raus!“, ruft Lauster den Konzertgästen zu, kurz nachdem er „eine gewaltige Qualmwolke“ im ersten Obergeschoss wahrnimmt. Bissiger, schwarzer Rauch breitet sich kurz nach Mitternacht aus, quillt unter den Türen hervor. Lauster hat gerade einmal so viel Zeit, die Räume nach Kollegen oder Gästen abzusuchen, dann rettet auch er sich ins Freie. Erst dort bemerkt er, dass er „ganz schön einen abbekommen“ hatte. Und er realisiert: „Ich stand draußen und musste mit ansehen, wie das Haus abbrennt.“

„Friese“ Bremen nach den Bränden: Zersplitterte Fenster, überall Ruß

Auch jetzt ist es für Lauster und Quast immer noch „herausfordernd“, über das Geschehene zu sprechen. Die Erinnerungen kommen hoch, das Erlebte rauscht wie in einer Zeitschleife an ihnen vorbei. Dass niemand verletzt oder gar getötet wurde, ist wohl nur dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr – und einem glücklichen Umstand zu verdanken: Im Gebäude, das früher Verwaltungs- und Wohnhaus eines Holzhändlers war, waren durchgehend Feuerschutztüren verbaut. Das Feuer wurde dadurch zumindest gebremst. Welche Kraft die Flammen hatten, zeigt sich allein daran, dass die Sicherheitstüren zum Teil durchgeschmolzen, an einigen Stellen komplett verzogen waren. Fenster splitterten, Ruß überall, so zeigen es Fotos.

Etwa zweieinhalb Stunden später, gegen 2.45 Uhr, derselbe Raum, dieses Mal von der Polizei bereits versiegelt, es brennt erneut. „Da wurde es richtig schrecklich“, sagt Lauster. War das erste Feuer womöglich nicht richtig abgelöscht? Der in der Nacht zuständige Brandmeister kann sich das erneute Aufflammen des Feuers nicht erklären, habe noch vor Ort ausschließen können, dass Glutnester zum zweiten Brand führten, sagt Lauster. Auch die Bremer Staatsanwaltschaft geht von Brandstiftung aus, ein technischer Defekt könne aktuell ausgeschlossen werden, sagt der Sprecher, Oberstaatsanwalt Frank Passade.

Die ausgebrannte Küche der Jugendeinrichtung „Friese“
Ein Raum, zwei Brände: Das Foto zeigt das ganze Ausmaß der Flammen in der Küche der Jugendeinrichtung. © Steffen Koller

Hellhörig werden Lauster und Quast, als sie drei Aufkleber – zwei davon an einem Aushang an der Hauseingangstür, einen an der Tür zum Brandort – entdecken. Alle drei zeigen rechtsextremistische Motive – und mindestens zwei könnten nur an diesem Abend geklebt worden sein, denn der Aushang sei extra für das Konzert angebracht worden, sagen sie. Das Landeskriminalamt der Polizei Bremen prüft zur Zeit, ob die Sticker mit den Taten in Verbindung stehen. Die Ermittlungen, die weiterhin andauern, würden „in alle Richtungen“ geführt, ein „rechtsorientiertes Motiv“ könne nicht ausgeschlossen werden. „Allerdings“, so Passade, „kann derzeit keine belastbare Einstufung der Delikte als politisch motiviert erfolgen.“ Der Verdacht ergebe sich derzeit „aus der Symbolkraft des Brandobjektes für die linke Szene sowie der aufgefundenen Aufkleber, die zum Teil auf die rechte Szene deuten“, so Passade weiter.

Holger Lauster hingegen sieht in den „ganz eindeutig definierten Aufklebern“ eine „klare Signatur“ der Täter. Für ihn steht fest: „Das war Vorsatz.“ Offen ist allerdings, von wem. Mittlerweile sind alle vom Feuer und Ruß betroffenen Räume saniert, die Arbeit geht weiter. Und das werde sie auch in Zukunft, „denn unterkriegen lassen wir uns nicht“, sagen Lauster und Quast: „Wir machen das hier mit Herzblut. Und unser Herz ist nicht ausgeblutet.“

Philosophie und Projekte

Seit gut 25 Jahren prägt das selbstverwaltete Jugendkulturzentrum „Die Friese“ das Bremer Steintorviertel. Mehr als 300 nicht-kommerzielle Konzerte fanden in dieser Zeit statt, zudem ist das Haus Proberaum für mehr als 20 Bands, die vor der Corona-Pandemie dort regelmäßig Songs einstudierten.

Neben dem Schwerpunkt Musik beherbergen Haus und Gelände unter anderem ein Jugend-Café, eine Siebdruckwerkstatt und Gemeinschaftsküche, die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt der „Freischrauber“, Fotolabor sowie Tonstudio.

Im Zentrum der pädagogischen Arbeit stehe zwar die „der jungen Jugend“ von 14 bis 16 Jahren, sagt Einrichtungsleiter Holger Lauster, jedoch verstehe sich die „Friese“ als offener Treffpunkt für alle Menschen.

Der zum Teil verbreitete Meinung, die „Friese“ sei ein Treffpunkt der linksradikalen Szene, entgegnet Lauster: „Das ist totaler Quatsch! Wir sind offen für alle, undogmatisch – aber Nazis haben hier nichts zu suchen.“ ko

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