1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bremen

Wie ein ungewöhnliches Gemälde ins Bremer Focke-Museum gekommen ist

Erstellt:

Von: Thomas Kuzaj

Kommentare

Bei der Übergabe der Schenkung – von links gesehen: Andreas Werndl (Fielmann), Direktorin Anna Greve, Historiker Jan Werquet.
Bei der Übergabe der Schenkung – von links gesehen: Andreas Werndl (Fielmann), Direktorin Anna Greve, Historiker Jan Werquet. © Martin Luther/FM

Bremen – Ein Zeitdokument ist es, und zwar eines, das viele Fragen aufwirft – ein recht großformatiges Gemälde aus den 40er Jahren, das jetzt neu in die Sammlung des Bremer Focke-Museums aufgenommen wurde. Schon das Motiv ist ungewöhnlich: Das Bild zeigt den Kommandobunker im Bürgerpark. Wer hat es gemalt? Warum wurde das Bild gemalt? Alles nicht bekannt.

Man weiß nur, was man sieht. Und was ist zu sehen? Der verklinkerte Kommandobunker auf der Schwachhauer Seite des Bürgerparks – zur Parkallee hin also, etwa in Höhe der Emmastraße und ungefähr dort, wo heute der Kinderspielplatz liegt. Auch der Bunker steht dort noch immer, verborgen hinter Bäumen und dichten Büschen, genutzt als Lagerraum. Kaum jemand kennt ihn, dabei ist es der Ort, an dem für Bremen der Zweite Weltkrieg endete: Genau hier ergab sich der Kampfkommandant der Stadt, Generalleutnant Fritz Becker, am 27. April 1945 den Briten.

Im Herbst 1942 hatte der Stab der 8. Flakdivision den neu errichteten Kommandobunker bezogen. Dr. Jan Werquet, Stadthistoriker am Focke-Museum, vermutet vor diesem Hintergrund, dass das Gemälde zwischen 1942 und 1945 entstanden sein muss. Es zeigt den Bürgerpark als winterliche und verschneite Waldlandschaft, neben dem Kommandobunker sind Baracken und Nebengebäude zu sehen. Im Hintergrund zeichnet sich die Stadtsilhouette Bremens ab – die „Umgedrehte Kommode“, die Domtürme, das Dach des Hauptbahnhofs. Ein sanftes Blau des Himmels taucht die Szenerie in ein beinahe idyllisch wirkendes Abendlicht, das mit der dichten Dunkelheit der Bäume kontrastiert. Interessant auch, was nicht zu sehen ist: Es gibt hier keine Kriegszerstörungen, obwohl Bremen seit 1940 bombardiert worden war. Ebensowenig sind NS-Symbole oder Flaggen zu sehen.

„Der Wald war ideologisch aufgeladen“

Werquet beschäftigt besonders die Wald-Anmutung der Parkdarstellung – eben mit Blick auf die NS-Zeit: „Der Wald war ideologisch aufgeladen und zugleich Projektionsfläche einer Idylle.“ Der Wald galt in der NS-Ideologie als „Kraftquell des deutschen Volkes“. Werquet: „Man wollte den Wald als künstlerisches Sujet etablieren.“ Kurzum: „Es ist kein Zufall, dass der Park als Wald inszeniert wird und gleichzeitig die Bunkerarchitektur, die gar nicht als solche zu erkennen ist. Ein Kriegsgebäude, dem man nicht ansieht, dass es ein Kriegsgebäude ist.“ Werquet spricht in diesem Zusammenhang von „Mehrfach-Mimikry“.

Das Kommandobunker-Gemälde unbekannten Ursprungs misst 89 Zentimeter mal 127 Zentimeter.
Das Kommandobunker-Gemälde unbekannten Ursprungs misst 89 Zentimeter mal 127 Zentimeter. © Kuzaj

Der Kommandobunker erscheint auf dem Bild wie ein Waldgebäude mit historisierender Klinkerfassade – all das gekrönt durch ein verschneites Dach. Ein Dach, das ebenfalls Rätsel aufgibt. Denn das erhaltene Bauwerk im Park hat ein flaches Dach– ganz anders als auf dem Gemälde. Bildet der Maler also ein Entwurfsstadium ab? Oder hat er das Dach hinzuerfunden? Um der Wahrheit weiter auf die Spur zu kommen, bittet das Bremer Focke-Museum nun Bürger, die Fotografien des Bunkers aus der Kriegs- und Nachkriegszeit haben, sich zu melden.

Entdeckung bei einer Auktion in Mecklenburg-Vorpommern

Im Museum gemeldet hatte sich die Museumsförderung der Fielmann AG, die gezielt kleine und mittlere Museen unterstützt, die oftmals nicht (mehr) über Ankaufsetats verfügen. Experten der Museumsförderung hatten das Gemälde in einem Katalog entdeckt – und dann auf einer Auktion in Mecklenburg-Vorpommern ersteigert. Andreas Werndl, Fielmann-Niederlassungsleiter in der Obernstraße (Innenstadt), hat das Bild dem Museum am Donnerstag als Schenkung übergeben. Mittel für die Restaurierung des Werks – über dessen Vorbesitzer nichts bekannt ist – kamen ebenfalls von der Museumsförderung. „Für uns als Museum ist es wichtig, vielfältige und vielschichtige Zeitdokumente zu besitzen, um etwa entsprechende thematische Sonderausstellungen zeigen zu können“, so Prof. Dr. Anna Greve, Direktorin des Focke-Museums. „Grundsätzlich wird die Zeit des Nationalsozialismus in unserer neuen Sammlungsausstellung ab 2026 ausführlicher dargestellt werden.“

Auch interessant

Kommentare