„Verkehrswechsel“ in Bremen: Erste Fahrradzone Deutschlands

Bremen - Von Thomas Kuzaj. Vorfahrt fürs Fahrrad – das gilt demnächst ganz verschärft in der Bremer Neustadt. In der Alten Neustadt, um ganz genau zu sein. Dort wird ab Anfang 2018 erstmals in Deutschland ein zusammenhängendes Fahrrad-Modellquartier eingerichtet. Es soll in der Nachbarschaft der Hochschule entstehen und 2019 fertig sein. Das Bundesumweltministerium stellt dafür 2,4 Millionen Euro aus dem Klimaschutzfonds zur Verfügung.
Das Umwelt-, Bau- und Verkehrsressort von Senator Joachim Lohse (Grüne) und die Hochschule hatten sich gemeinsam in einem Fördermittel-Wettbewerb darum beworben – und gewonnen. „Bremen ist schon lange eine Fahrradstadt, liegt hinter Kopenhagen und Amsterdam auf dem dritten Rang. Wir wollen noch besser dastehen und die Pionierrolle Bremens in Sachen Radverkehr weiter ausbauen“, so Lohse.
Fahrradstraßen gibt es bereits – nun kommt die Fahrradzone, die erste in Deutschland. Dort ist der Radverkehr die „vorherrschende Verkehrsart“. Radler dürfen nebeneinander fahren. Der Autoverkehr gilt als „Gast“. Tempo 30 ist selbstverständlich – für die Autos jedenfalls. „Diese Rahmenbedingungen sollen für das gesamte Quartier zwischen Osterstraße/Westerstraße, Langemarckstraße, der Rolandstraße und den Neustadtswallanlagen gelten“, hieß es am Montag bei der Präsentation der Pläne in der Hochschule.
Prof. Dr. Karin Luckey, Rektorin der Hochschule: „Wir verstehen uns als Impulsgeber für die Herausforderungen in Sachen Stadt und Gesellschaft. Dieses Projekt ist eins, das Antworten gibt.“
Umbau für Fahrradzone in Bremen
Die Übertragung der Fahrradstraßen-Regeln auf eine Zone, auf ein ganzes Quartier, bringt einige Bauarbeiten mit sich. „Wo heute Kopfsteinpflaster das Radfahren unbequem macht, sollen Asphaltstreifen in der Fahrbahn ein glattes Fahren ermöglichen“, hieß es. In diesem Zusammenhang soll die Kleine Johannisstraße komplett saniert werden. Auch die Lahnstraße gehört zum Paket. Querungsmöglichkeiten auf Langemarck- und Westerstraße sollen verbessert beziehungsweise neu geschaffen werden.
Das Parken (gerade von Autos) wird „neu geordnet“. Mit einem verkehrsberuhigen Bereich am Neustadtswall soll der Hochschulcampus „enger zusammenwachsen“. Alle drei Hochschulstandorte bekommen zusätzliche Fahrradparkplätze. Es wird Leih-Räder und Leih-Lastenräder geben, E-Bike-Ladestationen und ein „Fahrradreparatur-Café“ auf dem Campus Neustadtswall.
Im gesamten Modellquartier werden Straßeneinmündungen „gegen behinderndes Parken gesichert“, sprich: sie bekommen „Gehwegnasen“ und Fahrradabstellplätze. Neben den 267 neuen Stellplätzen an der Hochschule sind so weitere 360 Fahrradparkplätze das Ziel.
Ausgebaut werden sollen auch die Car-Sharing-Angebote. Davon erhofft man sich eine Entlastung bei den Auto-Parkplätzen. Apropos: „Wir haben in Bremen kein Problem mit dem rollenden, aber mit dem ruhenden Autoverkehr“, sagt Tobias Wolf, Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). „Wir brauchen mehr Platz für das Rad und weniger für das eigene Auto.“ Und: „Wir sind auf dem Weg zum Verkehrswechsel.“
Anreize zum Umsteigen
„Man wird es in einem Stadtteil nicht allen recht machen können“, sagt Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon. Das Recht auf einen Parkplatz vor der eigenen Haustür sei auch nicht etwa im Grundgesetz verankert. Es gelte, „Anreize“ zum Umsteigen zu schaffen. Unter anderem funktioniere das Miteinander in der Alten Neustadt „vergleichsweise gut, weil es so viel Radverkehr gibt. Der Antrag hat auch deshalb eine breite Unterstützung gefunden, weil alle etwas davon haben.“ Das Modellquartier „macht den Stadtteil attraktiver“.
Grünen-Chef Ralph Saxe: „Es gibt ganz viele Leute, die in diesem Stadtteil Fahrrad fahren. Bremen setzt ein bundesweites Vorzeigeprojekt um.“ Im August vergangenen Jahres hatten die Bürgerschaftsfraktionen die Bewerbung zum Fahrrad-Modellquartier unterstützt.
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