Uni ohne Hörsaal: Bremer City-Campus kommt in früheres Landesbank-Gebäude

Bremen – Noch vor der Bürgerschaftswahl im Mai hat der rot-grün-rote Senat am Dienstag die Pläne eines Uni-Teilumzugs in die Innenstadt konkretisiert. 1 500 Studenten und 160 Beschäftigte des Fachbereichs Rechtswissenschaften kommen ins Landesbank-Gebäude am Domshof. Der Mietvertrag soll ab Oktober 2024 gelten; für den Umzug wird der Jahreswechsel 24/25 angepeilt. Der Bankbetrieb läuft bis Ende 2023. Mit der schnellen Entscheidung ist das Thema flugs auch im Bürgerschaftswahlkampf gelandet. Die oppositionelle CDU schimpft.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hingegen jubelt, die Kritik weist er zurück. Unter 15 Euro pro Quadratmeter in dieser Lage, das sei ein „sensationeller Mietpreis“, so Bovenschulte am Dienstag. Die Uni mietet in dem Gebäude 18.150 Quadratmeter (inklusive Kassenhalle, aber ohne Innenhof) an. Die Kaltmiete beträgt 232.500 Euro pro Monat, also 2,79 Millionen Euro pro Jahr, „finanziert über den Wissenschaftshaushalt“ – wie auch immer. Betriebs- und Nebenkosten soll die Uni tragen.
Die Juristen also sollen es richten, sie sollen den Domshof und die Innenstadt beleben – denn das ist es ja, was hinter den Umzugsplänen steckt: Leben in der Bude. Mehr Leben im früheren Landesbank-Gebäude, mehr Leben vor allem in der City. Der recht autarke Uni-Fachbereich Rechtswissenschaften lässt sich vermutlich besser verpflanzen als andere Bereiche, die mit Campus und Technologiepark stärker vernetzt und verwoben sind. Hinzu kommt das passende Umfeld in der Innenstadt – die Nähe zu den Gerichten und zu etlichen Kanzleien.
Bremer CDU kritisiert „unausgegorenes Manöver“
Alles schön und gut, aber die Kosten! Hier setzt die Kritik der CDU an, wofür Bürgerschaftspräsident und CDU-Spitzenkandidat Frank Imhoff den Spagat wagt und sich mal eben vom Parlamentspräsidenten in einen Wahlkämpfer verwandelt, quasi Jekyll und Hyde. So „wünschenswert eine Belebung der Innenstadt durch einen Teilumzug der Universität“ auch sei, bei den Plänen des Senats handele es sich um „ein inhaltlich und finanziell unausgegorenes Manöver“, schimpft Imhoff. Und weiter: „Dem jetzigen Plan fehlt eine Rentabilitätsberechnung und eine seriöse Finanzierung und überdies ein geeigneter Hörsaal für Vorlesungen. Am Ende plant das Rathaus hier auf Kosten des schon knappen und unterfinanzierten Wissenschaftshaushaltes und lässt die Universität auf den Mehrkosten sitzen.“ Bürgermeister Bovenschulte gehe es offenbar allein darum, „kurzfristig einen Erfolg zu vermelden“. Zudem gebe der Landesbank-Bau die Einrichtung eines Hörsaals nicht her. Imhoff: „Eine Universität ohne Hörsaal klingt nach einem Schildbürgerstreich. Die Pläne des Senats sind nicht zu Ende gedacht.“
„Wenn es nach Imhoff geht, würde gar nichts vorankommen“, keilt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Falk Wagner, zurück. Die Pläne des Senats seien ein „Meilenstein in der Innenstadtentwicklung“. Zu den Themen Hörsaal und Folgekosten: „Es liegt doch auf der Hand, dass alle weiteren Bausteine auf diesem Weg Schritt für Schritt angegangen werden. Mit Kleinmut kann man dieses Land nicht regieren.“
Bremer City-Campus: Finanzierung wirft noch Fragen auf
Begeisterung auch bei den Grünen. „Gegenüber dem Ursprungsplan des Bürgermeisters, die Uni an den Brill zu bringen, steht mit dem ehemaligen Landesbank-Gebäude jetzt endlich ein wesentlich realistischerer Standort zur Verfügung“, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Solveig Eschen. „Nicht zuletzt kann sich die Universität in dieser zentralen Lage noch mehr für die Stadtgesellschaft öffnen. So sieht das Konzept unter anderem vor, die ehemalige Kassenhalle für öffentliche Vorträge, Ausstellungen und andere Veranstaltungen zu nutzen.“
Ach ja, das Geld. Nun, was kümmert‘s die Grünen. Da soll sich mal schön das SPD-geführte Wissenschaftsressort drum kümmern. Eschen jedenfalls erklärt, dass das Ressort mit Blick auf die Miete für ein nachhaltiges Finanzierungskonzept sorgen müsse: „Aufgabe des Wissenschaftsressorts ist es nun, die noch unklare Finanzierung ab 2024 zügig sicherzustellen. Ein tragfähiges Finanzierungskonzept ist unbedingte Voraussetzung für das Gelingen des Projektes.“ Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht übrigens fordert ebenfalls, dass der Senat die Frage der Finanzierung „schnellstmöglich sauber und verlässlich“ klärt.
Bremer Jura-Studenten müssen erst einmal pendeln
Die Linken bejubeln die Pläne als „denkwürdigen Schritt“, sehen das Finanzierungsproblem auch und regen schon mal eine Erhöhung der Haushaltstitel im nächsten Doppelhaushalt an, Bremen hat‘s ja. Miriam Strunge, hochschulpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion: „Die Kosten der Anmietung sind nicht aus dem regulären Wissenschaftshaushalt zu stemmen. Der Teilumzug darf nicht zulasten der Forschung und Lehre oder Sanierungen gehen.“ Auch die Hörsaal-Frage müsse gelöst werden: „Wir erwarten vom Senat, dass er alle Anstrengungen unternimmt, um einen entsprechend großen Raum nahe dem Domshof zu finden, damit die relativ langen Wege zum Campus in Horn-Lehe vermieden werden können.“
Erst einmal wird es diese Wege aber geben, sprich: die Jura-Studenten werden als Interimslösung zunächst zwischen Domshof und Hörsaal auf dem Uni-Campus pendeln müssen – und so vor allem Radwege und Straßenbahnen beleben, weniger die Innenstadt. „Mittelfristig“ habe man Hörsaal-Lösungen im Metropoltheater (Richtweg) oder im Konzerthaus Glocke (Domsheide) im Blick, so Wissenschafts- und Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) am Dienstag. Und langfristig? Zu der Frage wolle man Diskussionen und Verhandlungen nicht über die Medien führen, so Bürgermeister Bovenschulte. Es gebe eine „hohe Dynamik in der Innenstadt“. Das Motto aber sei: „Erst prüfen, dann darüber reden.“ Aha.
Kommentar zum Thema von Thomas Kuzaj:
Ein Projekt für den Wahlkampf
Luftschlösser, Ankündigungen, Absichtserklärungen – keine Realität. Ein Vorwurf, der dem rot-grün-roten Bremer Senat gern gemacht wird, wenn es um Zukunftspläne geht. Deshalb nun wohl die Eile beim Vorantreiben des Uni-Umzugs ins ehemalige Landesbankgebäude. Vor dem Wahltermin am 14. Mai soll es doch noch etwas Vorzeigbares geben, etwas Konkretes – nicht zuletzt mit Blick auf eine Neubelebung der Innenstadt.
Interessant ist, was parallel geschieht. Die bremische Realität drängt sich brutal ins Bild, sprich: Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), gerade erst vom Skandal um ungeöffnete Briefe und unbearbeitete Akten im Sozialzentrum Vahr betroffen, fliegen überhöhte Mietkosten für Flüchtlingsunterkünfte um die Ohren, sie muss öffentlich Fehler einräumen. Fragwürdiger Umgang mit Geld auch im Ressort von Verkehrssenatorin Maike Schaefer (ebenfalls Grüne): Die Fahrrad-Premiumroute entlang der Wallanlagen kommt Bremen deutlich teurer zu stehen als gedacht. Zusätzliche Belastungen von deutlich mehr als zwei Millionen Euro stehen in Rede.
Warum? Das Ressort der grünen Spitzenkandidatin hatte Fördergelder für den „Wall-Ring“ beim Bund doppelt beantragt. Berlin fördert Projekte aber nicht doppelt. . . Peinlich für die Spitzenkandidatin – erst legt sie mit Verkehrsexperimenten lange Zeit weite Teile der Innenstadt lahm; dann klappt‘s mit ihren Prestigeprojekten nicht mal. Apropos Prestige. . . Schaefers Fahrradbrücken über die Weser sind auch noch nicht zu sehen.
Luftschlösser also. Die Realität holt einen immer wieder ein, das gilt auch für den Teilumzug der Uni. Finanzierung nicht völlig geklärt, Hörsaal noch nicht gefunden – nicht undenkbar, dass sich auch dieses Projekt einmal als Luftschloss erweist. Natürlich erst nach der Wahl.