Die Rückkehr des Staunens

Bremen - Von Thomas Kuzaj. Ein „Kaiserattentäter“, das „Tefifon“ und ein Mann, der Schiete zu Gold macht – lauter Themen einer Ausstellung, die heute um 17 Uhr in der Ring-Galerie der Zentralbibliothek (Am Wall, früheres Polizeihaus) eröffnet wird. Ihr Titel: „Da staunt die Maus – Bremer Visionen und Legenden“.
Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt von sechs Bremer Museen, die sich mit Themen und Aspekten der Alltagsgeschichte beschäftigen – und ohne Mittel der Kulturförderung auskommen müssen. Die als Wanderausstellung konzipierte Schau soll für sie werben. „Neue Besuchergruppen gewinnen“, wie Achim Tischer (Krankenhausmuseum) sagt.
„Die Idee für ein Gemeinschaftsprojekt entstand im Januar 2012.“ Es galt, ein gemeinsames Thema zu finden. Altes Pumpwerk, Dommuseum, Hafenmuseum (Speicher XI), Krankenhausmuseum, Rundfunkmuseum und Schulmuseum einigten sich auf „Visionen und Legenden“. Jedes Haus bringt dazu ein Beispiel aus seinem Bestand in die Ausstellung ein.
Verbindendes Element ist die Maus, die in der Zentralbibliothek bis zum 7. Dezember staunen wird. Auch sie geht auf eine Legende zurück – auf die Legende von der Dom-Maus. „Unser Besuchermagnet“, sagt – nicht ohne eine Spur des Erstaunens – Dr. Henrike Weyh, die Leiterin des Dommuseums. Der Dom sei ein Haus „voller Kunstschätze“, aber Scharen von Besuchern fragten nach der Dom-Maus. Zu sehen ist sie auf einem kleinen Relief im südlichen Winkel des Ostchors. Armes Kirchenmäuschen, Scherz eines Steinmetzen – so wird die Maus Touristen gern erklärt.
Legende, sagt Henrike Weyh. „Mäuse galten im Mittelalter als Schädlinge, die Vorräte vertilgen.“ Das Maus-Relief war ursprünglich Teil einer Außenwand des oft umgebauten Doms. „Die Maus war ein Bannzeichen gegen das Böse.“
Die Ausstellungsbeiträge der einzelnen Museen verbindet ein weiterer Aspekt – das Grundthema des Unvollendeten und des Scheiterns zieht sich durch die Schau der „Visionen und Legenden“. Beiläufig bringen sie eine alte Museumstugend wieder ins Spiel – den Besucher staunen zu lassen.
· Das Alte Pumpwerk taucht ein in eine Episode der Bremer Abwassergeschichte. Ende des 19. Jahrhunderts stellte der Unternehmer Heinrich Alfes („Schieten-Alfes“) aus menschlichen Fäkalien Düngebriketts für die Landwirtschaft her. Er wurde damit Millionär, musste die Fabrik in der Neustadt aber schließen, weil es den Nachbarn stank.
· Das Dommuseum präsentiert den frühen Traum einer Transplantation. Das „Beinwunder“, die Darstellung einer Operation der beiden Arztheiligen Cosmas und Damian. Transplantationen im Mittelalter? Gab es natürlich nicht.
· Das Hafenmuseum zeigt die 60er-Jahre-Vision des großen Neustädter Hafens mit fünf Becken – nur eines davon wurde dann gebaut.
· Das Krankenhausmuseum erinnert an den Bremer „Kaiserattentäter“ Johann Diedrich Weiland (1881 bis 1939). Er hatte ein Eisenstück geworfen, das Kaiser Wilhelm II. bei einem Bremen-Besuch verletzte. Der Grund war ein epileptischer Anfall Weilands, der sein Leben danach in der Psychiatrie verbringen musste.
· Das „Tefifon“ aus dem Bestand des Rundfunkmuseums war eine Erfindung mit enormer Schall-Speicherkapazität, seiner Zeit aber offenbar so sehr voraus, dass es sich nicht durchsetzte.
· Das Bremer Schulmuseum beleuchtet die gescheiterten Versuche, die Kunstsprache Esperanto zu etablieren.