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Mittelstand trifft auf Geist des Silicon Valley: Interview mit Jörg Freiling

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Prof. Jörg Freiling ist Organisator des Bremer Unternehmertags. Diesmal geht es um das Thema „,German Mittelstand’ und Silicon Valley – ein paarbares Mindset?“ - Foto: Rehling/Universität Bremen
Prof. Jörg Freiling ist Organisator des Bremer Unternehmertags. Diesmal geht es um das Thema „,German Mittelstand’ und Silicon Valley – ein paarbares Mindset?“ © Rehling/Universität Bremen

Bremen - Von Martin Kowalewski. Morgen, Donnertag, widmet sich der Bremer Unternehmertag 2018 von Universität, Jacobs-Universität und Handelskammer dem Thema „,German Mittelstand’ und Silicon Valley – ein paarbares Mindset?“. Können diese verschiedenen Mentalitäten, auf der einen Seite gespeist aus langer Erfahrung und fester Tradition, auf der anderen Seite begeistert von der technischen und ökonomischen Revolution und offen fürs Risiko, miteinander etwas auf die Beine stellen?

Im Haus der Wissenschaft und im Schütting stehen für die Teilnehmer Vorträge und Diskussionen auf dem Programm. Wir sprachen im Vorfeld mit dem Organisator Prof. Jörg Freiling über das Thema des Bremer Unternehmertags.

Sie bezeichnen den deutschen Mittelstand und auch Start-ups mit „Silicon-Valley-Mindset“, also mit einer Mentalität wie bei den Pionieren im Silicon Valley, als Erfolgsmodelle. Kann man das so auf Deutschland übertragen? Hier haben viele das Schicksal der New Economy Anfang des Jahrtausends in nicht so guter Erinnerung.

Jörg Freiling: Wenn man auf das Silicon Valley guckt und auf das, was da in den vergangenen 50 bis 60 Jahren entstanden ist, sieht man, es hat die ganze Weltwirtschaft in beeindruckender Weise erneuert. Dort ansässige, dynamische Großbetriebe wie Amazon, Apple, Facebook und Google haben gelernt, sich so aufzustellen, dass sie wirtschaftlich sehr gut funktionieren. Das ist in den 2010ern zu uns über den Teich geschwappt. Auch hier ist man angetan von der Idee eines „Start-Up-Ökosystems“, in dem sich Leute tummeln, die gerne mal über den Tellerrand ihres Unternehmens hinausschauen.

Passen denn junge Start-up-Gründer mit einer Mentalität wie im Silicon Valley und festverwurzelte deutsche Mittelständler gut zusammen? Schaffen die es, miteinander auszukommen?

Freiling: Ihre Frage ist absolut berechtigt. Man kann sich da zunächst hinstellen und erstmal mit dem Kopf schütteln. Der Mittelstand ist erfahren, traditionsverwurzelt und ihm fehlt nichts. Man fragt sich, warum braucht der eigentlich irgendjemanden? Doch auch er steht vor Problemen. Wir leben schließlich im Zeitalter der digitalen Transformation. Die bisherigen Marktfaktoren gibt es nicht mehr. Alles ist schneller, komplexer und auch unsicherer geworden. Es gibt kein Zurück mehr. Auf Disruptionen, also revolutionär veränderte Geschäftskonzepte, die alte Märkte zusammenbrechen und neue entstehen lassen, sind die Mittelständler nicht besonders gut vorbereitet. Sie sind durchs Stammgeschäft ausgelastet. Doch wie kommen sie in ein neues Geschäft rein? Da sind Start-ups diejenigen, die den zündenden Funken liefern. Sie halten sich an keine Branchengrenze. Das taten sie schon im Silicon Valley nicht. Es macht Sinn, mit denen zu kooperieren. Die Innovationsergebnisse sind ganz andere, als wenn man das im eigenen Haus macht. Das heißt nicht, dass der Mittelständler uninnovativ ist. Er denkt nur im Rahmen einer Evolution, nicht einer Revolution.

Das gibt aber doch bestimmt Irritationen, wenn diese beiden verschiedenen Mentalitäten aufeinandertreffen?

Freiling: Oh, ja. Das fängt schon an, wenn man aufs Tempo blickt. Die Mentalitäten sind einfach ungleich getaktet. Mittelständler sind nicht langsam. Sie machen nichts komplizierter als nötig. Start-ups sind aber im Vergleich dazu Turbo-Aggregate. Sie haben eine hohe Risiko-Neigung. Mittelständler setzen aufs kontrollierbare Risiko. Start-ups handeln nach der Maxime „Scheitere schnell. Scheitere vorwärts“. Der erste Aufschlag ist bloß eine Übung. Sie lernen beim Scheitern. Es ist selten, dass der erste Schuss ins Ziel geht. Scheitern gehört zur Geschäftsentwicklung. Zwischen den beiden Mentalitäten liegt schon eine Menge Wasser.

Auf welchen Vortrag oder welche Diskussion beim Unternehmertag freuen Sie sich besonders?

Freiling: Schwer zu sagen. Das hängt so ein bisschen von der Brille ab, die man aufsetzt. Carsten  Horn von Cinemaxx ist zum Beispiel ein echter Etablierter. Aber auch sein Geschäft kann ihm von einem Tag auf den anderen um die Ohren fliegen. Für ihn ist es wichtig, Treiber und nicht Getriebener zu sein. Auch er muss sich Konkurrenten wie Netflix oder Amazon vom Hals halten.

Lehrstuhl für Mittelstand 

Ökonom Prof. Dr. Jörg Freiling (54) leitet den Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship an der Universität Bremen. Dort ist er zugleich Prodekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft. In der Forschung widmet sich Freiling transnationalen Gründungen und Gründungsökosystemen, in der Gründungslehre setzt er auf projektorientiertes Lernen und inverse Klassenraumkonzepte. Im Bereich Wissenschaftstransfer organisiert er unter anderem Veranstaltungen wie den Bremer Unternehmertag und ist Mitglied des erweiterten Vorstands der „Business Angels“ Weser-Ems-Bremen, die Investoren und junge, wachstumsstarke Unternehmen zusammenbringen. www.lemex.uni-bremen.de

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