Lloyd wollte neuen Liner vom Bremer Vulkan

Bremen - BREMEN (eb) · Der Norddeutsche Lloyd (NDL) hätte den Nachkriegs-Passagierdienst Bremerhaven-New York gern mit einem Neubau begonnen statt sich Anfang 1954 mit der 30 Jahre alten „Gripsholm“ zu begnügen, der späteren „Berlin“. Das zeigt die Recherche des Schifffahrtshistorikers Harald Focke, die das „Bremische Jahrbuch“ jetzt veröffentlicht hat.
„Im Sommer 1953 beauftragte der Lloyd den Bremer Vulkan in Vegesack mit dem Entwurf eines Nordatlantik-Liners“, sagt Focke. „Im Herbst lag das Konzept eines gut 20 Knoten schnellen und 180 Meter langen Motorschiffs für rund 1 000 Passagiere auf dem Tisch.“ Der Clou: Der Schornstein war nur Attrappe; die Abgase sollten durch weit hinten stehende schmale Pfosten entweichen. Kein Rauch hätte die Fahrgäste an Deck belästigt. Das Projekt scheiterte am Preis: 70 Millionen DM waren dem NDL auch zum möglichen Liefertermin an seinem 100. Geburtstag im Februar 1957 zu viel.
Das gescheiterte Projekt blieb unbekannt; die Pläne des Vulkan galten jahrzehntelang als verschollen. Focke: „Ich habe von dem Projekt zufällig durch den damaligen Schiffsinnenarchitekten der Werft, Joachim Buchwald, erfahren. Seine Suche nach einer Skizze in seiner Sammlung blieb jahrelang erfolglos. Doch im August 2008 lag plötzlich eine Zeichnung von 1953 in meinem Briefkasten. ‚Verloren geglaubt, doch wiedergefunden!’, stand auf der Rückseite.“
Focke suchte weiter nach Material, obwohl er wusste, dass nicht verwirklichte Pläne der Werft irgendwann im Reißwolf landen. Auch im Bremer Staatsarchiv war man skeptisch: Man habe 1997 nach der Vulkan-Pleite nur Teile des Archivs übernommen, aber wahrscheinlich keine Konzepte. Am nächsten Morgen klingelte Fockes Telefon: „Ich glaube, ich habe, was Sie suchen“, meinte Adolf Hofmeister vom Staatsarchiv. Das war für Focke ein nicht mehr erwarteter Glücksfall. Nur deshalb lässt sich ein wichtiges Bremer Schiffbauprojekt mehr als 50 Jahre nach seiner Entstehung dokumentieren und in die lokale Werft- und Reedereigeschichte sowie die internationale Passagierschifffahrt einordnen.
Der Bassumer: „Der Vulkan-Vorschlag kann technisch und optisch bestens bestehen. Das lässt sich aufgrund der Silhouette, der Deckgrundrisse und der vorliegenden technischen Daten beurteilen. Der Lloyd hätte sich mit diesem modernen Liner im Vergleich zur internationalen Konkurrenz auf dem Nordatlantik und bei Kreuzfahrten zweifellos sehen lassen können, selbst auf längere Sicht bis 1980.“
Vulkan-Architekt Buchwald aber gefiel der konservativ wirkende Entwurf nicht. Auf eigene Faust legte er eine besonders elegante, yachtähnliche Alternative als Holzmodell vor. Doch auch diese Idee hatte keine Chance – sie wäre noch teurer gewesen.
Der renommierte Hamburger Schiffszeichner Karsten Kuno Krüger-Kopiske hat sowohl den offiziellen Vulkan-Entwurf als auch Buchwalds Gegenvorschlag erstmals in den Farben des NDL speziell für Fockes Aufsatz „Projekt 6/53“ im „Bremischen Jahrbuch“ gezeichnet.