Bremen: Ist Angeklagter ein Laufbursche mit Bankvollmacht?

Der Prozess um die Veruntreuung von Arbeitslöhnen in Millionenhöhe ist am Mittwoch in Bremen fortgesetzt worden. Der 34-jährige Hauptangeklagte sagte aus.
Bremen – Er war kurz Geschäftsführer, danach Bankbevollmächtigter für zwei „Scheinfirmen“, wie er sie nennt: Am Mittwoch hat im Prozess um die Veruntreuung von Arbeitslöhnen einer der Angeklagten ausgesagt. „Am Anfang wusste ich nicht, um was es sich handelt“, sagt der 34-Jährige aus Hameln zu dem Konstrukt aus Subunternehmen, Schwarzarbeit und Geldflüssen.
Er ist hauptsächlich als Geldbeschaffer unterwegs, hebt meist fünfstellige Barbeträge bei Geldinstituten ab, bei denen die von ihm gegründete Firma („den Namen konnte ich mir aussuchen“) Geschäftskonten unterhält. Anfangs Geschäftsführer, ist er ein paar Wochen später nur noch Bankbevollmächtigter. Pro Transaktion erhält er anfangs 100 Euro. „Dafür musste man immer abrufbereit sein“, sagt er.
Die fünf Männer und eine Frau haben, so die Anklageschrift, die Haupttäter mit unterschiedlicher Beteiligung dabei unterstützt, von Januar 2019 bis April 2022 Arbeitnehmer entweder gar nicht oder in zu niedrigem Umfang in der Sozialversicherung und beim Finanzamt angemeldet haben.
Fünf Männer und eine Frau sind ebenfalls angeklagt
Einer der Haupttäter war demzufolge ein 57-jähriger ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter. Seine Baufirma in Bremen sparte durch die falsche Anmeldung Lohnsteuer, Renten- und Krankenkassenbeiträge. Die Arbeitnehmer, teilweise auf „Scheinfirmen“ wie die des 34-Jährigen aus Bad Münder angemeldet, erhielten ihren „Schwarzlohn“ in bar ausgezahlt, nachdem die Scheinfirmen dem Bremer Bauunternehmen Rechnungen gestellt, aber keine Leistung dafür erbracht hatten.
Die Baufirma des 57-Jährigen zahlte, der 34-Jährige hob nach Anweisung eines Mittäters (36) die gezahlten Beträge wieder ab. Das Bargeld wurde nach Bremen gebracht und verschiedenen Empfängern ausgehändigt. Insgesamt soll ein Gesamtschaden von knapp 3,5 Millionen Euro entstanden sein.
Gesamtschaden: 3,5 MIllionen Euro
Der Angeklagte wirkt oft fahrig bei seinen Ausführungen. Er kann sich nicht gut erinnern – oder er will niemanden der anderen Angeklagten belasten. Sein 36-jähriger Mittäter („das war mal mein bester Freund“) habe ihn angesprochen und ihm jeweils die Anweisungen gegeben, was zu tun war. Eine Firma zu gründen, zum Beispiel. Die JPM (gesprochen Dschei Pi Emm) GmbH zum Beispiel. „Den Namen konnte ich mir selbst aussuchen“, sagt der 34-Jährige. Ansonsten war er nach seiner Darstellung eine Art Laufbursche; er hob das Geld vom Konto ab oder hol-te die Post aus dem Büro der Firma. Nachdem die JPM nach Kontrollen vom Zoll aufgelöst war, ist er für die Stefan GmbH (Nienburg) tätig. Als er den Mitangeklagten (36) bei der Rückführung des Bargeldes nach Bremen begleitet, sieht er, wer das Geld entgegennimmt: Es ist der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete.
Der 34-Jährige hatte bereits im Ermittlungsverfahren vor einer Richterin ausgesagt. Seinerzeit hatte er noch Personen erfunden, um seine Mitangeklagten nicht zu verraten. Dass er nun in schlechter Verfassung aussagt, erklärt sein Verteidiger: Er habe die ganze Nacht aus Angst vor dem Termin nicht geschlafen, weil er am vergangenen Verhandlungstag von jungen Männern, die im Zuhörerraum sitzen, angerempelt und bespuckt wurde. Als er das sagt, feixen und lachen einige der Männer.