Harms-Prozess: „Die Kosten haben uns fast in den Ruin getrieben“

Bremen - Von Ralf Sussek. Der Harms-Prozess steht kurz vor seinem Ende. Am Mittwoch wurde bekannt, dass am Donnerstag plädiert und am Freitag das Urteil verkündet werden soll. Den letzten, an Verzweiflung grenzenden Antrag der Staatsanwaltschaft, einen weiteren Zeugen zu vernehmen, wies das Gericht zurück.
Es fehle an der notwendigen Bestimmtheit des Antrags, sagte die Vorsitzende. Das Gericht hatte nun nur noch prüfen müssen, ob im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die Vernehmung des Zeugen neue Erkenntnisse gebracht hätte. Es ging um das mögliche Motiv Hans Eulenbruchs. Polizei und Staatsanwaltschaft waren von Beginn der Ermittlungen davon ausgegangen, dass der Inhaber von „Harms am Wall“ in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte.
Ein Wirtschaftsprüfer hatte im Prozess die Abschlüsse von Eulenbruchs Firmen geprüft und das Unternehmen für gesund befunden. Die Zahlen seien aber nur deshalb so gut, so die Staatsanwaltschaft, weil bei zwei Versicherungsschäden in den Jahren 2011 und 2013 eine „Überkompensation“ stattgefunden habe, im Klartext: Eulenbruch hat mehr Geld bekommen, als ihm zustand. Der Sachverständige habe das aber nicht so beurteilt, so die Kammer. Die Einvernahme eines weiteren Zeugen brächte daher keine neuen Erkenntnisse.
Gegen den früheren Geschäftsführer von „Harms am Wall“, Hans Eulenbruch, und seinen Bekannten Thomas M. wird seit Anfang August des vergangenen Jahres verhandelt. Den beiden Männern wird unter anderem schwere Brandstiftung und Versicherungsbetrug vorgeworfen. Sie sollen am 6. Mai 2015 einen Raubüberfall vorgetäuscht und das Gebäude in Brand gesetzt haben, um Geld für zerstörtes Inventar zu kassieren und so die angespannte Finanzlage aufzubessern.
Prozess bringt Eulenbruch in Schieflage
Wirtschaftliche Schwierigkeiten hat Eulenbruch aber erst seit den Ermittlungen gegen ihn. Die Kosten des Prozesses „haben uns fast in den Ruin getrieben“, sagte Eulenbruch am Mittwoch, als er nach seinen persönlichen Verhältnissen befragt wurde. Nach der Übernahme von „Harms am Wall“ (Eulenbruch: „Damals kurz vor der Pleite“) habe man in den folgenden Jahren den „Turnaround“ geschafft.
Er als Geschäftsführer und seine Frau als Prokuristin verdienten gutes Geld, fuhren beide Firmenwagen. „Nach dem Brand haben sich diese Dinge wesentlich verändert“, sagte Eulenbruch. Er musste mit seiner alten Firma Insolvenz anmelden, viele Mitarbeiter entlassen. „Ich musste mein Versprechen, dass ich bei der Übernahme gegeben habe, dass es keine Entlassungen geben wird, brechen“, berichtete er stockend.
Neues Geschäft läuft in kleinerem Rahmen
Nun, in kleinerem Rahmen, läuft das neue Geschäft wieder. Aber seine Frau ist nun arbeitslos, für Investitionen in den neuen Laden und die bisherigen Prozesskosten musste er Immobilien verkaufen, seine Rentenversicherung und die seiner Frau („mit großen Verlusten“) auflösen und das eigene Haus bis an die Schmerzgrenze belasten.
Sorgen, die sein Mitangeklagter Thomas M. erst gar nicht hat – seine finanzielle Lage ist seit Jahren schlecht, berichtet er. Einen Insolvenzantrag konnte er bisher nicht stellen, weil die Polizei seine Unterlagen dafür im Zuge der Ermittlungen mitgenommen hat. Seine Steuerakten seien beim Finanzamt Hannover verschwunden.
Seine beste Zeit hatte er als Detektiv mit eigener Firma und zeitweise bis zu 25 Mitarbeitern. Nun hat er beim Fiskus rund eine Million Euro Schulden („davon 300.000 Euro Zinsen“), mit seiner neuen Firma 2015 „durch die Verhaftung einen großen Auftrag verloren“.
Angesichts all dessen dürften sich die Angeklagten auch im Falle eines Freispruchs nicht als Gewinner fühlen.