1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bremen

Jugendliche stören Kinderdisco im Bremer „Paradice“: Augenzeugin schildert beängstigende Szenen

Erstellt:

Von: Elisabeth Gnuschke

Kommentare

Die Auseinandersetzungen bei der Kinder-Eisdisco im „Paradice“ in Walle beschäftigen nicht mehr nur die Bremer Polizei sowie Betroffene, die vor Ort waren, sondern inzwischen auch die Politik.
Die Auseinandersetzungen bei der Kinder-Eisdisco im „Paradice“ in Walle beschäftigen nicht mehr nur die Bremer Polizei sowie Betroffene, die vor Ort waren, sondern inzwischen auch die Politik. © Kowalewski

Zahlreiche Jugendliche haben am Sonnabend die Kinderdisco in der Eislaufhalle „Paradice“ in Bremen-Walle gestört. Es kam zu Schlägereien und Körperverletzungen. Wir haben mit einer Augenzeugin gesprochen.

Bremen – Svenja Ehlers ist immer noch aufgebracht, sie ist geschockt und sauer. Was sie so beschäftigt, sind die Schlägereien während der Kinder-Eisdisco im „Paradice“. Sie und ihr Partner John Klinger beschützten gar, wie sie erzählt, ein Kind vor einer Gruppe von Jungen. „Der Junge und seine Hilfeschreie gehen mir nicht mehr aus dem Kopf“, sagt Ehlers.

Es hätte ein netter Abend für ihre Tochter Mia (12) und ihre Nichte Hanna (14) bei der Eisdisco für Kinder in der Eislaufhalle in Walle werden sollen. Svenja Ehlers (35) und ihr künftiger Mann brachten die Kinder zum „Paradice“, berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Ab zwölf Jahren durften die Kids allein in die Halle, die es seit 25 Jahren gibt. Fast ebenso lange werden dort Eisdiscos veranstaltet, noch nie gab es dabei nach Angaben der Bremer Bäder-Gesellschaft solche Auseinandersetzungen wie am Sonnabend. Sie endeten mit einem großen Polizeieinsatz, mit Ermittlungen unter anderem wegen Diebstahls und Körperverletzung.

Schlägereien bei Eisdisco für Kinder: Gedränge am Eingang

Ehlers wunderte sich über die „Riesenschlange“ vor dem Eingang, über Kinder, die sich vordrängeln wollten. Irgendwann, nach fast einer Stunde, hatten die beiden Erwachsenen die Mädchen nach drinnen begleitet. Kontrollen soll es in dem Gedränge nicht gegeben haben, moniert die 35-Jährige. Allerdings: Es war eine Kinderdisco. Wie alt waren die jungen Besucher? „Im Schnitt 14, 15 Jahre alt“, sagt sie. Das Paar verabschiedete sich, fuhr in die Nähe zum Essen, war gegen 21.45 Uhr – die Disco sollte bis 22.30 Uhr gehen – zurück. „Da habe ich mich gewundert, dass draußen so viel los war“, erinnert sich die im Umland lebende Frau. „Mindestens 80 bis 90“ Kinder mit Migrationshintergrund, fast alle Jungen, sollen sich dort aufgehalten haben. Auch die Bäder-Gesellschaft hatte gesagt, dass der Ärger von Jungen ausgegangen sei, die nicht Deutsch sprachen.

„Dann kam eine weitere Horde aus der Eislaufhalle gerannt, die Polizei hinterher“, schildert Ehlers die Szenerie weiter. Zielrichtung: Straßenbahnhaltestelle, die Situation: völlig unübersichtlich. Ehlers’ erster Gedanke: „Lass uns sofort die Kinder holen.“

Ausschreitungen im „Paradice“ Bremen: Paar beschützt Kind vor Jungen

Doch da lief aus einem Pulk von 30 bis 40 Jungen, so Svenja Ehlers, ein Kind in ihre Richtung. „Lasst mich in Ruhe! Hilfe, Hilfe!“, schrie der Junge, ein paar junge Migranten rannten ihm hinterher, erzählt sie. „Wir haben ihn abgeschirmt, der Mob drehte dann ab.“ Hilfreich war wohl, so meint sie, dass ihr Freund John Klinger Profi-Wrestler ist und eine entsprechende Ausstrahlung hat. Der Junge, so sagt sie, zitterte, das Paar beschützte ihn. „Die hatten ein Messer, die wollten mich abstechen“, sagte Ehlers’ Worten zufolge das völlig verängstigte Kind. Die Schreie des Jungen hat sie noch immer im Kopf. Dann kam der Bruder des Kleinen und kümmerte sich.

Und endlich erreichte Svenja Ehlers auch ihre Tochter Mia auf dem Handy. Mit Hilfe des DJs gelangte das Paar in die Halle und konnte endlich die Mädchen in die Arme schließen. Die hatten sich vor den Schlägereien in Sicherheit gebracht. Ins „Paradice“ dürfen sie erstmal nicht mehr. So äußern sich inzwischen übrigens mehrere Eltern.

Die 35-Jährige will sich das künftige Konzept, wie solche Ausschreitungen verhindert werden sollen, zunächst anschauen. „Es hat auch nichts mit Rassismus zu tun, wenn künftig beim Einlass genauer hingeschaut wird“, betont sie. Schon vor dem Eingang sei das Benehmen der Jungen aufgefallen. Anders als Mia und Hanna zahlten sie keinen Eintritt, sondern hatten die Freikarte Bremen dabei. Die spendiert die Stadt allen in Bremen lebenden Kindern. Das Guthaben von 60 Euro lässt sich an vielen Veranstaltungsstätten einlösen.

Zurück in die Eishalle: Hier sei beobachtet worden, dass einige der Störer Messer dabei hatten, sagt Mias Mutter. Sie fragt sich: „Wie soll das weitergehen?“

Schlägereien im „Paradice“: Lebhafte Diskussionen im Netz

In sozialen Netzwerken werden die Vorfälle lebhaft diskutiert. So schreibt der DJ, der auflegte: „Es war eine völlige Katastrophe! Echt traurig geworden alles.“ Ein anderer: „Wo in Bremen läuft es nicht aus dem Ruder?? Wie der Herr, so’s Gscherr...“ Es ist die Rede von „Bremer Zuständen“ und einem „ganz normalen Tag in Walle“. Eine Frau fordert: „Endlich mal härter durchgreifen, das kann doch alles nicht mehr wahr sein.“ Und eine Userin befürchtet: „Im Sommer sind die Freibäder wieder dran.“

Bäder-Gesellschaft und Polizei beraten über neues Konzept

Die kommunale Bäder-Gesellschaft, die sich ebenfalls völlig geschockt über die aus den Fugen geratene Situation zeigte, hatte bereits am Montag angekündigt, Veränderungen beim Einlass vorzunehmen. Es werde beraten, wie man Besucher und Mitarbeiter künftig vor solchen Angriffen schützen könne. An den Gesprächen wird auch die Polizei beteiligt sein, sagte Polizeisprecherin Franka Haedke. Man werde sich zusammensetzen, um die Geschehnisse nachzubereiten und Hilfestellungen für die Zukunft zu geben. Zunächst einmal müssten die Vorfälle genau analysiert werden. Man müsse herausfinden, wie sich die Lage entwickelt habe, ergänzte Polizeisprecher Nils Matthiesen.

Die Ermittlungen nach den komplexen Geschehnissen hat jetzt die Kripo übernommen, sagte Haedke. Für die Polizei war es ein Großeinsatz, die ersten Beamten hätten Verstärkung gerufen, nachdem die Stimmung sich aufgeheizt, die Lage sich nicht beruhigt habe. Insgesamt seien 30 Polizisten im Einsatz gewesen. Kaum hätten die Beamten Streitereien an einer Ecke beruhigt gehabt, sei es an anderen Stellen zu Auseinandersetzungen gekommen, auch draußen vor der Tür, hieß es am Montag von der Polizei.

Insgesamt schrieben die Polizisten diverse Anzeigen, erteilten zahlreiche Platzverweise, notierten Personalien von Beteiligten, Tatverdächtigen und Opfern. Zwei Minderjährige nahmen die Polizisten mit zur Wache. Auf Nachfrage teilte die Polizei am Mittwoch mit, dass es sich bei ihnen um zwei 15-jährige Jungen aus Syrien handelt. Laut Haedke werden nach wie vor Zeugen gesucht, die etwas zu den Tatverdächtigen sagen können oder selbst betroffen sind. Hinweise an die Kripo unter Telefon 0421/362-3888.

Bremen: Angriffe von Jungen auch an der „Waterfront“

Bestätigt hat die Polizei am Mittwoch, dass es dieser Tage auch am Einkaufszentrum „Waterfront“ zu Angriffen gekommen ist. Diese waren laut Ehlers auch an der Eishalle ein Thema. Vor der „Waterfront“ sollen sich laut Polizei ein 40-Jähriger und seine Freundin gestritten haben. Sechs bis acht Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen auf das Paar zugelaufen sein, sich eingemischt und den Mann geschubst haben. Der Mann sei in die Shopping-Mall geflüchtet, die Jungen hinterher. Laut Polizei schubsten sie ihn erneut und traten ihn. Der 40-Jährige wurde leicht verletzt, die Angreifer flüchteten angesichts der Security, hieß es. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Randale in Eishalle: Integrationssenatorin will Aufklärung und Konsequenzen

Zu den Vorfällen rund um die Eislaufhalle hat sich am Mittwoch auch Sport- und Integrationssenatorin Anja Stahmann (Grüne) zu Wort gemeldet. Angesprochen auf den Migrationshintergrund der jungen Störer, hielt sie sich zwar bedeckt, sie wolle zunächst die Ermittlungen abwarten. Aber sie forderte: „Die Auseinandersetzungen in und um die Eislaufhalle ,Paradice’ müssen rückhaltlos aufgeklärt werden, es kann nicht sein, dass Familien und Kinder sich in unseren Einrichtungen nicht sicher fühlen.“ Gemeinsam mit der Innenbehörde will sich die Senatorin nun ein genaues Bild von den Ereignissen verschaffen „und daraus, falls erforderlich, Konsequenzen ziehen“.

Auch interessant

Kommentare