Handel, Handwerk, Kunden: Das fordern Experten für die Bremer Innenstadt
Das Aktionsbündnis Innenstadt hat ein neues Programm vorgestellt. Es geht um die Frage, was es braucht, um die Zukunft der Bremer City zu sichern.
Bremen – Was braucht es, um die Bremer City fit für die Zukunft zu machen? Das Aktionsbündnis Innenstadt – das Vertreter aus Wirtschaft, Investoren sowie Arbeitnehmer und Architekten vereint – hat nun ein Papier vorgelegt, in dem festgehalten wurde, was es ihrer Meinung nach für eine „zukunftsträchtige und innovative Bremer Innenstadt“ braucht.
Die City der Hansestadt stehe dabei aktuell vor „enormen Herausforderungen“, so die Experten. Sie müsse sich wandeln und sich neu positionieren. So hätte der Senat der Hansestadt seit dem Innenstadt-Gipfel am 15. Juli 2020 bereits einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, von denen einige Einzelaktionen – wie etwa der Concept-Store-Wettbewerb und die Lichtkunst zu Weihnachten – auch zu begrüßen seien.
Das fordern Experten für die Bremer Innenstadt: Handel, Handwerk, Kunden
„Jedoch fehlen wirkliche städtebauliche und immobilienwirtschaftliche Leuchtturmprojekte mit Signalwirkung“, stellt das Aktionsbündnis Innenstadt fest. Der Senat müsse daher diese Rahmenbedingungen schaffen, „sowie einen ganzheitlichen, ressortübergreifenden Masterplan für die Innenstadt anstoßen und zügig vorantreiben.“
Ein wichtiger Bestandteil demnach: die Aufenthaltsqualität und Verweildauer erhöhen, über einen „attraktiven Geschäftsbesatz“ und ein „neues Storytelling“ mehr Leben, mehr Besucher, mehr Arbeit, mehr Umsatz und mehr Wertschöpfung in die Bremer City zu lotsen. Die Stadt müsse als selbstbewusste „Metropole im Nordwesten Deutschlands“ auftreten.

Dazu gehöre nach Ansicht der Experten auch „mutige Architektur“. Einzelhandel allein könne die Innenstadt nicht mehr mit Leben füllen, auch wenn diese nach wie vor ein wichtiger Anker bleibe. Es müsse nun ein Konzept für Nutzungsmischungen her: Themen wie die moderne Gestaltung von Arbeitswelten, Nahversorgung, Gastronomie und Tourismus, Kultur, Sport und Freizeit, Schule und Wissenschaft, Mobilität, Bürger-Services sowie Wohnungsbau müssten ineinander greifen.
Laut Aktionsprogramm: So können junge Menschen in die Bremer Innenstadt gelockt werden
So könnten auch wieder mehr junge Menschen in die Innenstadt gelockt werden. Mit einem Teil-Umzug der Universität wurde bereits ein Schritt in diese Richtung gegangen. Um Bremen aber als „Stadt der Wissenschaft“ zu festigen, müssen weiter Ansiedlungen vorgenommen werden: zu einem City-Campus wäre demnach auch eine Art Hörsaalzentrum denkbar.
Es sei zudem lohnenswert, zu prüfen, ob auch eine Berufsschule in der Innenstadt angesiedelt werden könne. Das würde „die Frequenz insbesonderer junger Menschen erhöhen“, heißt es in dem Punkteplan zur Innenstadt-Entwicklung.
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Um mehr Menschen in die City zu bekommen, müsse diese auch als Wohnort wiederentdeckt werden. „Entsprechende Rahmenbedingungen und Investitionen sind voranzutreiben“, fordert das Aktionsbündnis. Mit mehr Bewohnern und deren Kaufkraft würden sich neue Impulse für Beschäftigung im Einzelhandel ergeben, so der Tenor.
Aktionsbündnis Innenstadt: Kreativem Handwerk Raum lassen
„Eine zweite öffentliche Ankernutzung könnte eine moderne und kundenfreundliche Zusammenfassung sämtlicher Bürger-Services an einem neuen zentralen Ort in der Innenstadt sein“, schreibt das Bündnis. So könnten Dienstleistungen wie ein zentraler Servicepunkt der öffentlichen Verwaltung, Kinderbetreuung, öffentliche Toilette, Paketstation, Schließfächer sowie Radstationen mit Reparaturservice gebündelt werden.

Nach Ansicht der Experten sei es auch wichtig, dass Bremen kreativem Handwerk genug Entfaltungsraum lässt. „Ob Lifestyle-Objekte, Bekleidung, Möbel, Schmuck (Gold- und Silberschmiede), Keramik, Glas oder andere kleinteilige Handwerksgewerbe – Manufakturen in der Stadt produzieren hochwertige, designorientierte Produkte, die teilweise auch in gläsernen Werkstätten hergestellt werden.“
Hinzu käme ein weiterer Vorteil: „Gerade in den Städten leben jene, die diese Produkte begehren und wertschätzen.“
Aktionsplan zur Zukunft der Bremer Innenstadt vorgestellt: Von Glocke bis Wallanlagen
Weitere Eckpunkte laut Aktionsbündnis, um die Nutzungs- und Angebotsvielfalt in der Bremer Innenstadt sicherzustellen:
- Attraktive Büroflächen für die Ansiedlung etwa von Ärzten, Beratern, Anwälten, Bankkaufleuten sowie Fachkräfte in IT- und Medienberufen bereitstellen.
- Ein Nutzungskonzept für den Wall und die Wallanlagen entwickeln und umsetzen. „Gleiche gilt für den Domshof, der Potenziale hat, ein vitaler Platz mit hoher Aufenthalts- und Erlebnisqualität zu werden“, heißt es im Aktionsplan.
- Die Glocke als Musikhaus und Kulturort von Rang zu betonen und in ihrer städtebaulichen Einordnung zu stärken.
- Gründerkonzepte und Start-ups finanziell und infrastrukturell verstärkt zu unterstützen
- Innovative Leerstands- und Zwischennutzung nachhaltig unterstützten
Aktionsplan für die Bremer Innenstadt: Sauberkeit und Sicherheit als wichtige Pfeiler
„Das Sauberkeitsbild der Bremer Innenstadt hat sich in der letzten Zeit verschlechtert“, stellt das Aktionsbündnis fest. Es fehle ein ambitioniertes und wahrnehmbares Aufbruchsignal für mehr Sauberkeit und öffentliche Ordnung. „Der öffentliche Raum muss zum angstfreien und gepflegten Raum werden, der zum Besuch und Verweilen einlädt“, findet der Expertenrat – und fordert:
- Die Wallanlagen sind zu pflegen und durch geeigneten Beschnitt des Unterholzes die Sichtachsen zu verbessern und angstfreie Räume zu schaffen. Dabei sind Lösungen für den hier und an anderen Orten der Innenstadt stattfindenden Drogenverkauf und -konsum zu finden und Maßnahmen gegen aggressives und organisiertes Betteln umzusetzen.
- Das Füttern von Tauben muss – wie in nahezu allen anderen Großstädten auch – verboten und unterbunden werden.
- Bußgelder gegen Verstöße sind konsequent zu verhängen.
- Die Reinigungsintervalle für Straßen, Plätze und das Stadtmobiliar sowie die Anzahl an Müllbehältern sind sinnvoll zu erhöhen.
- Die Innenstadt benötigt moderne und gut zugängliche öffentliche Toilettenanlagen – ggf. privat betrieben, kostenpflichtig und mit einem Standard, wie er von Bahnhöfen und Autobahnraststätten vertraut ist.
Um die Aufenthalts- und Erlebnisqualität zu erhöhen, müssen nach Ansicht der Vertreter Verweil- und Erlebniszonen geschaffen werden, Veranstaltungen und Kulturevents sollen demnach dazu beitragen, den öffentlichen Raum zu beleben und Besucher überhaupt anzulocken.
Autofreie Innenstadt? Bremer Innenstadt muss laut Experten gut erreichbar sein
Neben der Sauberkeit und Sicherheit ist auch die Erreichbarkeit der City ein großes Thema. „Eine Metropole braucht eine effiziente Erreichbarkeit und Bremen muss sich mit anderen Metropolen messen lassen können, auch um Investitionen zu sichern“, heißt es in dem Plan. Das Bündnis nennt öffentliche Bühnen bis hin zu Stadtmobiliar und Service-Stationen als Beispiele.
Es müsse ein „modernes, verkehrsträgerübergreifendes Mobilitätskonzept“ her. Der ÖPNV müsse ebenso wie der Rad- und Fußverkehr eine wichtige Rolle spielen. Wie das gelingen kann, listet der Zusammenschluss aus Wirtschafts- und Architekturverbänden auf:
- Die Anbindung der Region an das Oberzentrum muss durch den Erhalt der wichtigsten Zugangsstraßen gesichert werden.
- Die Erreichbarkeit der Innenstadt ist insgesamt zu verbessern, d.h. alle Mobilitätsteilnehmer, auch der MIV, müssen komfortable Gegebenheiten vorfinden.
- In der Altstadt bieten sich diverse Straßen für den Verzicht auf unnötige motorisierte Durchgangsverkehre an, wie z.B. Balgebrückstraße/Dechanathstraße, Violenstraße, Museumsstraße, Knochenhauerstraße/Carl-Ronninig-Straße und Langenstraße. Umgekehrt müssen andere Verkehrsadern wie z.B. Am Wall, Martinistraße, Bürgermeister-Smidt-Straße, Altenwall, Tiefer und Wilhelm-Kaisen-Brücke weiterhin für Verkehre jeder Art zur Verfügung stehen.
- Stärkung einer „Innenstadt zu Fuß“ durch mehr Fußgängerzonen und attraktive Aufenthaltsbereiche für eine passantenfreundlichere Innenstadt: Alle Quartiere der (erweiterten) Innenstadt sind sinnhaft miteinander für den Fußgängerverkehr zu verzahnen, Rundläufe mit sicheren und bequemen Querungen sind zu schaffen.
- Die Anbindung der Region muss durch eine Erweiterung, deutliche Verbesserung und räumliche Ausdehnung des Stadt-regionalen ÖPNV-Angebotes, gesicherte Innenstadtzufahrten und den sehr raschen Ausbau des Park&Ride-Systems einen Qualitätssprung erfahren.
- Attraktivierung des ÖPNV und SPNV: Die Verkürzung der Taktung, der Einsatz von modernen Fahrzeugen, auch eventuell mit alternativen Antrieben, sowie die Umsetzung attraktiverer Tarife und die Einführung einer kostenfreien ÖPNV-Nutzung im Dreieck Hauptbahnhof, Brill, Sielwall sind voranzutreiben.
- Verbesserung der Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Fahrrad. Hierzu ist die Schaffung ausreichender, zentraler und sicherer Parkstände – auch nach niederländischem Vorbild modern und inhäusig – erforderlich.
Der Aktionsplan betont zudem die Wichtigkeit, die „autofreie Innenstadt“ durch eine „fußgängerfreundliche und autoarme Innenstadt“ zu ersetzen. „Das Thema ‚autofreie Innenstadt‘ verunsichert Kunden; es verschlechtert die Rahmenbedingungen für dringend notwendige Investitionen und beschädigt derzeit den regionalen und überregionalen Ruf des Dienstleistungsstandortes Innenstadt Bremen“, so das Bündnis.

Deswegen findet sich in dem Papier auch das Thema „Parken und Parkhäuser“ wieder. Neben der geforderten Zunahme der Elektromobilität gehöre hierzu auch eine stärkere Ausstattung der City und ihrer Parkhäuser mit E-Ladesäulen. Die FDP hatte zudem kostenloses Parken in der Innenstadt gefordert.
Auch seien die Parkhausstandorte in Bremen grundsätzlich zu erhalten, „solange keine tragfähigen Alternativen bestehen“. Auch bei einem eventuellen Abriss des Parkhauses Mitte würde das heißen, parallel alternative Stellplatzangebote in ausreichender Anzahl an gut erreichbaren Standorten bereitzustellen.
Aktionsplan endet mit Appell: Das erwarten die Experten vom Senat
Das Papier endet mit einem Appell an die Politik: „Bremen steht für ‚wagen und winnen‘. Die Innenstadt muss das widerspiegeln. Deshalb erwarten wir vom Senat und den beteiligten Behörden die zügige Umsetzung einer integrierten Planung für die Bremer City, die die Belange der Innenstadt-Akteure und Beschäftigten berücksichtigt.“
Und weiter: „Wir, die Vertreter des Aktionsbündnisses Bremer Innenstadt, sind überzeugt, dass die zügige Umsetzung der zuvor genannten Maßnahmen kurzfristig positive Effekte, Anreize und Entwicklungsimpulse auslöst, von denen unsere Stadt und unsere Stadtgesellschaft profitieren werden.“