Bremer City: SPD legt sich auf Straßenbahn-Verlegung fest

Die Straßenbahn soll von der Obernstraße in die Martinistraße verlegt werden, um die Bremer Innenstadt zu beleben. Darauf hat sich die SPD festgelegt, wie Partei und Fraktion am Mittwoch gemeinsam erklärten. Damit gibt es einen Konflikt in der Regierungskoalition. Denn Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat eine andere Meinung.
Bremen – Mit Blick auf die ohnehin anstehende Umgestaltung der Domsheide will die SPD das Straßenbahn-Thema nun vorantreiben. Den Weg zum Ziel soll eine Machbarkeitsstudie weisen. „Dann hat man auch eine Entscheidungsgrundlage“, so SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör. Auch für die Domsheide, wo Senatorin Schaefer eine Bündelung der Haltestellen vor dem Konzerthaus Glocke favorisiert, was die SPD ablehnt. Die Machbarkeitsprüfung müsse „zwingend die Bündelung der Haltestellen in der Balgebrückstraße enthalten“, heißt es bei den Sozialdemokraten. Die Studie zu Kosten- und Zeitrahmen der Straßenbahnverlegung kostet Zeit (ein gutes Jahr) und Geld (etwa 500 .000 Euro, schätzt die SPD).
Dieses Steuergeld ist die Sache der SPD aber wert. Ziel sei eine straßenbahnfreie Obernstraße als „Herzstück der Innenstadt“. „Wir wollen eine Innenstadt, die mit einer weitläufigen Fußgängerzone zum Flanieren, Verweilen und Erleben einlädt“, so Parteichef Reinhold Wetjen. „Wir wollen einen Paradigmenwechsel weg von einer reinen Konsumzone hin zu einer Erlebniswelt Innenstadt.“
„Für uns sind die Fußgänger im Zentrum“, so Güngör. „Wir wollen viel Platz für Fußgänger haben und klare Perspektiven für den Einzelhandel.“ Anja Schiemann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Nur mit einer attraktiven Obernstraße wird die Martinistraße einen Mehrwert entwickeln können.“ Und: „Zudem wäre die Verlegung ein logischer Schritt hin zu einer fußgängerfreundlichen Innenstadt.“
Verkehrsversuch Martinistraße: Autos dürfen bald wieder in beide Richtungen fahren
Allerdings treten die Sozialdemokraten damit auch dem grünen Koalitionspartner auf die Füße. Senatorin Schaefer wollte am Mittwoch eigentlich bloß die Planungen für die letzte Phase des umstrittenen Verkehrsversuchs Martinistraße vorstellen. Dann kam das Straßenbahn-Thema mit neuem Schwung und Druck hinzu.
Gegenwärtig ist die City-Achse noch Einbahnstraße, was allerdings nicht durchweg funktioniert. Am Sonntag, 21. November, wird die Martinistraße wieder für den – wie die Planer sagen – „Beidrichtungsverkehr“ freigegeben; rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft in der Bremer Innenstadt.

Schaefer: „Dazu sollen der Autoverkehr, der Fahrradverkehr und der Fußgängerverkehr bestmöglich voneinander getrennt werden. Die innen liegenden Fahrspuren sind daher dem motorisierten Verkehr vorbehalten, die äußeren Fahrspuren werden zu ,Protected Bike-Lanes‘ umgestaltet und die bisherigen Radwege stehen nur noch dem Fußgängerverkehr zur Verfügung. Damit entzerren wir die Verkehrsströme und schaffen einen übersichtlichen Verkehrsraum.“ Die geschützten Radwege werden durch Poller von den Autospuren getrennt. Schaefer spricht von „einer sehr klaren Verkehrsführung“. Bei der Einbahnstraßenregelung sei das „nicht immer so optimal“ gewesen.
Schaefer: Für Straßenbahn und Autos zusammen ist kein Platz
Der Verkehrsversuch endet am 18. April 2022. Anschließend wird er – auch mit Blick auf die Auswirkungen auf Neustadt und Viertel – ausgewertet, dann gibt es eine Entscheidung. Sicher ist, dass es keine vier Autospuren mehr geben wird. Und wohl auch keine Vollsperrung. Einbahnstraße oder „Beidrichtungsverkehr“, darauf läuft es hinaus. Wie passt die SPD mit ihrer Straßenbahn da rein?
„Eine Straßenbahn-Verlegung in die Martinistraße darf nicht zu Lasten des Fuß- und Radverkehrs gehen“, so sieht es Senatorin Schaefer. „Dann bleiben nur noch die Autospuren übrig, mehr Platz haben wir nicht. Dann bleibt nichts mehr für den Autoverkehr.“ Und noch etwas: „Ein Knackpunkt wird die Finanzierung sein.“ Während die SPD Fördermittel für Innenstadtprojekte sowie Städtebauförderung ins Spiel bringt, sagt Schaefer: „Der Bund wird die Verlegung einer Straßenbahn von einer Geschäftsstraße 200 Meter weiter in eine Parallelstraße nicht finanzieren.“ Im Ressort wird geschätzt, dass eine Verlegung einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag kosten würde.
Kommentar zum Thema:
Schaefer lässt sich nicht reizen
Von Thomas Kuzaj
Bremens Bau- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) ist bislang nicht gerade als feinsinnige Diplomatin in Erscheinung getreten. Im Gegenteil – oft vermittelten Schaefer und ihr Ressort den Eindruck, grüne Maximalforderungen mit aller Macht durchsetzen zu wollen.
Die unglücklich verlaufene Diskussion um die Libeskind-Türme auf dem früheren Sparkassen-Areal und die frühe Festlegung auf die Haltestellen-Bündelung vor dem Konzerthaus Glocke, die (für viele Betroffene überraschend) vorgezogene Einbahnstraßenregelung am Wall und die umstrittenen Verkehrsversuche in der Martinistraße – das sind nur vier Beispiele für Konfliktthemen, die auch anders hätten moderiert werden können. Autofreie Innenstadt um jeden Preis, Besucher und Pendler aus dem Umland sollen doch sehen, wo sie bleiben: Eindrücke, die sich etwa in Sachen Verkehrspolitik nach außen hin verfestigen.
So mancher blickt von Bremen aus sehnsuchtsvoll ausgerechnet nach Hamburg. Dort ist der Jungfernstieg für den Individualverkehr gesperrt worden. Der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) aber setzte dabei so sehr auf Dialog, dass am Ende auch die dortige Handelskammer mitzog. In Bremen hingegen kam es zum offenen Streit zwischen Kammer und Senatorin.
Am Mittwoch aber hat Maike Schaefer gezeigt, dass sie es doch auf die diplomatische Tour kann. Und das in einer Situation, in der sie vorgeführt werden sollte – vom Koalitionspartner. Am Montag hatte Schaefer angekündigt, am Mittwoch etwas zur Fortsetzung des Verkehrsversuchs in der Martinistraße sagen zu wollen. Am Dienstag meldete sich die SPD mit der Ankündigung, sich ebenfalls am Mittwoch zur Innenstadt zu äußern – 90 Minuten vor Schaefers Termin.
Mit ihrer Festlegung auf die Position einer Straßenbahn-Verlegung von der Obern- in die Martinistraße wollte die SPD die Senatorin vor sich hertreiben, Druck ausüben, Tempo reinbringen. Denn Schaefer ist bekanntlich keine Verfechterin der Verlegung. Doch von der sozialdemokratischen Grätsche ließ sie sich nicht reizen.
Sie verwies einfach auf die Kosten der Verlegung. Die von der SPD gewollte und ebenfalls teure Machbarkeitsstudie werde man sich aber offen angucken, flötete Schaefer weiter – um dann darauf hinzuweisen, dass es in der Martinistraße nicht genug Platz für Fußgänger, Radfahrer, Autos und Straßenbahnen zusammen gebe. Soll heißen: Kommt die Bahn in die Martinistraße, müssen die Autos dort raus, weil die SPD es so will. Mit dieser Zuspitzung hat Schaefer den sprichwörtlichen Schwarzen Peter ganz diplomatisch an die SPD zurückgereicht.