1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bremen

Bremen: OLG hebt Freispruch für Pastor Olaf Latzel auf

Erstellt:

Von: Ralf Sussek

Kommentare

Der Prozess gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel (v.l., hier mit seinen Verteidigern Mathias Schult und Dr. Sascha Böttner) muss nach dem Freispruch im Mai vergangenen Jahres neu aufgerollt werden. Das hat am Donnerstag das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden.
Der Prozess gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel (v.l., hier mit seinen Verteidigern Mathias Schult und Dr. Sascha Böttner) muss nach dem Freispruch im Mai vergangenen Jahres neu aufgerollt werden. Das hat am Donnerstag das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden. © Sussek

Es wird eine neue Runde im Zuge der Anklage wegen Volksverhetzung gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel geben: Das Oberlandesgericht hat am Donnerstag den Freispruch aufgehoben.

Bremen – Draußen, vor dem Fenster, brandet Jubel auf. Vor einer Minute hat der Erste Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) den Freispruch des bundesweit bekannten Pastors Olaf Latzel kassiert. Der Jubel stammt von knapp 40 Unterstützern und Vertretern der sogenannten „Queer“-Community, die bereits während der Verhandlung vor dem OLG skandierten und Regenbogenfahnen schwenkten.

Der heute 55-jährige Theologe war im November 2020 vom Bremer Amtsgericht wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt worden. Dagegen hatte er Berufung eingelegt. Eine Kleine Strafkammer des Landgerichts hob im Mai 2022 das erstinstanzliche Urteil auf und sprach den umstrittenen Pastor frei.

OLG hält Feststellungen des Landgerichts für „lückenhaft“

Die von Latzel gemachten Äußerungen wie „Homosexualität ist eine Degenerationsform von Gesellschaft“ und „überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day“ (Aussagen verkürzt, d. Red.), seien „in gesellschaftlicher Hinsicht sehr befremdlich“, sagte der Vorsitzende Richter damals, sie müssten aber im Kontext bewertet werden. Latzel habe von der Bibel her (so sah es auch ein Sachverständiger) argumentiert, daher seien seine Äußerungen von der Religionsfreiheit gedeckt.

Zur Bewertung im Kontext sahen sich die Richter des OLG jetzt nicht in der Lage. Die Feststellungen des Landgerichts seien „lückenhaft“ und trügen den Freispruch nicht. „Wir können nicht feststellen, ob die Auslegungen zutreffend sind oder nicht“, sagt der Vorsitzende Richter Klaus-Dieter Schromek in seiner Urteilsbegründung. Genau so begründet Staatsanwaltschaft Florian Maaß für die Generalstaatsanwaltschaft die Revision in der Sitzung. Im Urteil gebe es nur eine „grobe Zusammenfassung“ von Latzels Vortrag, der weiterhin als Audio-Datei extistiert, „die wortwörtliche Wiedergabe unterbleibt“. Latzel hatte die Äußerungen im Rahmen eines Eheseminars vor 30 Paaren seiner Martini-Gemeinde getan. Ein Audio-Mitschnitt des Seminars war rund sechs Monate später ins Internet gestellt worden und für mehrere Tage frei abrufbar.

Latzels Verteidigung dagegen verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die verbiete, Urteilsgründe zu überfrachten. Auch bei Zeugenaussagen würden nur die wesentlichen Passagen aufgenommen. Vielmehr hätte die Staatsanwaltschaft eine „Aufklärungsrüge“ erheben müssen. Andernfalls könne mit dem pauschalen Einwand, das Urteil sei lückenhaft, jede Revision begründet werden.

Nach den umstrittenen Äußerungen ihres Pastors Olaf Latzel sah sich die Martini-Gemeinde (ebenso wie der Pastor selbst) immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. So wurde die Martini-Kirche mehrfach beschmiert.
Nach den umstrittenen Äußerungen ihres Pastors Olaf Latzel sah sich die Martini-Gemeinde (ebenso wie der Pastor selbst) immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. So wurde die Martini-Kirche mehrfach beschmiert. © Kuzaj

Das sehen die Richter anders. Eine Verschriftung des gesamten Vortrags Latzels sei möglich gewesen, so dass der OLG-Senat das Urteil auch auf seine Rechtmäßigkeit hätte überprüfen können. Mit anderen Worten: Obwohl nur einige wenige Passagen angeklagt waren und im Berufungsurteil jeweils der Kontext, in dem die Aussagen getätigt wurden, angegeben war, befindet der Strafsenat, dass man den kompletten Vortrag hätte ins Urteil aufnehmen müssen.

Latzel-Verteidiger: „Das OLG schreibt Rechtsgeschichte“

„Mit der Entscheidung war so nicht zu rechnen“, räumt nach der Verkündung Latzels Verteidiger Dr. Sascha Böttner ein, „das OLG hat Rechtsgeschichte geschrieben.“ Der Ironie folgt die Analyse: „Damit wird das Revisionsrecht auf den Kopf gestellt.“ Was er meint: An Revisionen werden strenge Anforderungen gestellt, die Verfahrensfehler müssen konkret benannt werden. Und zwar deshalb, weil die Revisionsrichter nicht auf die vorinstanzlichen Akten zurückgreifen. „Die Staatsanwaltschaft hat aber nur ganz allgemein gesagt, ,es fehlt uns was’ “, kritisiert Böttner.

Nun muss eine andere Kammer des Landgerichts die Berufung neu verhandeln. In seinem Urteil kann sich Richter Schromek einen Hinweis an die Unterinstanz nicht verkneifen: Zwar fielen alle Äußerungen Latzels unter die Religionsfreiheit, fänden ihre Schranke aber in der Menschenwürde des Art. 1 des Grundgesetzes. Man dürfe in Deutschland alles sagen, „die Form und die Wortwahl sind das Wichtige“, meint er.

Auch interessant

Kommentare