Bremer Feuerwehr soll „queer“ werden

Update vom 15. Dezember 2020: Bremen: Mit Blick auf rechtsextremistische Chats, Rassismus und Mobbing in Teilen der Bremer Feuerwehr hat die Stadtbürgerschaft am Dienstag einen gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen (SPD, Grüne und Linke) angenommen, in dem die Vorfälle verurteilt werden. Die Koalition will zudem, dass ein unabhängiger Polizeibeauftragter auch für die Feuerwehr zuständig ist. Zudem soll – Zitat – der „Anteil an Frauen, queeren Personen, nicht-weißen Personen und Menschen mit Migrationshintergrund“ in der Belegschaft der Bremer Feuerwehr erhöht werden.
Zuvor war es in der Aktuellen Stunde noch einmal um die Vorfälle gegangen. Der Staatsschutz werte gegenwärtig die bei einem Feuerwehrmann in Stuhr-Brinkum beschlagnahmten Datenträger aus, berichtete Innensena-tor Ulrich Mäurer (SPD). Das werde bis Ende Januar dauern. Für die Zukunft gelte es unter anderem, auf die Führungsstruktur in der Feuerwehr zu schauen: „Was haben wir für Vorgesetzte, sind sie wirklich Vorbilder oder schauen sie einfach weg? Das wird ein Thema sein.“ In der Feuerwehr herrsche Empörung und Ärger über die Vorfälle.
Die Feuerwehr habe „massive strukturelle Probleme“, sagte die Linken-Abgeordnete Sofia Leonidakis. „Wir brauchen eine grundlegende Reform und unabhängige Beschwerdemöglichkeiten. Veränderungswillen von innen, keinen Korpsgeist.“ Wenn beispielsweise im Rettungsdienst „rassistische Diagnosen“ wie „Morbus Bosporus“ kursierten, dann schwille ihr der Kamm, so die Abgeordnete.
Originalmeldung vom 26. November 2020: Bremen – Plötzlich ging‘s ganz schnell. Die Innenbehörde hatte die Sondersitzung der Innendeputation zu den rechtsextremen Chats und sexistischen Vorfällen bei Teilen der Bremer Feuerwehr eigentlich für den 3. Dezember geplant. Doch dann wurde sie auf Donnerstagnachmittag vorgezogen. Das Thema drängt, die Fraktionen wollen sich äußern.
Und sie stellten Fragen im Kaisen-Saal des Congress Centrums auf der Bürgerweide. Manche, etwa von der Linken-Abgeordneten Sofia Leonidakis, gingen sehr ins Detail. Gibt es eine „Strafwache“? Gibt es Neueinsteiger-Rituale mit Pornos? Wie wurde mit einem Stalking-Fall umgegangen?
Auf viele dieser Fragen bekam sie keine Antworten, denn die Ermittlungen kommen gerade erst ins Rollen. Es ist noch nicht einmal klar, was genau sich alles strafrechtlich fassen lässt – wichtig für die anschließende disziplinarrechtliche Aufarbeitung. Es gilt, Be- und Entlastendes zusammenzutragen, betonte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).
Bremer Feuerwehr-Chef: „Es gab keine ,Strafwache‘“
Eine besonders harte „Strafwache“ gebe es nicht, sagte der scheidende Feuerwehr-Chef Karl-Heinz Knorr, im Moment zuständig für die Einrichtung der Bremer Corona-Impfstation. Keine der 18 Wachabteilungen sei durch eine außergewöhnliche Menge von Beschwerden oder Versetzungswünschen aufgefallen.
Apropos Versetzung. Die Feuerwehrfrau, die in der Wache Bremen-Nord rassistisch beleidigt und von einer Kollgenrunde in ihrer Abwesenheit bedroht worden sein soll – das Gespräch wurde mitgeschnitten – kehrt nicht zur Feuerwehr zurück. Sie wird in die Innenbehörde versetzt, kündigte Mäurer an.
Mehrmals tauchte in der Deputation die Frage auf, wie es angehen kann, dass extremistische Chats über Jahre laufen und die Feuerwehrspitze es nicht mitbekommt. Und dass schwerwiegende Vorfälle nicht gemeldet werden. Herrscht eine „Kultur der Angst“?
Senator Mäurer spricht von einem „strukturellen Problem“
Ja, es müsse herausgefunden werden, ob die Vorfälle „durch eine Struktur begünstigt wurden, die man ändern muss“, so die Juristin Karen Buse, von Mäurer als Ermittlerin eingesetzt. „Wir haben Einzeltäter, wir haben Mitläufer“, so Senator Mäurer. „Und ein strukturelles Problem bei der Transparenz- und Toleranzkultur. Wir werden prüfen müssen, ob es Vorgesetzte gab, die nichts weitergegeben haben.“ Und: „Wenn man den Mund aufmacht, darf man nicht Angst haben, am nächsten Tag den schlechtesten Platz auf der Wache zu bekommen.“ Man müsse „eine Kultur ändern, die dazu geführt hat, dass diese Dinge nicht gemeldet wurden“. Denn sie trage dazu bei, dass „sich solche Sachen ausweiten“.
Mäurer: Frauen werden bei der Bremer Feuerwehr nicht „gehasst“
Gleichwohl – dass Frauen bei der Feuerwehr generell „gehasst“ würden, das habe sich für ihn „nicht bestätigt“. Und: „Die Ereignisse haben die Feuerwehr bis ins Mark getroffen. Bisher waren Feuerwehrleute die guten Menschen. Jetzt werden sie gefragt: Was macht Ihr da?“ Vor diesem Hintergrund warnte Innensenator Mäurer einmal mehr davor, die Vorfälle zu generalisieren. So sieht es auch Deputationssprecher Thomas vom Bruch (CDU): „Ich warne vor einem Generalverdacht. Das haben unsere Feuerwehrleute nicht verdient.“
Kevin Lenkeit (SPD): „Wir stehen am Anfang eines umfangreichen Prozesses. Wir müssen nicht über die Feuerwehr reden, wir müssen mit ihr reden. Das sind wir der Mehrheit der anständigen Feuerwehrleute schuldig.“