„Weser Pinkies“ in Bremen: Im Drachenboot aus dem Tief paddeln

Eine Krebserkrankung ist ein schwerer Einschnitt ins Leben. Nach der Behandlung kann Sport helfen, wieder auf die Beine zu kommen - zum Beispiel bei den Bremer „Weser Pinkies“ im Drachenboot.
Bremen – Es war ein purer Zufall: Am Werdersee wurde Katja Riemer (43) zur Mitfahrt auf einem Drachenboot überredet. So entdeckte sie ihre Leidenschaft dafür. Sie ließ sich zur Trainerin ausbilden, um ein pinkfarbenes Team für Frauen zu gründen, die in Krebsbehandlung sind oder waren. In den meisten Fällen: Brustkrebs. 2017 gründete Riemer zusammen mit der Bremer Krebsgesellschaft und dem Bremer Sportclub die „Weser Pinkies“.
Eine pinkfarbene Schleife ist international das Symbol für Brustkrebs. Die „Weser Pinkies“ sind eine Kooperation von Krebsgesellschaft und Sportclub. Aktuell trainieren hier 35 Frauen im Alter von 30 bis über 70 aus Bremen und „umzu“. Trainerin Riemer hat keine Krebserkrankung hinter sich, wohl aber Familienmitglieder.
Martina Wrede kam 2016 aus der Therapiephase mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. „Erstmal denkt man, man ist durch und ist euphorisch“, sagt die 58-Jährige. Dann merke man: „Der Zustand von vor der Erkrankung ist nicht so schnell wieder erreichbar.“
Die Bremerin war sportlich aktiv. Sie spielte vor ihrer Erkrankung Hockey, auch auf Turnieren. Nach der Krebstherapie wollte sie wieder Sport mit Team-Spirit ausüben. Wrede wurde auf die „Weser Pinkies“ aufmerksam. Nach einem kurzen Trockentraining ging es gleich an Bord. Leider gab’s zunächst nur zwei Trainings vor der Winterpause, erinnert sie sich. Das war 2018, aber in der Saison 2019 ging es dann richtig los. Für die 58-Jährige ist klar: Sie will dabeibleiben.
Aus dem Tief paddeln: Der Ablauf muss stimmen
Erste Lektion für Neulinge: Auf einem Drachenboot wird gepaddelt, nicht gerudert. Da zehn Zweiter-Teams hintereinander sitzen, muss der Ablauf stimmen. „Wenn man zum falschen Zeitpunkt reinsticht, gerät alles durcheinander“, sagt Wrede. Man kann schnell im Drachenboot mitfahren, „aber dann kommt die Feinarbeit“, sagt Trainerin Riemer. „Es geht darum, leise mit dem Paddel einzutauchen, mit wenig Platschen.“ Bei guter Technik ist der Trainingseffekt leichter da, das Training ist nicht so anstrengend, sagt Wrede. Die „Weser Pinkies“ trainieren ohne Trommel. Sie orientieren sich optisch auf die Schlagbank, also die zwei Frauen, die ganz vorne paddeln, und akustisch auf die Stimme ihrer Trainerin hinten am Steuer. „Man hört auf einer Regatta die eigene Trommel nicht“, sagt Riemer.

Voraussetzung zum Mitmachen ist das Schwimmabzeichen Bronze. Auch können Teilnehmerinnen, die sich nicht ganz fit fühlen, zur Sicherheit eine Schwimmweste anlegen. Angst vor Leistungsanforderungen, vor Leistungsdruck, den braucht niemand zu haben. Dennoch ist das Team durchaus ehrgeizig, wenn man es auf eine Regatta „loslässt“, so Riemer. Da werden vorab auch mal andere Teams analysiert.
Ein Erfolg: Im Januar bekamen die „Weser Pinkies“, genauer gesagt, das zugehörige Projekt „Du paddelst nicht allein“ des Bremer Sportclubs, den „Großen Stern des Sports in Silber“ auf Landesebene. Als Landessieger qualifizierte sich das Team für den Bundesentscheid. Dort bekamen die Bremerinnen als eine der Viertplatzierten den „Kleinen Stern des Sports“ in Gold. Insgesamt gab es für die „Weser Pinkies“ 3 500 Euro Preisgeld. Die „Sterne des Sports“ belohnen gesellschaftliches Engagement. Es handelt sich um eine Initiative des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Volks- und Raiffeisenbanken.
„Weser Pinkies“ künftig mit eigenem Drachenboot
Wegen Corona mussten die „Weser Pinkies“ zwei Jahre aufs Drachenbootfahren verzichten – es ist zu eng im Boot. Die Alternative war „Stand-up-Paddling“. Jetzt im Frühjahr geht es wieder los. Gerade erst haben sie ein eigenes Boot bekommen, erworben von der Bremer Krebsgesellschaft. Das wurde am Wochenende zu Wasser gelassen und feierlich am neuen „Weser-Pinkies“-Standort am Werdersee enthüllt. Der Name: „Gezeitendrache“. Bisher fuhren die Frauen auf Booten des Bremer Sportclubs.
Bremer Krebsgesellschaft: Die positive Wirkung des Sports bei Krebs
Die Leiterin der Beratungsstelle der Bremer Krebsgesellschaft, Dr. Susanne Hepe (55), hebt die positive Wirkung des Sports bei Krebserkrankungen hervor. Wenn Erkrankte fragen, was sie selber tun können, empfiehlt sie Sport. Sport sei da annährend das einzige, dessen positive Wirkung durch Studien belegt sei. „Wenn man so viel Sport macht, wie das eigene Befinden zulässt, kann man nichts falsch machen“, sagt Hepe. Das Risiko von Neubildungen sinke. Die Nebenwirkungen von Chemotherapien seien besser verträglich. Bei jeder Krebsoperation würden die zum Areal gehörigen Lymphknoten entfernt. Bei Brustkrebs seien dies die Lymphknoten im Bereich der Achselhöhle. Durch gestörten Abfluss, könne es zu Lymphstau kommen. Die Muskelbewegungen beim Sport wirkten dem entgegen. Und wann beginnt man mit dem Sport? Nicht direkt nach der Operation. „Die Wunde muss gut verheilt sein. Sechs Wochen sollten vergangen sein“, so die Medizinerin. Kein Problem beim Drachenbootpaddeln ist sogenannter Port. Dabei handelt es sich um eine Kunststoffkammer mit einem längeren Schlauch, der über eine Vene bis kurz vors Herz führt, erklärt Hepe. Die Kammer werde unter der Haut auf dem Brustmuskel fixiert. Es handele sich um einen sicheren Zugang für die Chemotherapie, der zum Teil auch nach der Therapie zunächst beibehalten werde. Das Paddeln beim Drachenbootfahren stärke den Oberkörper, so Hepe. Es gebe auch Reha-Sport, der speziell auf die jeweilige Krebserkrankung eingehe. Trainer in der onkologischen Reha seien im Umgang mit Krebskranken geschult. Bei manchen Patienten müsse ein wenig auf die Bremse getreten werden, sagt Hepe. Sie definierten sich nach einer Krebserkrankung sehr durch Leistung. Bei der Krebsgesellschaft hilft eine Krebssportlotsin dabei, ein passendes Angebot zu finden.
Infos unter: www.bremer-sc.de/weser-pinkies und www.bremerkrebsgesellschaft.de