Bremen in Zukunft ohne Passagierflughafen?

Nur noch Werksflughafen, kein Passagierbetrieb mehr auf dem Bremer Airport? Der Vorstoß der Grünen hat für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.
Bremen – Keine Passagierflüge mehr ab dem Bremer Airport, stattdessen nur noch ein Werksflughafen für die Luft- und Raumfahrtbranche – so sieht es ein Vorschlag der Grünen vor, die in Bremen mit SPD und Linken regieren. Darauf gab’s am Freitag von vielen Seiten Empörung, Entsetzen und Unverständnis. Auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der den Koalitionspartner sonst stets gewähren lässt, erteilte den Plänen eine klare Absage.
Bremer Grüne wollen Degradierung zum Werksflughafen prüfen
Der Vorschlag, den Airport, der in der Region mit Stadtnähe und guter Erreichbarkeit punktet, zum Werksflughafen zu degradieren, steht im Wahlprogramm der Grünen für die Bürgerschaftswahl im Mai 2023. Das Programm soll heute, Sonnabend, diskutiert und verabschiedet werden. Nach Auffassung der Grünen könnten beispielsweise Passagierflüge auf Kurzstrecken wie nach München, Stuttgart, Frankfurt oder auch Amsterdam durch bessere Bahnverbindungen überflüssig gemacht werden, so Landeschef Florian Pfeffer.
Durch Pandemie und gestiegene Energiekosten sei der Flughafen unter Druck, die Gefahr einer Insolvenz trotz millionenschwerer Unterstützung der Landesregierung noch nicht gebannt, heißt es im Papier. Wenn man Bremen als Standort für die Luftfahrtindustrie halten wolle, brauche man eine Alternative. Noch 2023 solle geprüft werden, ob es „eine beihilfekonforme Möglichkeit gibt, den Flughafen in einen Werksflughafen umzuwandeln“, heißt es im Antrag.
Bremer Bürgermeister erteilt dem Vorschlag eine Absage
Bürgermeister Bovenschulte sagte dazu auf Nachfrage: „Der Flughafen ist von enormer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Bremen. Wer ihn infrage stellt, gefährdet damit Tausende von Arbeitsplätzen. Es ist für mich deshalb überhaupt keine Frage: Der Flughafen bleibt auch als Passagierflughafen erhalten.“ Das ist deutlich. Für ihn sei nicht maßgeblich, „was in irgendwelchen Wahlprogrammen steht“, sondern „was der Senat entscheidet“. Der habe sich stets einmütig zum Flughafen bekannt und den Betrieb in der Pandemie finanziell massiv unterstützt. „Ich sehe nicht, dass sich an dieser Haltung etwas ändern wird“, so der Bürgermeister.
Häfen-Senatorin: „Flughafen ist elementar für den Wirtschaftsstandort“
Ähnlich äußerte sich gegenüber unserer Zeitung Häfen-Senatorin Claudia Schilling (SPD). „Der Flughafen ist elementar für die Stadt und das Land als Industrie- und Wirtschaftsstandort. Wer den Flughafen mit seiner Anbindung an die internationalen Drehkreuze infrage stellt, stellt damit den Wirtschaftsstandort infrage“, so Schilling. Dem Senat sei die Bedeutung des Flughafens bewusst, auch für die Bürger. Daher habe Bremen zuletzt unter anderem mit insgesamt 47 Millionen Euro aus dem Bremen-Fonds alles dafür getan, um ihn fit für die Zukunft zu machen. Neben großen wirtschaftlichen Verwerfungen würde bei einer Umwandlung auch die Attraktivität der Stadt leiden, sagte Volker Stahmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Der Passagierflughafen müsse erhalten bleiben.
Auch Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hält die Schließung des Passagierbetriebs für falsch. Der Airport habe eine Schlüsselfunktion für Industrie, Tourismus und Logistikketten. Beim klimaneutralen Fliegen mit Wasserstoff solle Bremen vorangehen „und nicht auf der Bremse stehen“.
Umwandlung des Bremer Flughafens: CDU hält das für „völlig hanebüchen“
Und was sagt die Opposition? „Das ist völlig hanebüchen“, so Susanne Grobien, Wirtschaftsexpertin der CDU-Fraktion. „Der Flughafen spielt für viele Branchen in Bremen eine existenzielle Rolle. Die Erreichbarkeit vieler Betriebe ist wichtig, weil sie international verflochten sind. Allein die Diskussion, ob Bremen einen Flughafen braucht, halte ich für gefährlich. Das schadet dem Standort.“ Sie verwies auf 7 000 Arbeitsplätze rund um den Airport und etwa 30 000 über Dienstleistungen, Logistik, Zulieferer und weitere Branchen. Wer die Wertschöpfung in wirtschaftlich angespannten Zeiten auch nur ansatzweise infrage stelle, „hat unsere schwierige Lage überhaupt nicht verstanden“.
FDP: „Pläne wären der Todesstoß für Bremen als Metropole“
FDP-Chef Thore Schäck sagte: „Das lässt mich ernsthaft an der Wirtschaftskompetenz der Grünen zweifeln.“ Der Airport transportiere jährlich mehr als zwei Millionen Passagiere, allein im September 2022 165 000. Als Werksflughafen („Wahnsinn“) fielen nicht nur viele Arbeitsplätze weg, sondern auch Touristen, Geschäftsreisende und Steuereinnahmen. Schäck: „Dieser Plan der Grünen wäre der Todesstoß für Bremen als Metropole.“
„Wir halten es für den Wirtschaftsstandort Bremen und die Metropolregion Nordwest für elementar, dass der Airport in seiner Funktion erhalten bleibt“, sagte die Handelskammer. Außerdem sei der Airport als Zubringer für den Interkontinentalverkehr und für Geschäftsreisende von größter Bedeutung.
Und wie ist die Reaktion des Hans-Koschnick-Airports auf das Ansinnen der Grünen? Das sei nicht nachvollziehbar, sagte Sprecherin Andrea Hartmann auf Nachfrage. Eine Flughafen-Schließung spare nie CO2 ein. Vielmehr produziere sie am Ende mehr. Hartmann: „Sie werden dann – anstatt des eigenen Flughafens vor der Haustür – weiter entfernte Flughäfen nutzen, die überwiegend mit dem Auto angefahren werden.“ Der Bremer Airport habe sich jahrelang selbst finanziert. Dies habe sich erst durch die weltweite Corona-Pandemie geändert.
Verdi: „Arbeitsplätze am Flughafen erhalten, nicht vernichten“
Entsetzt zeigten sich die Familienunternehmer. Für Kundenbeziehungen brauche es regelmäßige, planbare Verbindungen mit dem Rest der Welt, so Vorsitzender Peter Bollhagen. Die Verkehrspolitik der Grünen sei schon jetzt fatal, sagte er. „Unsere wichtige Infrastruktur zerfällt Stück für Stück. Als Krönung wird nun die Abschaffung des Passagierverkehrs ins Auge gefasst.“
Die Gewerkschaft Verdi forderte die Grünen zum Erhalt der Arbeitsplätze am Airport auf, „nicht zur Vernichtung“, so Gewerkschaftssekretär Franz Hartmann. Und: „Man treibt kein Schindluder im Wahlkampf mit so einer wichtigen Verkehrsader für das Land Bremen und den ganzen nordwestdeutschen Raum.“