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Abnehmen: Warum Sport und Bewegung laut Forscher kaum helfen – „völlig neuer Denkrahmen“

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Von: Judith Braun

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Laut dem Anthropologen Herman Pontzer funktioniert Abnehmen nur über die Ernährung. Sport und Bewegung helfen kaum.

Durham – Wer abnehmen will, muss Diät halten und Sport treiben. So heißt es zumindest in zahlreichen Ratgebern, die uns im Kampf gegen die Kilos unterstützen möchten. Prof. Herman Pontzer, biologischer Anthropologe und Professor an der Duke University, und sein Team messen mit einer Methode aus der Physiologie den Gesamtenergieverbrauch von Menschen und Tieren in verschiedenen Lebensbereichen. Dabei sind sie auf ein überraschendes Ergebnis gestoßen: Sport hilft angeblich beim Abnehmen nicht viel.

Diät-Mythos von Experten entlarvt: Sport hilft nicht beim Abnehmen

Frau beim Joggen
Sport ist wichtig, damit die Pfunde purzeln. Dieser Annahme ging ein Forscher auf den Grund und entdeckte Erstaunliches. © Miguel Angel Partido Garcia/IMAGO

Manch ein Kollege oder eine Kollegin hält die Arbeit von Pontzer für revolutionär. In ihren Augen entlarvt er damit längst überholte Mythen über den menschlichen Energieverbrauch. Gleichzeitig bietet er die Möglichkeit, ein neues Verständnis von Evolution und Physiologie entstehen zu lassen. „Wir haben jetzt Daten, die uns einen völlig neuen Denkrahmen dafür geben, wie sich der Mensch an energetische Grenzen angepasst hat“, äußerte sich laut der „Süddeutsche Zeitung“ die Paläoanthropologin Leslie Aiello. Denn Pontzers Untersuchungen ergaben, dass Bewegung allein nicht dazu beiträgt, dass man im Durchschnitt mehr Energie verbrennt. So verbrauchen sitzende Büroangestellte in den USA nicht weniger Energie als Jäger und Sammler in Afrika und auch schwangere Frauen verbrauchen nicht mehr Kalorien pro Tag als andere Erwachsene.

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Forscher untersucht Gesamtenergieverbrauch bei Menschen und Tieren

Pontzer untersuchte dafür den Gesamtenergieverbrauch (Total Energy Expenditure, TEE), also die Anzahl der Kilokalorien, die die Zellen des Menschen innerhalb von 24 Stunden verbrennen. Man wusste bereits, dass der Grundumsatz oder auch die basale metabolische Rate (BMR), mit der der Körper im Ruhezustand Energie verbraucht, nur 50 bis 70 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht. So wurde der Kalorienverbrauch von Menschen und Tieren beim Gehen und Laufen auf Laufbändern gemessen.

Mithilfe einer Urin-Probe von Orang-Utans erkannte der Anthropologe, dass die Tiere nur ein Drittel der Energie, die man für Säugetiere ihrer Größe vermutet hätte, verbrauchten. Weitere Untersuchungen mit Affen bestätigten dieses Ergebnis. Außerdem ergaben die Studien, dass der Mensch unter den Menschenaffen bereinigt um die Körpermasse mehr Energie am Tag verbraucht als andere Affen. So verbraucht er beispielsweise 20 Prozent mehr als Schimpansen, 40 Prozent mehr als Gorillas und 60 Prozent mehr als Orang-Utans.

Gleichzeitig legen Menschenaffen mehr Fett an als andere Affen. Laut Pontzer hat sich unser vieles Körperfett möglicherweise aufgrund unseres schnelleren Stoffwechsels entwickelt. Fett funktioniert somit als Kraftstoffreserve, weil es weniger Energie verbrennt als mageres Gewebe. „Unsere Stoffwechsel wurden in Millionen von Jahren der Evolution jedenfalls nicht für einen strandtauglichen Bikinikörper geschaffen“, so Pontzer. Allerdings besitzen wir Menschen die Fähigkeit, Nahrung und Fettreserven schneller in Energie umzuwandeln als andere Affen. Dadurch haben wir einen Vorteil gegenüber den Tieraffen, da wir jeden Tag mehr Energie haben, mit der wir beispielsweise unser Gehirn versorgen können.

Jäger und Sammler verbrauchen nicht mehr Energie als Büroangestellte

Als Pontzer den Energieverbrauch des Volkes der Hadza in Tansania maß, brachte ihm diese Untersuchung weitere überraschende Erkenntnisse ein. Hadza-Frauen laufen täglich etwa acht Kilometer, Männer 14 Kilometer, um Nahrung zu teilen und verteilen. Sie bewegen sich also viel mehr als ein typischer Amerikaner in einer Woche. Trotz der Unterschiede in der Aktivität verbrennen Hadza-Männer und -Frauen insgesamt die gleiche Menge an Energie pro Tag wie Männer und Frauen in den Vereinigten Staaten sowie in Europa, Russland und Japan, erklärte er bereits 2012 in einem Bericht.

Die Ergebnisse wurden von weiteren Studien bestätigt. Pontzer vermutet, dass sich die Körper der Menschen weniger Kalorien für andere, nicht sichtbare Aufgaben wie das Immunsystem oder Stressreaktionen verbrauchen und sich dadurch auf mehr Aktivität einstellen. Der Kalorienverbrauch der Hadza erhöhte sich demnach nicht pro Tag, sondern die körperliche Aktivität der Hadza veränderte „die Art und Weise, wie sie ihre Kalorien verbrauchen“, so Pontzer. Bei einer anderen Studie mit Marathonläufern zeigte sich, dass die Läufer im Laufe der Zeit immer weniger Kalorien verbrauchten.

Sport hilft nicht beim Abnehmen: Bewegung ist dennoch wichtig für gute Gesundheit

Für Menschen, die abnehmen wollen, sind Pontzers Ergebnisse wohl entmutigend. Dennoch betont der Wissenschaftler, dass Bewegung und Sport für eine gute Gesundheit sogar existentiell ist. Schließlich verringert es das Risiko von Diabetes und Herzkrankheiten. Zudem hilft Sport laut Experten dabei, das Gewicht zu halten und nicht zuzunehmen. Pontzers Fazit lautet jedoch: „Bewegung verhindert, dass man krank wird, aber das beste Mittel zur Gewichtskontrolle ist die Ernährung.“

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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