Am Stadttheater Bremerhaven feiert „Die Opferung des Gorge Mastromas“ Premiere

Bremerhaven - Von Rolf Stein. Im Nachhinein fallen wohl jedem von uns Situationen ein, in denen wir uns hätten anders entscheiden können – mit bedeutenden Folgen. Was hätte – in anderen Worten – aus Ihnen werden können?
Biografische Spekulationen dieser Art sind es, aus denen der britische Autor Dennis Kelly sein 2013 uraufgeführtes Stück „Die Opferung des Gorge Mastromas“ (im Original: „The Ritual Slaughter of Gorge Mastromas“) gestrickt hat. Es geht derweil hier allerdings nicht um ein mehr oder weniger kurzweiliges „Was wäre wenn“-Spiel.
Skrupellosigkeit als Rezept für den sozialen Aufstieg
Überlegungen der genannten Art beziehen sich schließlich in der Regel auf die Welt der wirtschaftlichen Konkurrenz, die ihrerseits die Gesellschaft in Gänze durchdringt. Kurz: Es geht ums Ganze. Und der zumindest nicht völlig abwegige Traum vom möglichen gesellschaftlichen Aufstieg ist bekanntlich wesentliche Zutat zum sozialen Frieden.
Wie aber kommt man denn nun ganz nach oben? Kellys Befund lässt sich im Grunde auf einen banalen Satz zusammenstreichen: Sei möglichst skrupellos.
In einem ausgedehnten Prolog, den Regisseurin Anne Spaeter am Stadttheater Bremerhaven auf das vierköpfige Ensemble verteilt, wird Mastromas‘ Leben bis zu dem Punkt erzählt, an dem er sich – zum ersten Mal in seinem Leben, das er auf der sozialen Stufenleiter im oberen Mittelfeld verbrachte – rücksichtslos für seinen Vorteil entscheidet.
Sascha Maria Icks begeistert
In der Folge lässt er keine Schweinerei aus, nicht einmal in der Sphäre der Liebe kann er das Lügen lassen. Natürlich ist das alles durchaus ein wenig plakativ, konstruiert, in seiner Gut-Böse-Balance schematisch – es fehlten gerade noch die Laborkittel. Es geht aber hier dann doch auf, nicht zuletzt, weil Spaeter sich auf ihr kleines Ensemble verlassen kann. Dass Sascha Maria Icks auch bei mehrfachem fliegendem Rollenwechsel immer den richtigen Ton trifft, überrascht nicht, Henning Bäcker und Julia Friede, jeweils in diversen kleineren Rollen zu sehen, versehen ihre Aufgaben im wesentlichen tadellos, vor allem aber verleiht Frank Auerbach seinem Mastromas Präsenz und Tiefe.
Nicht zu Unrecht traut Spaeter dem Stück derweil nicht ganz über den Weg. Dessen strenger Dramaturgie setzt sie kleine komische Szenen entgegen, wie eine wirklich hinreißende Breakdance-Einlage von Henning Bäcker. Und sie lässt das Ensemble Auszüge aus dem Song „The Four Horsemen“ von Aphrodite’s Child singen – was diesem Opfergang eine apokalyptische Note verleiht und Mastromas dann doch wieder und eher unnötig dämonisiert. Die satirisch zugespitzte Gesellschaftskritik hat Gabriela Neubauer (Bühne und Kostüme) in eine pompöse Neureichen-Welt versetzt, die wohl nicht zufällig an architektonische Denkmäler erinnert, wie sie sich ein Donald Trump errichtet hat.
Die nächsten Vorstellungen: 13. und 20. April, 19.30 Uhr, Stadttheater Bremerhaven.