Schluss mit Verbrenner: EU beschließt faktisches Ende für Autos mit Benzin und Diesel
Die EU hat den Weg frei gemacht für mehr Umweltschutz. Ein Baustein: Benziner und Diesel werden langfristig von den Straßen verschwinden.
Brüssel - Unter dem Titel „Fit for 55“ will die EU mehr Klimaschutz. Das ehrgeizige Ziel: bis 2050 klimaneutral zu sein. Bereits 2030 will die EU die Emission und 55 Prozent reduzieren. Heute stimmten die Parlamentarier über einige Gesetze ab, um diese Ziele zu erreichen. Ein großer Baustein dabei sind Autos. Sie sollen bereits 2035 keine schädlichen Klimagase mehr ausstoßen. Das wäre faktisch der Tod für Benziner und Diesel. Lobbyisten aller Lager laufen seit Tagen zur Hochform auf.
EU-Mitgliedstaaten | 28 |
Fit for 55 | Vorgestellt: 14. Juli 2021 |
Fläche EU | ca. 4,5 Millionen km² |
Einwohner EU | ca. 500 Millionen |
Rund 20 Prozent der EU-CO2-Emissionen entstehen im Straßenverkehr, wie der liberale Abgeordnete Jan Huitema betont. Noch ist ungewiss, ob der Verbrennerverkauf ab 2035 de facto ganz verboten oder gewisse Ausnahmen gestattet werden. Die sogenannten Flottengrenzwerte für Autos und Transporter sollen auf null sinken. Da keine Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen geplant ist, wäre dies das Aus für den klassischen Verbrenner.
Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke spricht sich hingegen, wie der Verband der Automobilindustrie, für die Möglichkeit aus, dass diese an sich klimafreundlichen Kraftstoffe auch für Autos und Transporter genutzt werden können. Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss sagt hingegen: „Wenn wir die E-Fuels in die Autotanks der Bürger kippen, fehlen diese bei Schiffen und Flugzeugen, wo wir jetzt schon nicht wissen, woher wir diese bekommen.“ Wie die Abstimmung ausgeht, ist unklar.
Manche sprechen sich sogar dafür aus, dass die Grenzwerte um 90 statt 100 Prozent gesenkt werden. Im Umweltausschuss fand dieser Vorschlag allerdings keine Mehrheit.

Rund 300 Wissenschaftler sehen das Verbot kritisch. „Mit einem schlichten Verbot des Verbrennungsmotors wird das definitiv nicht erreicht“, warnt die Gruppe um Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in einem Spiegel-Online Interview. Fakt ist aber auch: Autos sind nun mal ein großer Erdölabnehmer in Form von Benzin und Diesel.
Die häufig geschlossenen Autoindustrie ist gespalten. Einige große Hersteller wie Volvo, Mercedes und Ford könnten laut eigenen Angaben mit dem EU-Vorschlag gut leben. „Schädlich fürs Klima“, nennt Oliver Zipse, den EU-Plan. Er ist Präsident des europäischen Branchenverbands ACEA und BMW-Vorstands-Vorsitzender. Er argumentiert, dass die Produktion von E-Autos und der Strom viele Ressourcen verschwenden würden. Auf der ACEA-Seite heißt es: Alle ACEA-Mitglieder setzen sich natürlich stark dafür ein, die CO₂-Emissionen auf null zu senken und Europas Ziel zu unterstützen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.“
E-Autos mit langen Wartezeiten
Anscheinend sind in der Bevölkerung die Vorbehalte nicht so groß. Denn bei einigen E-Autos gibt es Lieferzeiten bis ins Jahr 2024. Dass die Autokonzerne in den kommenden Jahren komplett „Grün“ werden, ist auch nicht zu erwarten. Aktuell ist die Gewinnmarge bei Benzinern und Diesel zu groß. Experten sind der Meinung, dass die Autokonzerne mit der aktuellen Menge an E-Autos das Klimaziel für 2025 erreichen. Erst 2030 wird es kniffelig.
Alternativen zu einem E-Auto wären beispielsweise Wasserstoffautos mit einer Brennstoffzelle. Allerdings gibt es kaum Tankstellen und grüner Wasserstoff ist noch teuer in der Herstellung.
Emissionshandel ist Herzstück der EU-Klimapolitik
Doch es geht bei der EU nicht nur um Autos. Herzstück der EU-Klimapolitik ist der Emissionshandel, bei dem für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO₂ gezahlt werden muss. Das System soll nun auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden. Bis vor Kurzem wurde dies noch heftig diskutiert, weil befürchtet wird, dass Verbraucher dann noch mehr fürs Heizen und Fahren zahlen müssten. In Deutschland und anderen EU-Staaten sind diese Bereiche bereits Teil des Emissionshandels.
Abgeordnete im Umweltausschuss einigten sich zuletzt darauf, dass Konzerne ab 2025 für den Ausstoß klimaschädlicher Gase von gewerblichen Gebäuden und beim kommerziellen Verkehr zahlen sollen. Private Haushalte wären zunächst ausgenommen. Erst wenn die Energiepreise gesunken sind und Haushalte bereits Geld aus einem neuen Klimasozialfonds erhalten, sollen sie ab 2029 dazukommen.

Strittig war bis zuletzt auch die Zuteilung kostenloser Zertifikate für den Ausstoß von CO₂ an bestimmte Unternehmen. Das soll der Wettbewerbsfähigkeit dienen, solange andere Regionen der Welt noch keine CO₂-Bepreisung haben. Es gibt Vorschläge, ab 2030, 2032 oder 2035 keine kostenlosen Zertifikate mehr zu verteilen.
Schluss mit Verbrenner: EU beschließt faktisches Ende für Autos mit Benzin und Diesel
Die Abgeordneten stimmen auch über einen CO₂-Preis für ausländische Hersteller ab. Dieser würde sich anhand des CO₂-Ausstoßes bei der Produktion berechnen. Rabatt gäbe es, wenn bereits im Heimatland für den Treibhausgasausstoß gezahlt wurde. Das soll zu vergleichbaren Kosten für Importgüter und in der EU produzierte Produkte führen. Gleichzeitig sollen andere Länder dazu bewegt werden, ebenfalls strengere Klimamaßnahmen einzuführen. Zunächst sollen Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel sowie Strom reguliert werden. Strittig ist, ab wann das System in Kraft treten soll.
Auch wenn Mittwoch wichtige Schritte beschlossen wurden, bis zur Umsetzung dauert es noch. Nach den Abstimmungen muss das Parlament sich noch mit den EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie einigen.