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Russland verlässt ISS nach 2024: Was Moskau künftig im Weltall plant

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Von: Patrick Klapetz

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Die russische Beteiligung an der ISS ist wohl Geschichte: Moskau will aussteigen. Derweil plant der Kreml eigene Weltraummissionen – und Kooperationen mit China.

Washington – Bis 2031 wollte die NASA die Internationale Raumstation ISS betreiben, bevor ihr kontrollierter Absturz eingeleitet werden soll. Doch nun hat Russland angekündigt, sich aus dem internationalen Projekt im Weltraum bereits nach 2024 zurückzuziehen. Der Ukrainekrieg und damit einhergehenden Sanktionen haben die Entscheidung für das ehemalige Großreich wohl beschleunigt. Die NASA zeigt sich überrumpelt. „Die NASA ist nicht auf Entscheidungen von irgendeinem der Partner hingewiesen worden“, sagte NASA-Chef Bill Nelson. 

ISS: Russland verlässt Internationale Raumstation nach 2024

Die Internationale Raumstation ist der am weitesten entfernte Außenposten der Menschheit. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen den USA, Europa, Japan, Kanada und Russland. Doch das ehemalige sowjetische Großreich will sich nach 2024 aus dem internationalen Friedensprojekt verabschieden. Das verkündigte Juri Borissow, der neue Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, am Dienstag, dem 26. Juli, nach einem Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. „Natürlich werden wir alle unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Partnern erfüllen, aber die Entscheidung über den Ausstieg aus dieser Station nach 2024 ist gefallen“, so Borissow.  

Die Internationale Raumstation ISS mit der Erde im Hintergrund.
Die Internationale Raumstation ISS mit der Erde im Hintergrund. © NASA/dpa

Ähnliche Worte fielen bereits von seinem Vorgänger Dmitri Rogosin nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs: „Die Entscheidung ist bereits gefallen, wir sind nicht verpflichtet, darüber öffentlich zu sprechen“, hieß es damals. Ein genaues Datum zum Ende der Kooperation nannte Rogosin nicht. Gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Tass erklärte er jedoch: „Ich kann nur eines sagen: Wir werden unsere Partner pflichtgemäß ein Jahr im Voraus über das Ende der Arbeiten auf der ISS informieren.“

Russland steigt aus Zusammenarbeit auf der ISS aus: NASA reagierte auf bisherige Drohung aus Moskau gelassen

Weitaus provokanter bezüglich des russischen Endes auf der ISS agierte der ehemalige Chef von Roskosmos, Dmitri Rogosin, nur wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine als Reaktion auf die verhängten Sanktionen gegen Russland. „Wollen sie unsere Zusammenarbeit auf der ISS zerstören?“, fragte er am 24. Februar 2022 auf Twitter und führte fort: „Wenn sie die Zusammenarbeit mit uns blockieren, wer wird die ISS vor einem möglicherweise unkon­trollierten Absteigen aus der Umlaufbahn und einem Absturz auf amerikanisches oder europäisches Territorium bewahren?“

Die US-Raumfahrtbehörde NASA und die europäische Raumfahrtagentur ESA reagierten besonnen auf die damaligen Provokationen – immerhin kannte man Rogosins aufbrausende Art bei den Behörden schon länger. Für den sicheren Betrieb der ISS würde man weiterhin mit seinen internationalen Partnern, zu denen auch Russland zählt, zusammenarbeiten, hieß es in einer Stellungnahme der Nasa am selbigen Tag. Darauf beruhigte sich der ehemalige Roskosmos-Chef. Doch die Lage blieb weiterhin angespannt. 

Russland will ISS verlassen: Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation sollte bis 2031 gehen

Der verkündete russische Ausstieg aus der ISS könnte nun die Zukunft der Internationalen Raumstation gefährden. Ursprünglich wollte die NASA die ISS bis 2030 gemeinsam mit ihren Partnern betreiben. Anfang 2031 soll der kontrollierte Absturz der Raumstation eingeleitet werden – so zumindest der bisherige Plan, den die NASA Anfang 2022 verkündete. Drei russische Progress-Raketen sollen die ISS über Monaten hinweg mit Bremsschüben stückweise näher an die Erde holen, bis die ISS schließlich kontrolliert in den Südpazifik stürzt. 

Die NASA-Ziele für die Nutzung der ISS bis 2030

Bis die NASA die ISS im Jahr 2030 zum kontrollierten Absturz bringen will, soll weiterhin auf der Internationalen Raumstation geforscht werden. Folgende Ziele stehen dabei im Vordergrund: Erforschung des Weltraums ermöglichen, Forschung zum Nutzen der Menschheit betreiben, kommerzielle Raumfahrtindustrie in den USA fördern, internationale Zusammenarbeit ermöglichen und leiten sowie die Menschheit inspirieren.

Dort befindet sich Point Nemo, der geografische Punkt im Ozean, der den größtmöglichen Abstand zu irgendeiner Küste hat. Im Deutschen wird dieser Punkt auch „Pazifischer Pol der Unzugänglichkeit“ oder „Friedhof der Raumschiffe“ genannt. Hier liegt auch die russische Raumstation Mir begraben. 

Zukunft der ISS: NASA will Weltraumstationen künftig nur noch mieten

Die kommerzielle Nutzung der ISS sollte eigentlich mit vier weiteren Modulen erreicht werden, die von privaten Unternehmen bereitgestellt werden sollten. Axiom Space hatte sich bereits einen Platz an einer Andockstelle gesichert. Es ist das Unternehmen, das beispielsweise die Urlaubsreise des japanischen Milliardärs, Kunstsammlers und Unternehmers, Yusaku Maezawa, im Dezember 2021 ermöglicht hat. Er wohnte zwölf Tage lang auf der ISS, wo er mit der Besatzung unter anderem Badminton spielte. 

Wer ist gerade in der ISS 2022?

Trotz des baldigen Ausstiegs von Russland aus der Zusammenarbeit auf der ISS befinden sich derzeit noch drei russische Kosmonauten auf der Internationalen Raumstation: Oleg Artemjew, Denis Matwejew und Sergei Wladimirowitsch Korsakow. Gemeinsam mit Kjell Lindgren, Robert Hines, Samantha Cristoforetti und Jessica Watkins bilden sie die derzeitige Besatzung der ISS. Der letzte Deutsche auf der Station war Matthias Maurer. Die Mission des ESA-Astronauten endete am 5. Mai 2022.

Neben Axiom Space haben auch die US-Unternehmen Blue Origin (bekannt durch seine kurzen Weltraumausflüge für Touristen), Nanoracks (Weltraumdienstleistungsunternehmen, das Weltraumhardware und Weltraumwerkzeuge bereitstellt) und Northrop Grumman Systems Corporation (Rüstungskonzern) eine Vereinbarung mit der NASA unterschrieben. Die Module sollen sich irgendwann von der ISS lösen und als eigenständige kommerzielle Raumstationen agieren. Denn die NASA möchte in Zukunft nicht mehr der Betreiber einer Raumstation sein. Sie will sich nur noch einmieten, damit sich die Behörde mehr auf die wissenschaftlichen Aspekte der Weltraumerforschung konzentrieren kann. Wie es allerdings jetzt nach dem frühzeitigen russischen Ausstieg aus der ISS weitergeht, ist unklar.

Nach Ende der russischen Beteiligung an der ISS: Russland baut seine eigene Raumstation

Russlands Wunsch, aus der ISS-Zusammenarbeit auszusteigen, ist nicht neu. Sie wollen den Bau ihrer eigenen Raumstation, der russischen Orbital-Servicestation ROSS (Russian Orbital Service Station), weiter vorantreiben. Das erste Basismodul, eine Forschungs- und Energieeinheit, sollte 2024 ursprünglich an die ISS andocken, soll nun aber für ROSS verwendet werden und 2025 fertiggestellt werden. Laut einer Pressemeldung soll Ross „ein evolutionärer Schritt in der Entwicklung des Programms zur Erforschung des Mondes, zu Flügen zum Mars und zur Umsetzung innovativer wissenschaftlicher und technischer Raumfahrtprogramme“ sein.

Wenn es nach dem Chefkonstrukteur Wladimir Solowjow geht, soll die Station über ein Modul mit einer externen Plattform zur Betankung, Wartung und Reparatur von Raumfahrzeugen verfügen. „Wenn einem Raumfahrzeug etwas zustößt, würde sich ein kleiner Schlepper nähern, um es abzuschleppen und zur Station zu bringen“, so Solowjow. Revolutionär soll die Nutzung von einem Satelliten-Geschwader sein, das die Raumstation in Zukunft umkreisen soll. Diese Wolke aus Weltraumfahrzeugen soll in einer Entfernung von 100 bis 200 Kilometern um die Raumstation umherfliegen. 

ISS vor dem Aus: Russland will künftig mit China kooperieren

Neben den Plänen zur eigenen Raumstation will sich Russland auch an der chinesischen Mondstation beteiligen, der internationalen Mondforschungsstation ILRS (International Lunar Research Station). Die ersten Missionen sollen Mitte der 2020er-Jahre erfolgen. In den 2030er-Jahren soll die chinesisch-russische Mondstation errichtet werden. Zunächst soll es nur eine Roboterbasis sein. Diese könnte im Laufe der Zeit auch erweitert werden, sodass sie menschliche Besucher beherbergen kann.

„Der Bau der Station kann eine solide Grundlage für eine bessere Erforschung der Mondumgebung und -ressourcen schaffen, einschließlich der Frage, wie man die Mondressourcen friedlich nutzen und entwickeln kann“, erklärte Wu Yanhua im Dezember 2021. Er ist der stellvertretende Leiter der chinesischen Raumfahrtbehörde CNSA (China National Space Administration). Zudem plant die chinesische Raumfahrtbehörde eine mobile Station, die sich bis zu 1000 Kilometer frei auf dem Mond bewegen kann. China stehe weiteren internationalen Kooperationen offen gegenüber.

Aus den Artemis-Mondplänen der NASA hat sich Russland schon lange zurückgezogen. „Was die Nasa jetzt auf dem Mond versucht, ist ein US-Projekt mit begrenzter Beteiligung anderer Partner. Daran sind wir nicht interessiert“, hatte Rogosin im Januar 2021 erklärt. Wie es nun mit der ISS weitergehen wird, ist ungewiss.

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