Alarmierender Rückgang von Kinderimpfungen: Bremen ist Schlusslicht
Laut einer DAK-Studie ist die Impfquote von Kindern seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen. In Bremen ist die Lücke bei Standardimpfungen am größten.
Bremen – Die Zahlen sind alarmierend: Kinder und Jugendliche in Deutschland erhalten immer weniger Schutzimpfungen gegen Krankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus und Kinderlähmung. Im Bundesdurchschnitt beträgt der Rückgang bei den Standardimpfungen zwischen 2019 und 2021 rund elf Prozent, wie aus einer Analyse der drittgrößten deutschen Krankenversicherung DAK hervorgeht.
Besonders groß ist die Impflücke demnach in Bremen.
Riesige Impflücke in Bremen: Nirgendwo in Deutschland wurden während Corona weniger Kinder geimpft
Nirgendwo sonst wurden weniger Kinder geimpft als in Bremen. Nur 26 Prozent beträgt die Impfquote im Stadtstaat. Bundesweit liegt sie laut dem Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit bei 33 Prozent. Für die repräsentative Analyse wurden ambulante Behandlungsdaten von Bremer Kindern und Jugendlichen, die bei der DAK versichert sind, wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Coronavirus-Pandemie verglichen. Wie viele Kinder und Jugendliche die Corona-Schutzimpfung erhalten haben, wurde im Zuge der Studie allerdings nicht analysiert.
Wegen Corona-Pandemie: Kinder gingen in Bremen wesentlich seltener zum Arzt
Die Daten der repräsentativen Studie zeigen, dass die Impfungen bei Kindern und Jugendlichen in Bremen in der Corona-Pandemie insgesamt um 15 Prozent zurückgegangen sind. Auch gab es deutlich weniger Arztbesuche. So gingen hochgerechnet rund 10.000 weniger Mädchen und Jungen in Bremer Praxen als vor der Pandemie. Das ist ein Rückgang von acht Prozent. Vor allem während der Lockdowns ging die Zahl der Arztbesuche stark zurück.
Impfquote bei Kindern: Die Zahlen aus Bremen „geben großen Anlass zur Sorge“

DAK-Landeschef Jens Juncker warnt vor den Folgen dieser Entwicklung. Er sieht akuten Handlungsbedarf. „Die Zahlen geben großen Anlass zur Sorge. Bremen muss etwas tun. Vorsorge ist wichtig und Impfen eine Investition in die Zukunft. Nicht erst seit der Corona-Pandemie geht der Anteil geimpfter Kinder und Jugendlicher im Bremen zurück - dieser negative Trend hat sich jetzt allerdings verstärkt“, sagt Juncker. Besonders deutlich ist die Abnahme bei den Gesamtimpfungen gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Kinderlähmung, „Hib“-Erkrankungen (wie Meningitis) und Hepatitis B mit einem Minus von 27 Prozent. Hier wurden 2021 rund 4.000 weniger Bremer Kinder und Jugendliche geimpft.
Weniger Impfungen gegen Meningitis und Lungenentzündung – trotz Stiko-Empfehlung
Im Bereich Pneumokokken erhielten 3.000 weniger Kinder eine Impfung (minus 24 Prozent) – eine fast dreimal so starke Verringerung wie im Bund (minus neun Prozent). Pneumokokken sind unter anderem für schwere Lungenentzündungen oder Hirnhautentzündungen verantwortlich und können zudem eine schwere Sepsis auslösen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Impfung für Kinder ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat.
Einen ebenfalls großen Rückgang gab es bei Gesamtimpfungen gegen Meningokokken C (minus 26 Prozent). Sie verursachen ebenfalls schwere Gehirnhautentzündungen bei Kindern – die sogenannte Menigokokken-Meningitis – und werden über Tröpfcheninfektion übertragen, also über Husten oder Niesen oder durch engen Kontakt wie Küssen oder Umarmen. Unter Gesamtimpfungen werden sowohl die erste und letzte Dosis eines Impfzyklus sowie Auffrischimpfungen zusammengefasst.
Entgegen dem Bundestrend: HPV-Erstimpfungen in Bremen stabil – bei Jungen sogar Steigerung
Doch es gibt auch eine erfreuliche Entwicklung in Bremen, was das Impfen betrifft: Bei den Impfungen gegen Humane Papillomviren (HPV) zur Krebsvorsorge blieben der DAK-Studie zufolge die Zahlen 2021 stabil. Damit steht Bremen bei dieser speziellen Impfung besser da als die anderen Bundesländer, wo ein allgemeiner Rückgang der HPV-Impfungen beobachtet wurde. In Bremen stiegen die Gesamtimpfungen gegen HPV dagegen leicht an (plus sechs Prozent), die Erstimpfungen blieben auf dem Niveau von 2019.
Bei den Jungen konnte sogar ein deutliches Plus von 70 Prozent verzeichnet werden, bei den gleichaltrigen Mädchen ein Plus von 29 Prozent. Seit 2007 empfiehlt die Stiko eine HPV-Impfung für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen. Humane Papillomviren werden sexuell übertragen und sind für verschiedene Arten von Krebs verantwortlich – zum Beispiel Gebärmutterhalskrebs oder Penis- und Analkrebs.
Rückgang der Impfungen bei Kindern auch in Niedersachsen – fast ausgerottete Krankheiten könnten wieder zur Bedrohung werden
In Niedersachsen sind die Impfungen bei Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie ebenfalls deutlich zurückgegangen. Im Vergleich zu 2019 gab es 2021 einen Rückgang von zehn Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung wurden somit rund 86.000 weniger niedersächsische Mädchen und Jungen geimpft.
„Mit einem Anteil geimpfter Kinder von 31,8 Prozent liegt Niedersachsen unter dem Bundesdurchschnitt. Dieses Ergebnis ist alles andere als zufriedenstellend“, sagt Dirk Vennekold, Leiter der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Niedersachsen. „Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen sind die ausgefallenen oder verschobenen Erstimpfungen dringend nachzuholen. Sonst kann es sein, dass die Gesundheit vieler junger Menschen plötzlich wieder durch Krankheiten bedroht wird, die als fast ausgerottet galten.“
Niedrige Impfquote ist Grund zur Sorge – mehr Aufklärung nötig
Das Ziel, Krankheiten wie Masern auszurotten, sei schon vor dem Auftreten des Coronavirus nicht gelungen. Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten beim Menschen und können schwere Spätfolgen nach sich ziehen. In Schulen und Kitas besteht eine Masern-Impfpflicht, die Schutzimpfung muss für den Besuch nachgewiesen werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse laut Juncker vor allem mehr Aufklärung betrieben werden, um Eltern über den Nutzen von Impfungen und das Risiko einzelner Krankheiten zu informieren. Nur so lasse sich die Impflücke schließen. Spitzenreiter bei der Impfquote ist Bayern (41,9 Prozent) vor Sachsen (40,2 Prozent) und Baden-Württemberg (39,8).
DAK-Gesundheitsfreport offenbart: Corona-Zeit hat Gesundheitslage für Kinder allgemein verschlechtert
Der DAK-Gesundheitsreport für Kinder und Jugendliche offenbarte gleichzeitig, dass die Corona-Zeit die Gesundheitslage für Kinder allgemein verschlechtert hat. So zeigt sich, dass seit der Pandemie mehr Kinder von psychischen Beeinträchtigungen wie Angst- und Essstörungen oder Depressionen betroffen waren. Demnach werden die psychosozialen Folgen der Pandemie von sozial benachteiligten Kinder als besonders einschneidend empfunden.