Wenig Zucker, kaum Fleisch – Forscher finden heraus: Wer so isst, lebt länger
Forscher haben mithilfe Zehntausender Datensätze untersucht, welche Ernährung krank macht. Ihr Fazit: Wer lange leben möchte, sollte auf Fleisch und Zucker lieber verzichten – zugunsten einer pflanzlichen Kost.
Boston – Gefühlt halb Deutschland ist mit guten Vorsätzen ins neue Jahr gestartet. Zu den ambitionierten Vorhaben gehört für immer mehr Menschen neben dem Dry January, einem einmonatigen Alkoholverzicht, auch das Projekt Veganuary, also das Streichen von Fleisch bzw. tierischen Produkten aus dem Speiseplan, sowie der gezielte Verzicht auf Zucker. Dass diese Ernährungsumstellungen nicht nur kurzfristig ein gutes Gefühl geben, sondern dem Körper auch langfristig extrem guttun kann, belegt nun eine neue US-Langzeitstudie. Danach senken bestimmte Ernährungsmuster das Risiko, vorzeitig zu sterben, um bis zu unglaubliche 20 Prozent.

Wenig Zucker, kaum Fleisch, viel Grünzeug – Forscher finden heraus: Wer so isst, lebt länger
Für die Studie, die das Forscherteam um Dr. Frank Hu von der Harvard T.H. Chan School of Public Health im Januar in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine veröffentlichte, wurden die Daten von 119.315 Personen aus zwei großen Studien über 36 Jahre hinweg untersucht. Dabei wurde vor allem die Qualität der Ernährung sowie die Sterblichkeit der Studienteilnehmer unter die Lupe genommen. Das mehr als deutliche Ergebnis lautet: Menschen, die sich nährstoffreich ernährten, starben deutlich seltener früh – und zwar egal, woran: ob an Krebs, einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, Atemwegserkrankungen oder einer neurodegenerativen Krankheit wie Demenz.
„Gesundheitsbezogene Effekte einer bestimmten Ernährung zeigen sich oftmals erst über Jahrzehnte hinweg. Daher ist es gut, wenn solche Auswertungen bei Bevölkerungsgruppen vorgenommen werden“, sagte Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gegenüber kreiszeitung.de.
Nährstoffreiche Ernährung: der Schlüssel zu einem langen, gesunden Leben
Die Ernährungsexpertin weiter: „Die Ergebnisse unterstützen unsere aktuellen Ernährungsempfehlungen für eine vollwertige Mischkost, die zum größten Teil aus pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse und Obst besteht, ergänzt durch geringe Mengen tierische Lebensmitteln wie zum Beispiel Fleisch.“
Ganz grundsätzlich gilt: je natürlicher und unverarbeiteter ein Lebensmittel, desto höher der Nährstoffgehalt. Nährstoffreiche Lebensmittel zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur Makronährstoffe – also Kohlenhydrate, Proteine und Fette – sondern insbesondere große Mengen an Mikronährstoffen enthalten. Dazu gehören Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und auch sekundäre Pflanzenstoffe.
Was heißt Nährstoffdichte?
- Nährstoffdichte nennt man die Menge von Nährstoffen in einem Lebensmittel in Relation zu seinem Energiegehalt.
- Da der Energiebedarf der Menschen in den Industriegesellschaften abgenommen hat, der Bedarf an essenziellen Nährstoffen wie z. B. Vitaminen nicht, sollten Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte bevorzugt werden.
- Zu den nährstoffdichten Lebensmitteln gehören Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme Milch und Milchprodukte sowie mageres Fleisch und magerer Fisch. Stark fett- und zuckerhaltige Lebensmittel haben ebenso wie Alkohol dagegen eine sehr geringe Nährstoffdichte: Sie liefern viele Kalorien, aber enthalten kaum essenzielle Bestandteile.
- Quelle: DEBInet/Institut für Ernährungsinformation
Studien ergeben: Gesunde Ernährungsmuster haben viele Gemeinsamkeiten
Die Ergebnisse der umfangreichen Studie zeigten allerdings auch, „dass es mehr als einen Weg gibt, sich gesund zu ernähren und die damit verbundenen gesundheitlichen Vorteile zu nutzen“, so der US-amerikanische Ernährungsmediziner Dr. David Katz gegenüber CNN. Es gäbe keine „Einheitsdiät“ oder den einzig richtigen Weg, sondern die Beobachtung, dass es wichtige Gemeinsamkeiten gibt, die den vier als besonders gesund identifizierten Ernährungsmustern – nämlich der Mittelmeerdiät, der pflanzenbasierten Ernährung, dem US-amerikanischen „Healthy Eating Index“ und dem „Alternate Healthy Eating Index“ – zugrunde liegen.
Vegetarisch und unverarbeitet: Forscher entschlüsseln Ernährungsmuster für ein langes Leben
Hu, Vorsitzender der Abteilung für Ernährung und Epidemiologie an der Harvard School of Public Health und Hauptautor der Studie, erklärt: „Obwohl sich diese Ernährungsgewohnheiten in einigen Aspekten unterscheiden, enthalten sie alle große Mengen an gesunden pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte und geringe Mengen an raffiniertem Getreide, zugesetztem Zucker, Natrium sowie rotem und verarbeitetem Fleisch.“
Diese Ernährung senkt das Gesamttodesrisiko deutlich – vier Ernährungsmuster machen den Unterschied
- Mittelmeer-Diät: viel Gemüse, Obst, Nüsse, Hülsenfrüchte, Fisch und Olivenöl – mit vielen gesunden, ungesättigten Fetten und pflanzlichen Nährstoffen bei mäßigem Alkoholkonsum.
- Pflanzenbasierte Ernährung: Schwerpunkt auf vegetarischer Kost und dem Verzicht auf tierische Lebensmittel, auch auf Fisch, Milchprodukte und Alkohol.
- „Healthy Eating Index“-Ernährung: Grundlegende US-Ernährungsrichtlinie, bei denen der Verzehr gesunder pflanzlicher Lebensmittel im Vordergrund steht. Auf rotes und verarbeitetes Fleisch, Zucker, ungesunde – also mehrfach gesättigte – Fette und Alkohol soll demnach weitgehend verzichtet werden.
- „Alternate Healthy Eating Index“: Ernährungskonzept, das an der Harvard-Universität auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt wurde. Auf dem Speiseplan stehen insbesondere Nüsse, Samen, Vollkornprodukte und möglichst wenig rotes und verarbeitetes Fleisch sowie gesüßte Getränke. Maßvoller Alkoholkonsum ist erlaubt.
Gesunde Ernährung: Pflanzenbasierte Kost als gemeinsame Nenner
Da sich Menschen schnell damit langweilten, nur auf eine bestimmte Art zu essen, „ist das eine gute Nachricht“, erklärt der Ernährungsforscher und Medizinprofessor an der Harvard Universität. „Es bedeutet, dass wir sehr flexibel sein können, wenn es darum geht, unsere eigenen gesunden Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln, die auf individuelle Ernährungsvorlieben, Gesundheitszustände und Kulturen zugeschnitten werden können.“
Erstaunliche Zahlen: Selbst moderate Umstellungen bewirken Wunder im Körper
Die Studie ergab sogar schon eine deutliche Verringerung des Sterberisikos bei bestimmten chronischen Krankheiten, wenn die Menschen ihre Ernährung im Laufe der Zeit moderat umstellten, erklärt Hu. Menschen, die ihre Ernährung um 25 Prozent verbesserten, konnten ihr Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 6 bis 13 Prozent und ihr Risiko, an Krebs zu sterben, um 7 bis 18 senken. „Die Verringerung der Sterblichkeitsrate bei Atemwegserkrankungen war sogar noch viel größer und verringerte das Risiko um 35 bis 46 Prozent“. Selbst das Risiko, an einer neurodegenerativen Krankheit wie Demenz zu sterben, sank nach der moderaten Umstellung der Essgewohnheiten um bis zu 7 Prozent.
Experte: „Es ist nie zu spät, sich gesunde Ernährungsgewohnheiten anzueignen“
„Es ist nie zu spät, sich gesunde Ernährungsgewohnheiten anzueignen, denn die Vorteile können erheblich sein, wenn es darum geht, die Gesamtzahl der vorzeitigen Todesfälle und die verschiedenen Ursachen für einen vorzeitigen Tod zu verringern“, so der US-Wissenschaftler. „Die Menschen haben einen großen Spielraum, wenn es darum geht, ihr eigenes gesundes Ernährungsverhalten zu gestalten. Aber die gemeinsamen Grundsätze – mehr pflanzliche Lebensmittel und weniger rotes und verarbeitetes Fleisch, zugesetzter Zucker und Natrium – sollten immer gelten, egal welche Art von Ernährung man sich wünscht“.
Eine Feststellung, die der neuen Ernährungsstrategie der Bundesregierung in die Hände spielt. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir plant, im Zuge dessen Steuern auf Obst und Gemüse zu streichen. „Wir müssen die Chancen nutzen, die sich aus einem zunehmenden Konsum pflanzenbasierter Produkte ergeben“, sagte er zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche am 19. Januar 2023 in Berlin. Die neue US-Studie gibt ihm einmal mehr Recht.