Der große Long-Covid-Check: Dauer, Entstehung, Häufigkeit, Symptome
Wie lange kann Long Covid nach einer Corona-Infektion andauern? Und welche Symptome sind am ausgeprägtesten? Die Antworten auf alle wichtigen Fragen im Überblick.
Berlin – Es sind Beschwerden wie Müdigkeit oder geistige Beeinträchtigungen, die mal Wochen und mal sogar Monate anhalten können. Sie treten lange nach einer Corona-Infektion auf. Der aktuellste Corona-Test zeigt sogar ein negatives Ergebnis an. In diesem Fall wird von Long Covid oder Post Covid gesprochen. In Deutschland betrifft es Hunderttausende Menschen. Vermutlich.
Denn genaue Zahlen sind in Bezug auf die „neue Volkskrankheit“ Long Covid und Post Covid nur schwer zu nennen. Schließlich ist das Krankheitsbild viel zu facettenreich, um es genau abbilden zu können. Die Definition bleibt unscharf, häufig wird es nicht einmal explizit genannt.
Eine Studie liefert nun aber neue Erkenntnisse.
Laut Studie zu Long Covid: Die meisten Symptome verschwinden innerhalb eines Jahres wieder
Die besagte Studie wurde im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht. Sie bringt eine gute Nachricht mit sich: So würden die meisten Symptome von Long Covid innerhalb eines Jahres wieder verschwinden. Zumindest bei den Menschen, die einen leichten Covid-19-Verlauf hatten.

Für ihre Forschung begleiteten die Wissenschaftler fast 300.000 Kinder und Erwachsene, die an mildem Covid-19 litten. Dies hieß in diesem Fall, die Betroffenen mussten nicht ins Krankenhaus eingeliefert werden. Einige von ihnen waren bereits geimpft, als sie sich angesteckt hatten, andere nicht. Als Vergleichsgruppe dienten ebenfalls fast 300.000 Menschen mit ähnlichen demografischen Merkmalen, die aber nicht positiv auf Corona getestet wurden.
Untersucht wurde der Zeitraum zwischen März 2020 und Oktober 2021. Zur Einordnung: die Omikron-Variante war hier noch nicht dominant. Grundlegend müssen in Bezug auf Long Covid aber noch einige Fragen geklärt werden.
Worin liegt der Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid?
Mediziner unterscheiden zwischen Long Covid und Post Covid. Doch worin liegt der Unterschied?
- Als Long Covid definieren die deutschen Patientenleitlinien Beschwerden, die länger als vier Wochen nach einer Infektion bestehen.
- Von Post Covid ist die Rede, wenn die Beschwerden länger als zwölf Wochen nach der Infektion den Alltag einschränken.
Dabei hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch überwiegend Long Covid verbreitet. In der medizinischen Fachliteratur, einschließlich der S1-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), hat sich der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte Begriff Post-Covid-Syndrom (PCS) durchgesetzt. Darüber berichtete bereits das Ärzteblatt.
Welche Symptome deuten auf Long Covid hin?
Nach ihrer Corona-Infektion leiden Long-Covid-Patienten an unter anderem diesen Symptomen:
- Müdigkeit und Erschöpfung
- Kopfschmerzen
- Atembeschwerden
- Geruchs- und Geschmacksstörungen
- kognitiven Beeinträchtigungen wie Gehirnnebel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
depressiven Verstimmungen
Doch auch Herzbeschwerden, Nieren- und Stoffwechselstörungen können in Folge einer Infektion auftreten. Grundsätzlich ist die Liste der möglichen Symptome, die sich bei Long Covid äußern, lang. Verschiedene Studien haben bereits ergeben, dass Betroffene insgesamt bis zu 200 verschiedene Symptome genannt haben.
Wen genau trifft eigentlich Long Covid?
Mindestens zehn Prozent aller Corona-Infizierte leiden im Anschluss an Long Covid. Davon gehen Experten aus. In einem aktuellen Long-Covid-Review vom Freitag, 13. Januar 2023, der im Nature-Magazin veröffentlicht wurde, gehen Forscher davon aus, dass
- zehn bis 30 Prozent der nicht-hospitalisierten Corona-Infizierten,
- 50 bis 70 Prozent der hospitalisierten Corona-Infizierten
- und zehn bis 12 Prozent der geimpften Corona-Infizierten von Long Covid betroffen sind.
Zudem würde Long Covid alle Altersgruppen betreffen – zu einem erhöhten Prozentsatz aber Menschen im Alter zwischen 36 und 50 Jahren. Long Covid würde durch Faktoren wie Vorerkrankungen, einem geringeren sozio-ökonomischen Status und der fehlenden Möglichkeit, sich auszukurieren, begünstigt werden.
90 Prozent der Long-Covid-Patienten hatten nur einen leichten Corona-Verlauf – laut Studie
Doch leiden auch viele Menschen mit mildem Verlauf an Long Covid. „Wir haben festgestellt, dass erstaunliche 90 Prozent der Menschen, die mit Long Covid leben, nur einen leichten Covid-19-Verlauf hatten“. Das schreiben die Forschenden Sarah Wulf Hanson und Theo Vos, beide von der University of Washington, in einem Artikel in The Conversation.
Zusammen mit ihrem Team hatten sie Daten aus 54 Studien mit 1,2 Millionen Menschen aus 22 Ländern mit symptomatischer Corona-Infektion (Zeitraum März 2020 bis Januar 2022) untersucht. Als Long Covid wurden dabei Symptome drei Monate nach der Erstinfektion definiert. Die Beschwerden mussten dabei mindestens zwei Monate anhalten. Veröffentlicht wurde ihre Studie im Journal of the American Medical Association (JAMA). Ihre Ergebnisse:
- Frauen hatten ein doppelt so hohes Risiko, Long Covid zu entwickeln, wie Männer und ein vierfach höheres Risiko wie Kinder.
Einer von sieben Infizierten hatte ein Jahr später immer noch Symptome. - Menschen, die mit Covid ins Krankenhaus eingeliefert wurden, entwickelten mit größerer Wahrscheinlichkeit Long Covid.
Wie häufig tritt Long Covid auf?
Laut Einschätzung der WHO würden „10 bis 20 Prozent der Sars-CoV-2-Infizierten über bleibende oder neu aufgetretene Beschwerden im längeren Verlauf nach der Akutphase der Infektion klagen, die als Post-Covid-Syndrom (PCS) bezeichnet werden“. So wird die Weltgesundheitsorganisation im Ärzteblatt zitiert.
Britische Längsschnittstudien hatten bereits eine ähnliche Größenordnung bestätigt, die einen Anteil zwischen 7,8 und 17 Prozent an Langzeitbetroffenen ausmachten. De facto geht die aktuelle Nature-Studie von weltweit mindestens 65 Millionen Menschen mit Long Covid aus. Doch könne die tatsächliche Inzidenz dreimal so hoch liegen.
Wie häufig treten die einzelnen Symptome von Long Covid auf?
Konkrete Zahlen in Bezug auf diese Frage liefern verschiedene Studien, die im Nature-Review aufgegriffen werden:
- Zwölf Wochen nach der Infektion litten noch immer 32 Prozent unter Müdigkeit, bei 22 Prozent wurden kognitive Beeinträchtigungen festgestellt.
- 20 bis 40 Prozent der Long-Covid-Patienten klagten mindestens sieben Monate nach der Infektion noch immer unter Kurzatmigkeit und Husten.
- Etwa die Hälfte der Long-Covid-Patienten erfüllt die Kriterien für ME/CF (chronisches Fatigue-Syndrom) laut Schätzungen.
- Herz-MRT-Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass 78 Prozent der Corona-Patienten und 58 Prozent der Long-Covid-Patienten eine Herzinsuffizienz aufwiesen.
- Eine Untersuchung bei über 500 ehemals Corona-Infizierten ergab, dass 59 Prozent eine Einzel-Organschädigung aufwiesen, bei 27 Prozent waren mehrere Organe betroffen (untersucht wurden Herz, Lunge, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse und Milz).
- Dagegen hätten sich psychische Erkrankungen wie Angstzustände und Depressionen im Laufe der Zeit normalisiert. Das ergab eine Untersuchung mit mehr als 1,3 Millionen ehemals Corona-Infizierten.
- Bei kognitiven Beeinträchtigungen (Brain Fog), Krampfanfällen, Demenz, Psychosen und andere neurokognitiven Erkrankungen hielt das erhöhte Risiko dagegen für mindestens zwei Jahre an.
Wie hoch fällt das Risiko für Long Covid bei Omikron aus?
Das lässt sich aktuell noch nicht valide beantworten. Denn die erwähnte JAMA-Studie schließt überwiegend Menschen ein, die sich noch vor der Omikron-Dominanz mit Corona infizierten. Doch: Laut Forschern würden erste Untersuchungen für Omikron ein geringeres Long-Covid-Risiko zeigen. Doch gleichzeitig steckten sich durch die leichte Übertragbarkeit der Variante verhältnismäßig viele Menschen damit an.
Wie entsteht eigentlich Long Covid?
Im entsprechenden Ärzteblatt-Bericht nennen die Autoren Belege für unterschiedliche übergreifende sowie Organ-spezifische Ursachen, die zur Entstehung von Long Covid beitragen könnten. Dass das Coronavirus so viele Organe trifft, liegt nicht zuletzt daran, dass Sars-CoV-2 an den sogenannten ACE2-Rezeptor bindet. Und dieser findet sich an vielen Stellen im Körper. Nämlich in
- Lunge
- Niere
Dünndarm - Geruchssinneszellen
- Herz
- Hoden
- Muskelzellen
- und in der Substantia nigra (schwarzen Substanz) im Gehirn.
Vier Hauptthesen gibt es derweil zu den übergreifenden Ursachen, die zur Entstehung von Long Covid führen könnten:
- Autoimmunreaktion
- Entzündung
- Anhaltender Virus oder „Virus-Reste“ im Körper
- Gerinnungsstörungen (Blutgerinnsel)
Wie wirken sich die Impfungen auf Long Covid aus?
Nach derzeitigem Wissensstand ist die Impfung mit einem geringeren Risiko oder einer geringeren Wahrscheinlichkeit für Long Covid verbunden. Wie eine Preprint-Studie darlegte – die nun auch zur Veröffentlichung im Fachjournal BMJ akzeptiert wurde –schienen zwei Impfdosen wirksamer zu sein als eine.
Zudem zeigen Zahlen der britischen Covid Surveillance-Studie (Stand Juli 2022), dass für dreifach Geimpfte die Prävalenz der Langzeitbeschwerden unter beziehungsweise auf maximal fünf Prozent gedrückt werden kann. Prävalenz meint dabei eine Kennzahl, die Aufschluss über bestehende Fälle gibt.
Die Long-Covid-Symptome unterschieden sich nicht wesentlich, je nachdem, ob jemand zum Zeitpunkt der Infektion geimpft oder ungeimpft war. Das ergab die aktuelle BMJ-Studie hinsichtlich milder Covid-19-Verläufe. Doch hatten die Geimpften laut der Studie ein signifikant geringeres Risiko für anhaltende Atembeschwerden.