Achim bekommt den Kreisel

Achim - Von Manfred Brodt · Nach viereinhalb Stunden Diskussion fiel um 23.30 Uhr am Donnerstag die Entscheidung im Achimer Stadtrat: 20:17 für einen Kreisel auf der jetzigen Gieschen-Kreuzung im Achimer Stadtzentrum.
Vorher waren in einer langen Debatte alle Argumente und Vorgänge der letzten Jahre noch einmal wiederholt worden.
Da die Stadt mit Riesenansturm der Bürger gerechnet hatte, den der Ratssaal von seiner Größe und Statik nicht verkraftet hätte, hatte sie sogar eine Kamera-Live-Übertragung auf eine Leinwand im Foyer organisiert. Die gekommenen 80 Zuhörer verkraftete der Ratssaal dann aber, und die qualitativ gute Übertragung auf der Leinwand im Parterre verfolgten nur ganz wenige, die vor allem der miserablen Luft im Ratssaal entflohen waren.
Mit einer der längsten Einwohnerfragestunden in der Geschichte des Rats war die Sitzung eingeleitet worden. Eineinhalb Stunden bekräftigte die Bürgerinitiative ihre Haltung, dass eine Optimierung der Ampelanlagen in Achim billiger, sicherer und verkehrstechnisch besser sei als ein Kreisel. Zuhörer Jürgen Sonnenberg: „In Uesen an der Kreuzung Grüner Jäger sind die Schlangen viel länger. Wenn Sie sagen, in Uesen machen wir nichts, dann müssen Sie auch in Achim gar nichts machen.“
Eine Achimerin: „Gibt es keine Möglichkeit, dass Sie zurücktreten vom Kreisel? Es ehrte Sie. Sie würden sehr viel Achtung bekommen.“
Um 20.30 Uhr dann Beginn der Ratsberatung. Vor dem inhaltlichen Einstieg ins Thema erst der Antrag der Wählergemeinschaft Achim, zu dem Thema eine Bürgerbefragung durchzuführen. WGA-Fraktionschef Wolfgang Heckel hält ihr Ergebnis auch für rechtlich nicht verbindlich, aber wichtig als politische Orientierung.
Bürgermeister Uwe Kellner dagegen fragt, welches neue Meinungsbild nach den 2600 Unterschriften der Bürgerinitiative gegen den Kreisel denn diese Befragung bringen solle. Andere sehen in der Befragung nur den Versuch, die Entscheidung zu verzögern und den Kreisel zu verhindern. Heckel und eine ausreichende Zahl von Ratsmitgliedern bestehen auf geheimer Abstimmung über die Bürgerbefragung und verlieren sie dann mit 16:21.
Nun konnte die inhaltliche Debatte endlich richtig beginnen. Bürgermeister Kellner fasste die Pro-Argumente zusammen und nannte besonders größere Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger durch Zebrastreifen außerhalb des Kreisels, Fahrbahnteiler und Vorrang für Nicht-Motorisierte sowie Verbesserungen für Linksabbieger. Planungsausschuss-Chef Werner Meinken (SPD) sah eine städtebauliche Dimension. Es gehe um eine Neugestaltung dieses Beginns der Fußgängerzone und des Geländes des Baustoffhändlers Scherf. Meinken hielt CDU und WGA vor, lange für einen Kreisel votiert zu haben, um sich dann populistisch von ihm zu verabschieden. An die CDU gewandt: „Sie verfahren nach dem Motto: .Lass mal andere die Musik machen. Wir schauen mal, ob es uns gefällt.‘ Das hab ich satt“, wetterte er.
Das ließ CDU-Fraktionsvorsitzender Ulrich Rehlich nicht auf sich sitzen. Er verwahrte sich gegen solche „Totschlagargumente“. Als die CDU bemerkt habe, welche Unruhe das Thema in der Bevölkerung auslöse, habe sie schon früh Alternativen verlangt. Wolfgang Heckel (WGA) parierte Meinkens Vorwurf: „Wir springen auf keinen fahrenden Zug auf, aber wir wissen, wann wir abspringen müssen.“
Rehlich hatte sich weiter gewundert, dass seine Fraktion bis heute das jüngste Gutachten des von der Stadt beauftragten Büros zum Kreisel nicht besitze. In der Ratssitzung erfuhr man dann von Vertretern des Ingenieurbüros, dass das Gutachten noch nicht abgeschlossen sei, da nach der jahrelangen Diskussion jetzt nach den Verkehrsprognosen von 2015 auch die für 2025 noch eingearbeitet werden sollten. Die Gutachter widersprachen Johann Ditzfelds Einwand, Rettungsfahrzeuge kämen nicht durch den dichten Kreisel. Im Gegenteil werde ein Kreisel von Fahrzeugen für Rettungsfahrzeuge schneller geräumt als Abbiegespuren voller Autos an Ampeln..
Nachdem Bernd Junker (SPD) zu fortgeschrittener Stunde ein Kreisel-Plädoyer des Deutschen Verkehrssicherheitsrats ins Feld geführt hatte, Jürgen Harder sich als Gegner fanatischer Kreisel-gegner geoutet hatte, zeigte sich, dass die zweiköpfige FDP-Fraktion in der Frage gespalten ist und Gabriele Sommer (Grüne) nicht mit ihrer Fraktion dafür stimmt. Als Ratsfrau der verschuldeten Stadt, die im Sozialbereich kürze, könne sie nicht für diese Millionenausgabe stimmen. Auch EU-Zuschüsse (400 000 Euro) seien Steuergelder, gab sie zu Protokoll. Die Mehrheit für den Kreisel in namentlicher Abstimmung konnte das jedoch nicht mehr gefährden.
Ende Juni in den Sommerferien sollen die Bauarbeiten mit dem Abriss zweier Häuser beginnen.