Spontanes Doppelkonzert: Aus Solo wird Duo

Rotenburg - Unverhofft kommt oft. „Zwei statt eins“ – das nach einer Verkaufsaktion klingende Motto galt am Dienstabend in der Rotenburger Michaelskirche ausnahmsweise in punkto Kultur. Denn statt des angekündigten Solokonzerts der US-Amerikanerin Megan Burtt im Rahmen der Reihe „Songs & Whispers“ durften sich die rund 50 Zuschauer gleich über zwei Acts aus dem Bereich „Singer/Songwriter“ freuen.
Im ersten Teil gab sich die Landsfrau Jenai Huff gemeinsam mit dem Gitarristen George Naha ein Stelldichein. Der hat bereits mit Größen wie Aretha Franklin, Donald Fagen oder Roy Orbison gespielt und avancierte mit seiner zurückhaltenden Begleitung, die nur in gelegentlichen Soli das Ausmaß seiner unglaublichen Musikalität offenbarte, zum heimlichen Star des Abends.
Die New Yorkerin Jenai Huff – optisch ein wenig Mia Farrow, akustisch oft Joni Mitchell – schlug nachdenkliche Töne an. Ob sie die Geburt des ersten Kindes thematisierte oder der Verkauf des Elternhauses: Die gereifte Frau weiß, wovon sie singt. Und selbstverständlich darf bei allen Lebensereignissen auch die Liebe nicht fehlen. Wenn sie am Ende ihres einstündigen Sets ganz ohne Vorwurf, sondern nur melancholisch, fragte: „Wo ist sie hin, unsere Liebe?“, dann lebten ihre Songs Authentizität.
Am Anfang habe sie sich an das deutsche Publikum gewöhnen müssen, verriet sie in der Pause: „Die Leute hören hier wirklich zu, bis zur letzten Note – nur machen sie meist ganz ernste Gesichter dabei.“ Produziert wurde ihr jüngstes Album „Color Wheel“, von dem sie einige Songs vorstellte, von keinem Geringeren als Marc-Cohn-Produzent Ben Wisch.
Angetan von den Zuhörern und vor allem der „Location“ gab sich im zweiten Teil die allenfalls halb so viele Jahre zählende Megan Burtt: „Das fühlt sich an, als wäre es der achte Tag: Die Zeit steht still.“ Gefüllt wurde die vermeintliche Zeitschleife mit bluesigen Einschlägen und wie bei ihrer Kollegin einer Stimme, die die reduzierte Musik trug und dominierte. Auch Burtt verarbeitet in ihren Texten viel Persönliches: In „Ghost Town“ den Platz im Herzen, an dem die Dinge weggesperrt sind, die „keiner wissen darf“ oder in „You’re not the only one“ das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Ein Höhepunkt: Die Coverversion von „In the Morning“, nicht etwa aus der Feder von Sängerin Norah Jones, sondern dem gemeinsamen Gitarristen Adam Levy, an diesem Abend formidabel ersetzt durch George Naha. Und auch das einzig vom Jazz-inspirierte Stück der Enkelin eines Jazz-Veteranen, der schon mit Pat Metheny die Bühne teilte, lässt sich mehr als hören.
So kommen die Zuschauer am Ende in den Genuss einer spontanen Trio-Zugabe – und Frank Lumplesch vom Kirchenvorstand darf sich sicher sein, mit seiner Buchung zweier weiterer Gigs im März und November 2017 auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. „Auch wenn es keine Massen sind: Die Reihe sich im kleinen Stil etabliert.“ Der Applaus des Publikums mit den „ernsten Gesichtern“ gab ihm Recht.
hey