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Krebskranke fordern Aufklärung

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Kathrin Otte und Holger Müller laden Betroffene ein, in der Gruppe mitzuwirken. - Foto: Krüger
Kathrin Otte und Holger Müller laden Betroffene ein, in der Gruppe mitzuwirken. - Foto: Krüger

Rotenburg - Von Michael Krüger. Was führt zu den erhöhten Krebszahlen in der Samtgemeinde Bothel und im Rotenburger Stadtgebiet? Diese Frage beschäftigt Behörden, Industrie, Bürgerinitiativen, die Öffentlichkeit insgesamt und vor allem die Betroffenen selbst, seitdem im Herbst 2014 die ersten Statistiken dazu bekannt wurden. Nun formiert sich die Selbsthilfegruppe „Leukämie und Lymphomkranke“ neu, um zu helfen und sich der zentralen Fragestellung zu nähern.

Kathrin Otte wird nicht müde, zu mahnen, aufzurütteln, zu kritisieren, nachzufragen. Sich selbst beschreibt die 55-Jährige aus Amelinghausen (Kreis Lüneburg) als „Umweltkranke“. Ihr Leben sei wie das von hunderttausend anderen auch zutiefst und nachhaltig durch verschiedene schädliche Umweltgifte geschädigt. Ihre „relative Gesundung“ unter anderem nach Krebserkrankung und Leberzirrhose habe sie Pionieren der Umweltmedizin in Deutschland zu verdanken. Die jahrzehntelange Verweigerung der Anerkennung der Umweltkrankheiten habe sie überzeugt, dass nur Betroffene selbst einen Paradigmenwechsel erwirken können. Otte ist stellvertretende Vorsitzende des „Gemeinnützigen Netzwerks für Umweltkranke“ (Genuk). Unter dessen Federführung wird sich die Selbsthilfegruppe ab Dienstag, 19. April, einmal monatlich im Rotenburger Rathaus treffen.

Beim ersten Anlauf der Gruppe im vergangenen Jahr sei die Resonanz sehr gut gewesen, berichtet sie. Zahlreiche Betroffene seien dabei gewesen, dazu Partner und Angehörige bereits Verstorbener. Die, die vom Krebs betroffen seien, lebten „alle innerhalb weniger hundert Meter um Bohrstellen der Gasindustrie“.

„Es muss aus der Welt“

Der Zusammenhang von Erkrankungen und Gasförderung, wie er von offiziellen Stellen bislang zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht hergestellt wird, ist für sie und ihre Mitstreiter offensichtlich: „Es ist so schändlich von allen Autoritäten, von Unternehmen und Behörden“, sagt sie. Denn: „Jeder wusste, wenn man bohrt, kommt Benzol hoch.“ Und das sei nun einmal höchst krebserregend.

An ihrer Seite in der Selbsthilfegruppe ist Holger Müller. Der 48-Jährige wohnt in Bellen, gleich in der Nachbarschaft zur Zentrale von „ExxonMobil“ im Erdgasfeld Söhlingen. Seine Geschichte: eine typische für die Betroffenen in der Region. Vor neun Jahren kehrte er in seine Heimat in der Samtgemeinde Bothel zurück, 2012 erkrankte er an Lymphdrüsenkrebs. „Ich bin Zuhause krank geworden“, sagt er, und meint damit: Das Zuhause hat ihn krank gemacht. Der Krebs ist mittlerweile erfolgreich bekämpft, und seitdem er im vergangenen Jahr in der Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen geredet hat, geht er offener mit seiner Geschichte um. Wie Otte selbst steht er immer wieder vor Kameras, um die Probleme vor seiner Haustür zu schildern. Seitdem Exxon angekündigt hat, eine neue Reststoffbehandlungsanlage in Bellen aufzubauen, ist er in der „IG Wiedau“ engagiert. Müller: „Wir müssen an dem Thema dranbleiben. Es muss aus der Welt.“ Es seien immer mehr Menschen betroffen, sagen Otte und Müller gemeinsam. Also wollen sie helfen – mit Gesprächen, Informationen, Austausch. Innerhalb der Gruppe gebe es Experten, die viele Fragen beantworten könnten. Und es komme noch ein Punkt dazu, der die Gruppe besonders mache: die Befürchtung, dass man krank gemacht wurde. Otte: „Das ist ein unheimlich belastender Punkt.“

Die nächsten Treffen der Gruppe sind für den 19. April, 17. Mai, 21. Juni, 19. Juli, 23. August, 20. September, 18. Oktober, 22. November und 20. Dezember jeweils ab 19 Uhr im Sitzungsraum 1 des Rotenburger Rathauses geplant. Kurzfristige Änderungen und weitere Informationen werden auf der Genuk-Homepage bekannt gegeben.

www.genuk-ev.de

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