Chemieunfall wirkt lange nach

Visselhoevede - Von Jens WietersVISSELHÖVEDE · Tief unter dem Landstrich Rosebruch im Visselhöveder Norden lagern Erdgasreserven, die vom Unternehmen ExxonMobil gefördert werden. Bei der als „Fracing“ bezeichneten Technik wird mit Chemikalien versetztes Wasser unter hohem Druck in tiefe Schichten gepresst, um Gestein aufzubrechen und so eingelagertes Gas herauszuholen. Diese Chemikalie sorgt jetzt für Schlagzeilen. Auch weil es am Bohrloch zwischen Rosebruch und Moordorf bereits im Jahr 2008 zu Leckagen kam, so dass kontaminierter Boden ausgetauscht wurde und das Grundwasser jetzt genauestens überprüft wird.
Das NDR Fernsehen berichtet in der Sendung „Markt im Ditten“ am Montagabend ab 20.15 Uhr über das Horizontalbohrverfahren und der damit verbundenen möglichen Verunreinigung des Grundwassers. In der Lüneburger Heide und im Raum Vechta haben sich nämlich mehrere Bürgerinitiativen gebildet, die gegen die Gasförderung mittels einer unbekannten Chemikalie vehement protestieren und vor allem Aufklärung verlangen.
Denn um welche Chemikalien es sich genau handelt, das weiß nur der amerikanische Konzern und das Landesbergamt in Clausthal-Zellerfeld, dass die Probebohrungen und Förderungen weitgehend allein genehmigt und beaufsichtigt. Die Kommunen werden nur am Rande informiert.
ExxonMobil-Sprecher Norbert Stahlhut erklärte gegenüber dem NDR öffentlich, dass die gesamte Produktion von Erdgas ein komplexer Prozess sei. Die Technologie wende man seit Jahrzehnten in Niedersachsen an. Bis heute gab es keine einzige Beeinträchtigung von Grundwasser.“
Das stimmt offenbar aber nicht so ganz, denn in einer sogenannten Lagerstättenwasserleitung zwischen Moordorf und Rosebruch wurden bereits 2008 einen Meter unter der Erde einige Lecks entdeckt. Die Leitung gehört zur Exxon-Betriebsstätte Söhlingen Z 3. „Bei einer Sicherheitsüberprüfung der Leitung wurden mehrere Schadensstellen entdeckt. Der Betrieb der Leitung wurde sofort eingestellt“, sagte Exxon-Mobil Sprecher Hans-Hermann Nack unserer Zeitung gestern. Dadurch sei es zu Bodenverunreinigungen auf einer Strecke von zwei Kilometern gekommen. Der Mutterboden sei fachgerecht entsorgt und mit sauberem Bodenmaterial bis zum ursprünglich vorhandenen Geländeniveau wieder verfüllt worden. „Gleichzeitig wurde ein sogenanntes Grundwassermonitoring eingeleitet sowie Messstellen installiert, die das Grundwasser auf mögliche Verunreinigungen prüfen“, so Nack. Diese Überprüfungen seien noch nicht beendet. Aber als gefährlich stuft Nack die ausgetretenen Flüssigkeiten nicht ein. „Es handelt sich dabei überwiegend um Aromate und Salze.“ Alle Arbeiten seien den zuständigen Behörden gemeldet und von diesen genehmigt worden.
Über den Störfall wurde auch die Visselhöveder Verwaltung informiert. Das bestätigt Bürgermeisterin Franke Strehse (SPD), die gestern vor den NDR-Kameras ebenso wie die Botheler Grüne Uta Tümler und der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne) ein Statement abgab. „Der Stadtrat wurde von uns benachrichtigt und wir haben uns die Reparaturarbeiten vor Ort angeschaut“, so Strehse, die dem Konzern eine „gute Informationspolitik“ bescheinigt. Allerdings steht sie mit dieser Meinung relativ alleine da, denn die Öffentlichkeit, sprich die Presse, wurde seinerzeit nicht informiert.
Strehse: „Was letztlich aus den Lecks geflossen ist, können wir nicht nachprüfen. Da müssen wir uns schon auf das Bergamt verlassen.“ Und dort hat offenbar auch ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Denn wie Hans-Hermann Nack unterstreicht, würden bei neuen Erkundungsbohrungen Informationsabende veranstaltet, bei denen „die Technik anschaulich erläutert wird.“
Übrigens wird die Leitung auch nach der Reparatur nicht wieder ans ExxonMobil-Netz angeschlossen. „Diese Entscheidung wurde vor einigen Tagen getroffen“, sagt Nack, der einen Materialfehler der Rohre als Ursache der Lecks annimmt. „Das war aber bisher die Ausnahme.“ Das Lagerstättenwasser falle bei der Trocknung des Erdgases auf den Förderplätzen an und werde mit Leitungen oder über Tankwagentransporte in den Erdgasfeldern transportiert. „In diesem Fall kommen jetzt die Tanker zum Einsatz“, sagt Nack.
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