Rückkehr der wilden Samtpfoten nach Nienburg

Landkreis Nienburg - von Leif Rullhusen. Wildkatzen erobern nach jahrhundertlanger Jagd auf sie die heimischen Wälder zurück. Noch liegt ihr Verbreitungsschwerpunkt in Südniedersachsen.
„Stabile Populationen befinden sich im Harz und im Solling“, berichtet Carsten Lippe vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). „Von hier aus ist eine Abwanderung von jüngeren Tieren festzustellen.“ Und zwar bis in den Landkreis Nienburg. Die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM) in Winzlar hatte in diesem Jahr bereits zwei eigene Sichtungen im Bereich des Steinhuder Meeres. Den Naturschützern liegen weitere, allerdings unbestätigte aktuelle Sichtungen Dritter aus diesem Landkreis vor. Auch im vergangenen Jahr gab es Nachweise von Wildkatzen in der Region südwestlich des Binnengewässers.
Die Zahl der Sichtungen im Süden des Landkreises seien bislang zu gering, um daraus Rückschlüsse auf die Anzahl der hier lebenden Wildkatzen zu schließen, verdeutlicht Carsten Lippe. „Über die genaue Populationsgröße auf Basis des gegenwärtigen Datenbestandes lässt sich deshalb nur spekulieren.“
Der Luchs war in Deutschland vollkommen ausgerottet
Anders als die Wildkatze, mit der er verwandt ist, war der Luchs in Deutschland sogar vollkommen ausgerottet. Durch das „Luchsprojekt Harz“ wurde er im Jahr 2000 in Niedersachsen wieder erfolgreich angesiedelt. Etwa 80 dieser Katzen mit den charakteristischen Pinselohren sind inzwischen auch außerhalb des Harzes unterwegs. Deutschlandweit wurden laut Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutz im vergangenen Jahr 135 wildlebende Luchse gezählt. In Niedersachsen sind vor allem zwei Autobahnen die Verbreitungsgrenzen. „Südlich der A 2 kann man dem Luchs durchaus begegnen“, erklärt Ole Anders, Projektkoordinator des Luchsprojektes Harz.

Nördlich der A2 gebe es mehrere Hinweise östlich der A7. „In dem Waldgebiet zwischen Celle und Uelzen lebt definitiv ein Luchs. Wahrscheinlich ist es ein Tier aus dem Harz“, erklärt Anders. Hinweise auf eine westliche Ausbreitung, und damit in Richtung Nienburg, gebe es bislang nicht. „Sie ist wünschenswert und auch möglich“, glaubt der Projektkoordinator. Allerdings seien Luchse sehr waldgebunden, weil sie Deckung brauchen.
Neben dem wenig bewaldeten Gebiet im Westen des Landkreises Nienburg ist auch die Autobahn eine Barriere. Das größte Hindernis einer zügigen Verbreitung von Luchs und Wildkatze ist nämlich noch immer der Mensch. Zwar werden die Tiere nicht mehr bejagt, dafür sind zum Beispiel Autobahnen für sie Todesfallen. Naturschützer fordern daher Grünbrücken, die ein gefahrloses überqueren von Autobahnen und Schnellstraßen ermöglicht.
Nachweis mit der Lockstockmethode
Nachgewiesen werden Wildkatzen mit der Lockstockmethode. Naturschützer besprühen angeraute Holzpflöcke mit Baldrian und schlagen diese in den Boden. Vom Baldrian-Duft angezogen, reiben sich die Wildtiere daran. Die Haare, die so am rauen Holz hängen bleiben, können eingesammelt und dann im Labor untersucht werden. Dabei werden die Tiere nicht in ihrem natürlichen Verhalten beeinflusst.
„Bei Luchsen funktioniert diese Methode nicht“, berichtet Ole Anders. Im Harz arbeiten die Beobachter deshalb intensiv mit Wildkameras. Das sei aber erst sinnvoll, wenn es vermehrt Hinweise auf Luchse gebe. Anders: „Sonst sucht man die Nadel im Heuhaufen.“
Die Wildkatze
Mit der Hauskatze hat die Wildkatze nur wenig gemein. Sie kann sehr gut hören und so Beutetiere auch in dichter Vegetation oder in der Dunkelheit wahrnehmen. Sie wiegt zwischen zwei und sieben Kilo. Auf ihrem Speisezettel stehen Wühl-, Feld- und Schermäuse. Ab und zu auch mal ein paar Eidechsen. Vögel dagegen kaum. Wildkatzen sind Einzelgänger, die im Vergleich zur Körpergröße sehr große Aktionsräume nutzen. Das Streifgebiet der Kater ist mit 1500 bis 3000 Hektar in etwa so groß wie das des Rotwildes.
Der Luchs
Die größte Katze Europas lebt als Einzelgänger in großen Waldgebieten. Er kann auf kurze Distanz bis zu 70 Stundenkilometer schnell sprinten. Er besitzt ein phantastisches Hörvermögen und sieht besonders gut. Ein ausgewachsener Luchs wiegt zwischen 20 und 25 Kilo. Zu seiner bevorzugten Nahrung zählen neben Kleinsäugern vor allem Rehe. Luchse sind Einzelgänger, die große Gebiete für sich beanspruchen. Die Reviergröße variiert stark in Abhängigkeit von der Waldstruktur und der Dichte der Beutetiere. Sie kann bis zu 450 Quadratkilometer umfassen.